Der große Tod nach Corna?

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Der große Tod nach Corna?

Die Besucher des Gasthauses Zum Alten Krug heben ihr Bier, lachen und feiern – ein Foto an der Wand erinnert an eine Geburtstagsfeier im Jahr 1987. Fast scheint es, als höre man das Klirren der Gläser, das Gelächter und das Geplapper Stimmen. Doch das einzige Geräusch im Speisesaal ist heute das Knarren des Holzbodens, während Heinrich-Christian Tegtmeyer auf die Theke zugeht.

Es ist 17 Uhr, 30 Minuten nach Eröffnung des Gasthauses in Engelbostel. Die rustikal eingerichtete Stube riecht nach deutscher Küche – Fleisch, Gemüse und dunkle Soße. Ein Gast sitzt vorne, die Kellnerin trägt das Essen aus der Küche. An einigen Tischen sind „Reserviert“-Schilder angebracht. „Ich rechne heute noch mit etwa 20 Gästen“, sagt Tegtmeyer und streicht über eine der weißen Tischdecken.

Für einige Gasthäuser kommen die Lockerungen zu spät

Ab und zu hilft der 71-Jährige beim Servieren und Zubereiten der Speisen. „Wenn die Bude brennt, bin ich dabei“, sagt der Wirtshausbesitzer. Der Ort brennt im Moment nicht oft. Im Nebensaal feiern keine Geburtstagsgäste, kein Schützen hebt gemeinsam das Glas, und auch der Chor hat seine Proben im Wirtshaus ausgesetzt.

Das soll sich ändern. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Spürbare Erleichterungen für das Beherbergungsgewerbe wurden bereits ab dem 24. Februar angekündigt – dann soll auch der Hallenbetrieb wieder möglich sein. Doch nicht alle Gasthäuser werden rechtzeitig gelockert.

„Das Wirtshaussterben nimmt Fahrt auf“

„Die Situation für die Gasthäuser war schon vor der Pandemie schwierig“, sagt Renate Mitulla, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Niedersachsen. „Jetzt hat das Sterben dieser Orte mit voller Geschwindigkeit Fahrt aufgenommen.“

Dieses Sterben konnte nicht gut in Zahlen dargestellt werden. Das liegt auch daran, dass familiengeführte Gasthöfe nicht verpflichtet sind, einen Insolvenzantrag zu stellen. Viele Höfe verschwinden in Stille. unbemerkt. Für einige von ihnen war die Pandemie der Todesstoß. „Es wurde immer gesagt, dass die Leute immer essen und trinken“, sagt Mitulla. „Und dann passierte das plötzlich nicht mehr außerhalb des Hauses.“

„Im Moment ist alles unvorhersehbar“, stimmt Tegtmeyer zu. „Es hat mich mental wirklich getroffen. Plötzlich war es leer.“ Sein Wirtshaus ist eine Institution für die Menschen in den umliegenden Dörfern, hier spielt sich das dörfliche Leben ab, Gäste feiern hier meist wöchentlich in der Haupthalle, auf dem Gelände befindet sich auch das Schützenvereinshaus Straße 1 seit 1871, beschäftigt derzeit 14 Mitarbeiter.Zuvor hatte die Familie, die seit über 400 Jahren im Stadtteil Langenhagen lebt, ihren Gasthof woanders in Engelbostel.

Hotel begrenzt den Schaden der Pandemie

Während der Pandemie hat sich die Funktion der Farm verschoben. Jetzt werden hier hauptsächlich Gäste aus dem Hotel bedient. Der Hof bietet Reisenden insgesamt 32 Zimmer zum Übernachten an. Die Hälfte der Zimmer ist derzeit belegt. Die Gäste, darunter auch einige Techniker, sind hauptsächlich beruflich vor Ort und haben Jobs in der Umgebung zu erledigen.

Und ein weiteres finanzielles Standbein hat der Hof: die Heidschnucken, die auch auf der Speisekarte des Restaurants stehen. Sie sind nur wenige Meter entfernt, rund 200 Tiere. Wenn Tegtmeyer über seine Schafe spricht, steht ihm Begeisterung ins Gesicht geschrieben. Die Augen leuchten hinter der dicken Brille. „Das sind einfach tolle Tiere“, sagt er. „Wir sind sogar Bioland-zertifiziert.“

Viele Gasthäuser kämpfen ums Überleben

Doch nicht alle Gasthäuser konnten während der Pandemie auf andere Standbeine setzen. Viele von ihnen kämpfen um ihre Existenz – zum Beispiel im Uetzer Dorf Dedenhausen. Dort hat sich nun eine Genossenschaft gebildet, um das Gasthaus Zum Bahnhof unterhalten zu können. Die 227 Mitglieder kauften das Gebäude, nachdem sie rund zwei Jahre lang um den Erhalt ihres Versammlungsortes gekämpft hatten.

Nicht nur die finanzielle Situation stellt die Gasthäuser vor Herausforderungen. Einige davon sind in Familienhand, die Hoffnung liegt in der nächsten Generation. Sie soll eines Tages das Geschäft übernehmen. In der Tat. „Viele der Kinder haben inzwischen andere Jobs und wollen diese jetzt nicht mehr aufgeben“, sagt Dehoga-Geschäftsführer Mitulla.

Wird im Sommer alles besser?

Tegtmeyer hat dieses Problem nicht. Sein Sohn ist bereits fest in die Arbeit des Landgasthofs eingebunden. Tegtmeyer ist optimistisch, dass die Gäste dank der angekündigten Lockerungen bald wieder an seinen Tischen sitzen werden. „Spätestens bei schönem Wetter kommen die Gäste wieder“, sagt Tegtmeyer. Bis dahin will er neue Sitzgelegenheiten für die Terrasse organisieren. Dann kehrt hoffentlich die altbekannte Geräuschkulisse in den Innenhof zurück – mit klirrenden Gläsern und lautem Gelächter.

Von Nina Hoffmann