Die anhaltende Krisensituation aufgrund der Corona-Pandemie wirkt sich weiterhin auf die Altstadtkinos in Regensburg aus. Bob Meindl vom Kino Ostentor erklärt, warum sie trotz der rührend starken Unterstützung ihrer treuen Regensburger Kinobesucher eine Schließung nicht ausschließen können.
Die Regensburger Altstadtkinos sind fester Bestandteil der Kulturszene, eigentlich aus der „nördlichsten Stadt Italiens“ nicht mehr wegzudenken. Doch die anhaltende Krisensituation macht ihnen das Überleben schwer – trotz eines Publikums, das immer wieder seine Liebe zum Kino beweist. Bob Meindl vom Kino Ostentor erzählt, wie berührend die starke Unterstützung der Regensburger Kinobesucher ist und warum eine Schließung bevorstehen könnte.
Wie beurteilen Sie die vergangenen Monate der Pandemie aus Sicht des Kulturtreibers Kino – insbesondere mit den sich ändernden Regelungen und den Schließungen zu Beginn der Pandemie?
Ja, das war ziemlich nervenaufreibend, muss ich sagen. Das war vor allem deshalb frustrierend, weil wir auch immer wieder auf die Vorschriften reagieren mussten. Einerseits war es sehr schön zu sehen, dass sich die Leute für das Kino interessieren und bereit sind, dafür zu arbeiten. Andererseits war es einfach frustrierend, weil wir viele Sonderveranstaltungen verschieben mussten. Wir sind nicht „nur“ ein Kino, wir haben auch eine Bühne vor der Leinwand, auf der Konzerte, Lesungen und Festivals stattfinden. Wir hatten sogar eine 24-köpfige Jazzband auf der Bühne! Solche Veranstaltungen mussten verschoben oder ganz abgesagt werden. Das geht mir auf die Nerven – und finanziell sieht es ehrlich gesagt überhaupt nicht gut aus. Vor allem bei den derzeit geltenden 2G plus-Regularien. Wir haben sogar darüber nachgedacht, montags bis mittwochs zu schließen oder für zwei Wochen komplett zu schließen. Oder irgendwann, wenn es nicht mehr geht und wir es bis zum Sommer nicht schaffen, sogar ganz schließen. Finanziell ist derzeit nichts zu machen.
Steht eigentlich die komplette Schließung des Kinos im Raum?
Ja, irgendwann. Wir müssen uns zwar noch bis zum Sommer retten, aber wenn es so weitergeht… Die Kinobar ist im Moment noch geschlossen, im Sommer hat sie meistens für einen finanziellen Ausgleich gesorgt. Aber wir haben auch Mitarbeiter, die bezahlt werden müssen – aber mit Cola und Chips kann man im Kinoverkauf nicht wirklich wirtschaftlich arbeiten. Es wäre schwierig für uns, auch nur eine Kleinigkeit als Mahlzeit anzubieten.
Welche Maßnahmen hat das Kino Ostentor ergriffen, um sein Publikum während der Pandemie zu beschäftigen?
Wir haben viel getan – nicht nur für uns, sondern auch für einige Designer oder Illustratoren, die dem Kino besonders nahe stehen. So gab es zum Beispiel eine Postkartenserie mit zwölf Motiven – von jedem einsRechts Künstler – der einen leichten Bezug zu Corona hatte. Ein Motiv ist zum Beispiel das Coronavirus als Todesstern, der in bester Star-Wars-Manier mit Laserwaffen beschossen wird. Sie kamen in den Onlineshop, den wir eigens dafür eingerichtet haben. Unsere Kulturaktien gab es schon vorher, Sie können bei uns Kulturaktionär werden. Bisher gab es sieben davon, und das achte wird bald folgen. Natürlich gibt es auch Gutscheine für das Kino oder die Kneipe.
Wie waren die Reaktionen aus dem Publikum auf Ihre gemeinsamen Aktivitäten – zum Beispiel auf die Kulturaktien?
Es ist fast unmöglich, mehr Community als unser Publikum zu bekommen. Das ist nicht nur seit kurzem so: 2015 wurden die Pachtverträge für das Chaplin, das Kino Ostentor und die Kinobar neu vergeben. Damals verließ Achim Hofbauer, der das Garbo-Kino betreibt, das Gebäude. Dann startete eine Privatperson eine Petition, um dafür zu sorgen, dass die drei Standorte weiterhin erhalten bleiben. Innerhalb weniger Wochen hatten rund 14.000 Menschen diese Petition unterzeichnet. Unglaublich berührend waren auch die Kommentare unten, zum Beispiel von Paaren, die sich in diesem Theater zum ersten Mal küssten und 20 Jahre später immer noch zusammen sind. Es ist herzzerreißend, aber es tut auch weh zu wissen, dass so viele Menschen hinter uns stehen und uns unterstützen wollen – aber das geht gerade nicht.
Wie schätzen Sie die gemeinschaftsbildende Wirkung solcher Angebote – oder gar der Support-Shirts – auf Ihr Publikum ein?
Bisher haben wir nur gutes Feedback bekommen. Viele Leute schreiben uns auch nette Kommentare in die Bestellungen – zum Beispiel, wenn jemand in Berlin wohnt und uns trotzdem unterstützen möchte. Gerade weil viele Menschen jetzt nicht ins Kino gehen können. Die Community war definitiv schon vorher da, aber die Krisenzeit hat es wieder deutlich gemacht. Wir haben wochenlang Pakete gepackt und verschickt, durften dann aber diese lieben Nachrichten lesen.
Hat das Regensburger Publikum eine stärkere Bindung zum Kino? Viele Leute sagen aktiv, dass sie nur in die Altstadtkinos gehen und Kinoketten meiden – woran könnte das liegen?
Auffällig und typisch Regensburg ist es auf jeden Fall. Wahrscheinlich liegt es wirklich an den Menschen hinter den Kinos, die das Angebot geprägt haben. Woher das in der Wurzel kommt, kann ich nicht direkt sagen. Aber Regensburg ist seit den siebziger Jahren eine echte Kinostadt und das hat sich kaum geändert. Vielleicht liegt das auch an der großen Anzahl an Studierenden, aber unser Publikum ist sehr gemischt. Woher das wirklich kommt, können letztlich nur die Regensburger sagen.
Aber wir versuchen uns auch von den etablierten Kinoketten abzuheben, und das wird geschätzt. Die Nachfrage ist offensichtlich da, obwohl es hier so viel Angebot gibt. Das hat auch die Stadt erkannt: Wir wurden 2018 für den Kulturförderpreis nominiert, konnten aber aufgrund der Satzung nicht offiziell anerkannt werden. Daraufhin beschloss die Stadt, dass speziell für das Kino Ostentor ein Sonderpreis vergeben werden sollte.
Die aktuellen Regelungen verändern das altbekannte Kinoerlebnis sehr stark – wie versucht das Ostentor Kino seinem Publikum den Besuch so angenehm wie möglich zu gestalten?
Sicherheit hat bei uns schon immer oberste Priorität: Wir haben Luftfilter und Klimaanlagen eingebaut, wir achten auf Abstände, das Publikum wird durch Pfeile auf dem Boden geleitet und wir haben uns sowieso immer an die Vorlagen gehalten. Wir haben sogar eine Ampel installiert, damit sich die Leute in dem besonders engen Korridor zwischen Kino und Kneipe nicht über den Weg laufen. Wir haben sogar einen Kurzfilm gedreht! Er sollte die Regeln noch einmal erklären.
Trotzdem: Mit all diesen Auflagen und Einschränkungen ist das nicht machbar. Wir haben unsere Vorstellungen reduziert, damit wir richtig lüften können. Mit den aktuellen Regelungen können wir nur 25 Prozent der Plätze nutzen, das sind maximal 40 Plätze. Ich weiß auch nicht was das soll. Natürlich möchten wir, dass die Restaurants wissen, dass 2G für sie gilt. Die Kinos hingegen müssen mit 2G plus arbeiten. Aber wenn in einem Restaurant alle Plätze besetzt sind und am Tisch niemand eine Maske trägt, und im Kino dagegen Maskenpflicht besteht, nur jeder vierte Platz besetzt werden darf, dann ist das schlichtweg eine Ungleichbehandlung. Wir können so nicht mehr mithalten. Ich habe wirklich keine Worte dafür.
Wie sähe Ihr Traumszenario aus, welche Regelungen halten Sie beim Betrieb eines Kinos für sinnvoll?
Generell wäre es wünschenswert, wenn wir ein ähnliches Modell wie in Österreich einführen könnten. Dort kann man PCR-Tests kostenlos nach Hause holen und fast überall in einer Box abgeben, die Ergebnisse kommen auch sehr schnell. (Anm. d. Red.: Das ist die Aktion „Alles gurgelt!“, die in Wien und Oberösterreich aktiv ist.) Das ist für uns aufgrund der Laborkapazitäten wohl schwierig, wäre aber eine Option. Und für uns persönlich würde ich mir einfach eine höhere Auslastung der Kulturinstitutionen wünschen. Wir nehmen die Situation und die hohe Inzidenz sehr ernst. Aber wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse offenbar 2G in der Gastronomie ermöglichen, warum nicht bei uns? Wir müssen Masken tragen, wir halten die Abstände ein und wir reden im Kino nicht so viel wie im Restaurant. Und wenn die Zahlen es erfordern, schließen Sie es wieder.
Zum Schluss positiv: Auf welche Highlights freut sich das Ostentor besonders?
Auf den Sommer darf man sich besonders freuen! Auf die offene Kneipe und auf die bereits in Planung befindlichen Festivals. Es wäre unsere größte Freude, wenn wir noch 50 Jahre Ostentor feiern könnten, das ist eigentlich schon 2021. Mit Filmen ist es etwas schwierig, es liegen auch noch viele Filme auf Eis. Aber wenn wir ihn bekommen, können wir uns auf The Worst Person In The World freuen, den norwegischen Oscar-Nominierten.
Letztendlich würde ich mich am meisten über einen normalen Betrieb freuen.
RNRot