Corona-Pandemie: „Kinder haben jetzt oberste Priorität!“ | Wissen & Umwelt | DW

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Corona-Pandemie: „Kinder haben jetzt oberste Priorität!“ |  Wissen & Umwelt |  DW

Die Infektionszahlen in der aktuellen Corona-Welle sind auf einem Allzeithoch, auch wenn der Höhepunkt bezogen auf die Gesamtbevölkerung mittlerweile überschritten sein dürfte. Mit Inzidenzwerten von 3.000 bis 100.000 Fällen trifft SARS-CoV-2 so viele Kinder wie nie zuvor.

Untersuchen Sie die Auswirkungen des Coronavirus auf Kinder und Jugendliche Dr. Jacob ArmanOberarzt in der Abteilung für Pädiatrische Infektiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden und Prof. Jörg DötschDirektor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Köln seit Beginn der Pandemie.

Im Fokus steht derzeit natürlich die omicron-Variante, die die Infektionszahlen in die Höhe schnellen ließ. Die befürchtete Wucht, mit der Omikron auch die Krankenhäuser treffen könnte, blieb jedoch aus.

Vergleich zwischen Delta und Omicron

Bereits im Dezember 2021 schließen sich die Kinderärzteverbände zusammen gemeinsame Meinung wies darauf hin, dass die Schwere der Erkrankung bei Omicron „in allen Altersgruppen deutlich unter der der Delta-Variante“ liege – auch bei Kindern.

Entwarnung gibt es nun auch bei den Hospitalisierungsraten: Daten von a Studie der University of Cambridge zeigen, dass sich die Zahl der Krankenhauseinweisungen zwischen Delta und Omicron nicht wesentlich unterscheidet. Weitere Studien wie dieser Vordruck aus Dänemark bestätigen dies.

Auch Jakob Armann ist zuversichtlich, dass die Omicron-Welle relativ mild ausfallen wird. „Jetzt ist klar, dass omicron ansteckender ist, aber mildere Verläufe verursacht.“ Das zeigt auch die tägliche Erfassung in den Kinderkliniken. Im Durchschnitt gibt es etwa eine Aufnahme mit nachgewiesener SARS-CoV-2-Infektion pro Tag registriert.

Bei Krankenhausaufenthalten von Kindern wird dem Respiratory Syncytial Virus (RSV) besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei handelt es sich um einen weltweit verbreiteten Erreger, der einfache Atemwegsinfektionen, aber auch schwere Erkrankungen hervorrufen kann.

„Zum Vergleich: die Krankenhauspatienten RSV-Fälle von Oktober bis Dezember 2021 etwa sechs- bis achtmal so hoch“, sagt Armann.

Grundsätzlich können Menschen jeden Alters an dem RS-Virus erkranken, jedoch sind Kleinkinder besonders betroffen. RSV ist hoch ansteckend und wird übertragen, wenn eine infizierte Person niest oder hustet – darin ähnelt es COVID-19.

Sorgen Sie sich um PIMS

Aber nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen einer Infektion mit SARS-CoV-2 machen Eltern Sorgen. Auch Langzeitfolgen wie lange COVID oder das Entzündungssyndrom PIMS („Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“) bereiten ihnen große Sorgen.

„Erste Daten aus England und Dänemark deuten darauf hin, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass die PIMS-Inzidenz mit omicron zunimmt.“

Im Zusammenhang mit Omikron liegen für Deutschland keine Daten speziell zu PIMS vor. „Es bleibt spannend“, sagt Jakob Armann. So löste beispielsweise Delta weniger PIMS aus als Alpha und der Wildtyp, allerdings ist dieser Effekt aufgrund der höheren Fallzahlen in den Hintergrund getreten.

In diesem Winter hätte es etwa gleich viele PIMS-Fälle gegeben wie im vergangenen Winter – allerdings mit einer höheren Fallzahl. Erste Daten für Deutschland erwartet Armann in vier bis sechs Wochen.

Die deutschen Kinderärztekammern stellten in ihrer Stellungnahme fest, dass die Daten aus anderen Ländern wie Großbritannien nur schwer auf Deutschland übertragbar seien und „Schlussfolgerungen mit besonderer Vorsicht getroffen werden müssen“. Sie raten daher dazu, Kinder und Jugendliche auch in Schulen weiterhin durch Hygienemaßnahmen und -konzepte vor Corona-Infektionen zu schützen.

PIMS tritt normalerweise drei bis sechs Wochen nach der Genesung von einer SARS-Cov2-Infektion auf. Mögliche Symptome sind plötzliches hohes Fieber, Abgeschlagenheit und Gelenkschmerzen.

Bemerken Eltern solche Symptome bei ihren Kindern, auch nach einer möglichen asymptomatischen und vielleicht unerkannten COVID-19-Infektion, rät Prof. Jörg Dötsch zur Vorsicht. „Suchen Sie sofort einen Arzt auf. Bei rechtzeitiger Behandlung stellt PIMS kein Problem dar und das Risiko eines schweren Verlaufs ist gering.“

Eine Impfhelferin hält eine Schale mit bunten Kinderpflastern in der Hand.

Impfen oder nicht? Die Entscheidung, die eigenen Kinder impfen zu lassen, fällt vielen Eltern schwer

Auch Impfungen schützen Kinder vor PIMS

Daten der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zeigen, dass eine Doppelimmunisierung mit dem Impfstoff des Herstellers BioNTech/Pfizer bei Zwölf- bis Achtzehnjährigen eine Wirksamkeit von rund 91 Prozent gegen das PIMS-Syndrom erzielt. „Ich rate allen Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren zur Impfung – keine Frage“, betont Jörg Dötsch.

Damit folgt er der Empfehlung der STIKO d’accord. Für alle Kinder ab 12 Jahren gibt es nun eine klare Empfehlung der STIKO. Für Fünf- bis Elfjährige empfiehlt die STIKO die Corona-Impfung nur für Risikogruppen, ermöglicht aber alternativ die Impfung für alle, sofern Eltern und Kinder es wünschen. Nach individueller Beratung.

„Die STIKO ist unser Expertengremium für die Impfempfehlungen in Deutschland und trifft fundierte Entscheidungen, weil sie sehr gut informiert sind und die Themen abwägen“, sagt Dötsch. Er plädiert dafür, dass die STIKO Eltern die Möglichkeit gibt, zu entscheiden, ob ihre Kinder geimpft werden sollen.

Infografik: Belastungen von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Krise

Und für die Kleinen, die unter 5-Jährigen? Auch hier laufen Studien. Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat jedoch die Tests des COVID-19-Impfstoffs von BioNTech/Pfizer für Kinder unter 5 Jahren verschoben, nachdem Daten darauf hindeuteten, dass der Impfstoff gegen Omicron weniger wirksam war als Delta, sagte die Behörde Nachrichtenagentur Reuters.

„Kinder nicht aufgrund ihres Impfstatus einschränken“

Auch Jakob Armann pflichtet Jörg Dötsch bei. „Eigentlich kann sich jeder impfen lassen oder sein Kind impfen lassen. Die Impfungen werden vor allem von Fünf- bis Elfjährigen noch besser vertragen als von Jugendlichen, also kein Grund zur Sorge.“

Aber es gibt ein Aber:

„Was meiner Meinung nach nicht passieren darf, ist, dass Kinder aufgrund ihres Impfstatus in ihren Rechten oder ihrer gesellschaftlichen Teilhabe, in Bildung oder Entwicklung eingeschränkt oder eingeschränkt werden. Dafür gibt es absolut keinen Grund“, warnt Armann. „Wir haben Kinder stark eingeschränkt, oft aus nicht besonders guten Gründen.“ Damit traf Jakob Armann einen Nerv.

Appell: Kinder an erster Stelle

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am 10. Dezember 2021 die Mitglieder eines neuen Corona-Expertenrates zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in Deutschland berufen. Zu dieser Gruppe gehören Virologen, Epidemiologen, Soziologen und Psychologen sowie andere Spezialisten.

In seinem siebte meinung Der Ausschuss forderte die Politik auf, dem Wohl der Kinder höchste Priorität einzuräumen: „Die Pandemie trifft Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Gründen besonders hart“, heißt es darin. Dazu gehören die Belastung durch die SARS-CoV-2-Infektion selbst (COVID-19, PIMS, Long-COVID) sowie die indirekten Auswirkungen der Pandemie (Lockdown, familiäre Belastungen wie Angst, Krankheit, Tod oder Verlust der Existenzgrundlage, Verlust sozialer Teilhabe, Planungsunsicherheit). „Eine sorgfältige, der jeweiligen Situation angepasste Kombination aus Infektionsschutz und gesellschaftlicher Teilhabe sowie psychosozial stabilisierende Maßnahmen sind dringend erforderlich“, heißt es in der Stellungnahme.

Jörg Dötsch ist Teil des Expertengremiums und sichtlich erleichtert, dass die Bundesregierung diesen Bericht ausdrücklich angefordert hat und diese Stellungnahme nun die höchste Ebene erreicht hat – inklusive Empfehlungen und Maßnahmen. Jetzt liegt es an der Politik.

Obwohl Jakob Armann nicht im Expertenrat sitzt, sieht er die Kinder als absolute Priorität: „Wir sollten vor allem Kindern wieder ein normales Leben garantieren.“