Aller guten Dinge sind drei: Omicron-Infektion so gut wie Impfungen?

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Aller guten Dinge sind drei: Omicron-Infektion so gut wie Impfungen?

Oft liest man derzeit, dass Omicron-Infektionen dabei helfen könnten, die deutsche Impflücke zu schließen. Gesundheitsminister Lauterbach warnt hingegen davor, dass die Immunität nach Genesung schnell nachlässt. Beides trifft für sich zu, ist aber nur ein Teil des etwas komplizierteren Gesamtbildes.

Einmal geimpft, grundimmunisiert, aufgefrischt, infiziert oder hatte eine Durchbruchinfektion – und das alles auch in unterschiedlichen Abfolgen und Kombinationen. Den Überblick zu behalten, wann und wie gut man gegen Covid-19 geschützt ist, ist wirklich nicht einfach. Das gilt nicht nur für Laien, auch die Wissenschaft erforscht noch die rasante Entwicklung.

Unter anderem versucht sie herauszufinden, welche Rolle Omikron gerade spielt. Wie hoch ist der Schutz nach Infektion durch die Variante? Kann es vielleicht sogar Impfungen ersetzen oder ist es nur ein kleiner Schritt in Richtung Normalität?

Schutz vor Ansteckung oder schwerer Erkrankung?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach trägt zur Verwirrung bei, die derzeit in Deutschland herrscht. Denn was das Ziel der Pandemiepolitik im Moment ist, sagt er nicht klar. Ursprünglich ging es darum, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu schützen, was vor allem bedeutet, schwere Erkrankungen zu vermeiden. Mit der Verkürzung des genesenen Status von sechs auf drei Monate sind das RKI und Lauterbach davon abgewichen, denn Grund dafür ist ein rapider Rückgang der Immunität.

Lauterbach teilte am Freitag einen auf Twitter US-Studie (Preprint), die diese Sichtweise unterstützt. „Das hört niemand gerne, aber es ist so. Die Studie unterstützt die Analyse des RKI, dass drei Monate nach der Genesung von einer leichten Omicron-Infektion nicht mehr viel Immunität vorhanden ist“, schrieb er.

Hier geht es darum, den Schutz vor einer erneuten Infektion durch sinkende Antikörperspiegel (Titer) zu verringern. Es geht also nicht darum, ob eine überstandene Omicron-Infektion langfristig vor einer schweren Erkrankung schützen kann. Unter Bezugnahme auf dieselbe Studie twitterte Lauterbach später, man dürfe Omikron nicht unterschätzen, da man sich relativ schnell nach der Ansteckung wieder anstecken könne.

Nachlassende Immunität

Bereits bei der Delta-Variante hatte sich gezeigt, dass der Infektionsschutz selbst bei zweifach Geimpften nach einigen Monaten deutlich abnimmt. Davon ist laut britischer Gesundheitsbehörde bei Omikron kaum noch etwas übrig UK Health Security Agency (UKHSA) sind es nach 25 Wochen noch 9 (Biontech) bzw. 13 Prozent (Moderna). Eine dritte Impfung steigert die Wirksamkeit auf 63 und 70 Prozent, wie lange das anhält, bleibt abzuwarten.

Carsten Watzl, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, fordert, Genesene sollten genauso behandelt werden wie Geimpfte. „Wer einen Infekt durchgemacht hat, ist immun“, sagt Watzl. „Aber die Immunität ist sehr variabel.“ Auf der einen Seite ist es sehr stark, auf der anderen eher schwach. „Im Durchschnitt ist man etwas weniger geschützt als mit zwei Dosen Biontech.“ Aber, betont Watzl, es gebe auch Vorteile: „Der Antikörperspiegel sinkt bei Genesenen etwas langsamer als bei Geimpften. Und die Antikörper sind breiter angelegt.“

Es gibt daher Stimmen, die Omikron für eine natürliche Alternative zu Impfstoffen halten, zumal die Variante deutlich harmloser sein soll als ihre Vorgänger. Tatsächlich führen Omikrone deutlich seltener zu schweren Erkrankungen, was sich an der geringen Belastung der Intensivstationen im Vergleich zu den enorm hohen Inzidenzen ablesen lässt.

Ein großer Teil der „Milde“ ist jedoch auf die Impfungen und überstandenen Delta-Infektionen zurückzuführen. Omikron bleibt gefährlich für die Ungeschützten, besonders wenn sie älter sind. Die UKHSA geht davon ausdass das Gesamtrisiko, wegen Omicron ins Krankenhaus eingeliefert zu werden, etwa halb so hoch ist wie bei Delta. Das Risiko, ein Intensivfall zu werden, sei um rund zwei Drittel geringer, schreibt sie.

Leichte Erkrankung – niedrige Antikörper

Wenn Sie nicht ernsthaft krank sind, besteht eine gute Chance, dass Ihre erworbene Immunität nicht sehr gut ist. Eins US-Studie (Preprint) kamen kürzlich zu dem Ergebnis, dass nach einer Omicron-Infektion im Durchschnitt etwa zehnmal weniger Antikörper gebildet werden als nach einer Infektion mit der Delta-Variante. Den Grund dafür sehen sie in der Häufung schwerer Krankheitsverläufe bei Delta. Auffrischungsimpfungen sind zwar nicht so effektiv wie die Genesung von einer Delta-Infektion, führen aber zu durchschnittlich dreimal höheren Antikörperspiegeln als nach einer Omicron-Infektion.

Die Erkenntnis, dass eine schwerere Erkrankung wahrscheinlich zu einer stärkeren Bildung von Antikörpern führt, ist nicht neu. Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) hat sich 2020 zusammengefunden ähnliches Ergebnis. „Wenn man sich einmal fünf Tage mit dem Virus auseinandergesetzt und sich schwach gefühlt hat, reicht das definitiv nicht aus, um eine dauerhafte Immunität zu bekommen, insbesondere gegen neue Virusvarianten“, sagt der Immunologe Reinhard Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover RND.

Zudem ist die Immunantwort auf Infektionen sehr spezifisch. „Wenn jemand eine Infektion mit einer Alpha-Variante hatte, erkennt er in erster Linie die Alpha-Variante am besten. Und wenn er eine Infektion mit der Delta-Variante hatte, erkennt er in erster Linie die Delta-Variante am besten. Und wenn er eine Infektion mit der Omicron-Variante hat, er erkennt vor allem die Omicron-Variante am besten“, sagt Virologin Ulrike Protzer dem Medienzentrum Wissenschaft. „Inwieweit diese Antikörper, die wir jetzt in diesem Fall betrachten, auch gegen andere Varianten schützen, hängt davon ab, wie weit sie voneinander entfernt sind.“

Beide Einschränkungen der Schutzwirkung hatte man vor ein paar Tagen auch Österreichische Studie (Vordruck). „Ungeimpfte haben nach einer Omikron-Infektion deutlich weniger neutralisierende Antikörper gegen Omikron als geimpfte/genesene Menschen und kaum Schutz vor anderen Varianten“, kommentiert Carsten Watzl auf Twitter.

T-Zellen halten die Stellung

Wohlgemerkt, hier geht es um die Abwehr einer Infektion oder Reinfektion. Der Schutz vor schweren Erkrankungen bleibt nach nur zwei Dosen stark und steigt neun Wochen nach der Auffrischungsimpfung auf bis zu 95 Prozent. Wie es weitergeht, kann die UKHSA noch nicht abschätzen, aber Wissenschaftler vermuten, dass die Wirksamkeit gegen Krankenhauseinweisung und Tod noch lange anhalten wird.

Das liegt vor allem daran, dass das Immunsystem weit mehr zu bieten hat als die erste Verteidigungslinie mit Antikörpern. Langfristig kommen die T-Zellen ins Spiel, die für die sogenannte zelluläre Immunität verantwortlich sind. Es gibt Killerzellen, die infizierte Zellen anhand von Virusfragmenten erkennen und zerstören. Helferzellen regen andere T-Zellen an, neue Antikörper zu produzieren, und es bilden sich Gedächtniszellen, die auch lange nach überstandener Impfung oder Infektion das Immunsystem schnell wieder neu starten, wenn ein Erreger oder verwandte Mutanten erneut angreifen.

Impfung, Ansteckung? Grundsätzlich dreimal

Diese Immunreaktion wird jedoch nicht nur durch die Impfstoffe verursacht, sondern auch durch Infektionen, wie z Südafrikanische Studie (Preprint) zeigt. Um den bestmöglichen Schutz vor einer schweren Erkrankung und Infektion zu erhalten, reicht jedoch weder eine einmalige Impfung noch eine einmalige Infektion aus. Das Immunsystem muss dreimal das Spike-Protein des Virus sehen, mit dem es an Zellen andockt, um eine hochwertige Immunantwort aufzubauen, getwittert Ulrike Protzer Ende Januar. Sie bezog sich auf eine neu erschienene Studie der LMU Münchenan der sie beteiligt war.

Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob Sie dreimal geimpft wurden, nach zweimaliger Impfung eine Durchbruchinfektion hatten oder nach überstandener Infektion zweimal geimpft wurden. Insofern kann eine omicron-Infektion eigentlich eine Impfung ersetzen, aber eben nur eine. Alleine nützt es wenig und bleibt riskant. Danach muss man sich entweder zweimal impfen lassen oder zwei weitere Infektionen abwarten, um eine starke Corona-Abwehr aufzubauen. Drei Spritzen sind eindeutig der einfachere, schnellere und sicherere Weg.