Corona-Regeln: Alle Macht den Ländern – Politik

Startseite » Corona-Regeln: Alle Macht den Ländern – Politik

Die Zeit drängt, doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) tritt am Mittwoch vor die Journalisten. Neben ihm Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP, tags zuvor hatten die beiden miteinander gerungen. Man könnte auch sagen: aneinander gelitten. Lauterbach und Buschmann sind die beiden Antipoden der deutschen Corona-Politik. Teamfreiheit vs. Teamvorsicht. Der eine fürchtet um Grundrechte und der andere um den nächsten Mutanten. Doch jetzt haben sie sich geeinigt, nach „intensiven Tagen“, wie Buschmann sagt. Mehr Zeit hätten sie nicht brauchen sollen, denn es sind nur noch zehn Tage: Das aktuelle Infektionsschutzgesetz läuft am 19. März aus. Wie es mit der Maskenpflicht, Zugangskontrollen und Testpflichten weitergeht, war bis zu diesem Mittwoch völlig offen. Aber jetzt sei ein guter Kompromiss gefunden worden, sagen beide.

Konkret soll es so funktionieren: In bestimmten Bereichen sollen Maskenpflicht und Tests beibehalten werden, aber grundsätzlich „kehrt Deutschland zur Normalität zurück“, wie Buschmann sagt. Weitergehende Maßnahmen sollen bei Bedarf dennoch möglich bleiben: also wenn sich bestimmte Regionen zu „Corona-Hotspots“ entwickeln. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Inzidenz stark ansteigt, das Gesundheitssystem kritisch unter Druck gerät oder eine neue Virusvariante auftritt. Als Hotspots könnten Landkreise, Städte, Regionen oder sogar ganze Bundesländer definiert werden, sagt Lauterbach. Das hängt vom Infektionsverlauf ab.

Das Bundesgesetz definiert den Werkzeugkasten, mit dem die Landesregierungen auskommen müssen

Dass die Inzidenzzahlen bundesweit steigen, macht die Pläne für die neue deutsche Lockerung nicht obsolet. Das Robert-Koch-Institut meldete am Mittwoch eine Inzidenz von 1319, innerhalb von 24 Stunden wurden 215.854 Neuinfektionen registriert. „Ich habe noch Hoffnung, dass wir den Anstieg meistern“, sagt Lauterbach. Aber wenn das nicht geht, dann würde das neue Infektionsschutzgesetz gelten. Über Hotspot-Regelungen würden dann strengere Schutzmaßnahmen erlassen.

Die Anordnung der Schutzmaßnahmen obliegt den Bundesländern, sie sollen die Maskenpflicht im ÖPNV sowie in Kliniken und Pflegeheimen anordnen können. In diesen Einrichtungen, in denen besonders gefährdete Gruppen geschützt werden sollen, können wie in Schulen weiterhin Pflichtprüfungen angeordnet werden. In den Hotspots hingegen soll die Maskenpflicht ausgeweitet werden können, auch dort sollen Abstandsgebote, Hygienekonzepte und obligatorische Impf- oder Testbescheinigungen als Instrumente der Pandemiebekämpfung zur Verfügung stehen. Ist eine Region kein Corona-Hotspot, haben die Länder auch keine Möglichkeit, strengere Maßnahmen zu verhängen. Das Bundesgesetz definiert den Werkzeugkasten, mit dem die Landesregierungen auskommen müssen. Das macht die Bundesjustizministerin deutlich. Die Rückkehr zur „Normalität des Lebens“ verweigern oder verschieben, nur aus Vorsicht? Es ist nicht drin.

Der Entwurf nennt keine Grenzwerte für Inzidenz oder Krankenhausbelegung

An anderer Stelle ist der Entwurf allerdings ungenauer: Bei der Frage, wann eine Region ein Corona-Hotspot ist, wird es kompliziert. Weil der Entwurf keine Grenzwerte – etwa für die Inzidenz oder Krankenhausbelegung – nennt, tritt diese bei Überschreitung der Hotspot-Verordnung automatisch in Kraft. Die Definition der Risikosituation liegt bei den Ländern selbst. Ob eine Region in Not ist, hängt stark davon ab, ob der jeweilige Ministerpräsident mit lauterbachischer Vorsicht oder mit Buschmann-artigem Freiheitsdrang auf die Pandemieentwicklung blickt. Die Macht über die Corona-Politik geht zu einem großen Teil auf die Länder zurück: Sie müssen wissen, ob sie in Not sind oder nicht.

Die Regelungen, die nächste Woche im Bundestag beschlossen werden sollen, gelten dann bis zum 23. September. Vor einer möglichen Neuwelle im Herbst, mit der der Bundesgesundheitsminister wohl rechnet, müsste noch einmal ein Nachfolgegesetz verabschiedet werden.