▷ Parzinger: „Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen“

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▷ Parzinger: „Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen“

16.02.2022 – 01:00

Neue Osnabrücker Zeitung

Osnabrück (ots)

Parzinger: „Die Öffentlichkeit muss mehr über Kolonialismus wissen“

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sieht eine klare Aufgabe für das Humboldt Forum

Osnabrück. Die Geschichte des deutschen Kolonialismus wird in den nächsten Jahren das zentrale Thema des Berliner Humboldt Forums sein. Das sagte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Es geht nicht nur um die Objekte. Es muss auch eine breite Dekolonisierung unseres Denkens geben. Das ist nicht allein eine Aufgabe der Museen. Die Öffentlichkeit muss mehr über den Kolonialismus wissen und über seine Folgen nachdenken, denn diese Geschichte hat auch damit zu tun uns heute“, sagte Parzinger und stellte zugleich das Museum als Institution in den Mittelpunkt dieser Aufgabe: „Museen wie das Humboldt Forum, dessen Fassade bereits auf die deutsche Geschichte verweist, haben eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung.“

Parzinger verteidigte in diesem Zusammenhang auch die historische Fassade des Humboldt Forums in Berlin. „Die Palastfassade wirkt positiv, weil sie uns an unsere Geschichte bindet, der wir uns nicht entziehen können. Es ist ein interessantes Wagnis, in diesem Gebäude gemeinsam mit den Ländern des Globalen Südens einen neuen Weg in die Zukunft zu entwerfen. Futuristisch Gebäude wäre es einfacher, sich dieser Geschichte zu entziehen. Die historisierenden Fassaden des Humboldt Forums hingegen haben eine Art Katalysatorwirkung“, so der Stiftungspräsident, der der historischen Fassadengestaltung eine besondere Signalwirkung zuschreibt.

Gleichzeitig kündigte Hermann Parzinger an, noch in diesem Jahr den Besitz der weltberühmten Benin-Bronzen in die Berliner Sammlungen zurückzugeben und damit dem Beispiel des Hamburger Museums am Rothenbaum zu folgen. „Auch diese Stücke wollen wir in diesem Jahr zurückgeben. Die Ausstellung im Humboldt Forum wird derzeit überarbeitet. Der Prozess der Rückgabe soll Teil der Erzählung sein. Trotzdem wollen wir auch einige Originale zeigen, weil sie Weltkunst sind.“ . Wir entwickeln diese Ausstellung gemeinsam mit Kollegen aus Nigeria“, kündigte Parzinger an.

Der eindeutige Rückführungskurs gilt ihm zufolge auch für die in der Sammlung der Berliner Charité gefundenen menschlichen Überreste. Die Eigentumsfrage stellt sich bei diesen Objekten nicht. „Am wichtigsten ist, dass wir bei menschlichen Überresten nicht recherchieren, ob die Objekte legal erworben wurden. Bei diesen Objekten ist der Kontext a priori nicht legal, weil Friedhöfe illegal geöffnet wurden. Das ist eine schwere Störung. Aber wir müssen es tun genau herausfinden, woher sie stammen, um die Überreste an die richtigen Empfänger zurückgeben zu können“, erläuterte Parzinger die Position der Stiftung.

In der Frage des Auslegerboots von der Südseeinsel Luf weicht Parzinger dagegen von jenen Forschern ab, die wie der Historiker Götz Aly den Erwerb des Schiffes als rechtswidrig kritisiert haben. „Was den Erwerb des Bootes betrifft, sind unsere Experten etwas anderer Meinung als Götz Aly. Es wurde 20 Jahre nach der Strafexpedition auf der Insel Luf erworben. Es gibt eine Reihe von Indizien, die nicht so eindeutig auf einen hindeuten Unrechtmäßiger Erwerb Die Nachkommen Die ehemaligen Bootsbauer haben uns übrigens mitgeteilt, dass sie gerne nach Berlin kommen würden, um sich das Boot anzuschauen, um die Bauweise studieren zu können, um heute wieder so ein Boot bauen zu können „, weil dieses Wissen auf der Insel verloren gegangen ist. Sie wollen dieses Boot wieder aufbauen, aber nicht für ein Museum, sondern um es zu nutzen“, erklärte Parzinger.

Gleichzeitig machte er deutlich, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in den kommenden Jahren ein neues Profil als Akteur in der globalen Kulturpolitik gewinnen solle. „Wir verstehen uns als Global Player in der Kulturgutforschung. Die Rückgabe von Kulturgut und eine neue Qualität des Dialogs sind Teil der Entwicklung einer neuen Art der Zusammenarbeit mit dem globalen Süden. Das ist ein wichtiges Zukunftsthema. Blick nach innen.“ geht es um die Bewältigung der Herausforderungen unserer Akzeptanzgesellschaft, um Integration, Inklusion und Diversität“, so Hermann Parzinger abschließend.

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