Die akademische Freiheit nimmt ab

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In diesem Jahr veröffentlichen Forscher der Universitäten Erlangen-Nürnberg und der Universität Göteborg in Schweden eine aktualisierte Version des Academic Freedom Index. Der Index spiegelt den Grad des wissenschaftlichen Austauschs und der Forschungsfreiheit in 177 Ländern auf einer Skala von null bis eins wider. Das AFI stellt Daten zur Wissenschaftsfreiheit weltweit für den Zeitraum 1900 bis 2021 bereit. Damit soll die Unabhängigkeit der Forschung überwacht und auf Rückstände aufmerksam gemacht werden.

Genauer gesagt besteht der AFI aus fünf Indikatoren. Jeder Indikator erfasst eine andere Dimension der akademischen Freiheit: Forschungs- und Lehrfreiheit, Freiheit des akademischen Austauschs und der Wissenschaftskommunikation, institutionelle Autonomie, Campusintegrität sowie akademische und kulturelle Meinungsfreiheit. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten Berichte über den Stand der Wissenschaftsfreiheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den jeweiligen Ländern.

Der Indexrückgang setzt sich fort

Viele nord- und osteuropäische Länder liegen 2021 auf den vorderen Rängen des Academic Freedom Index, ebenso einige südamerikanische Länder wie Peru, Uruguay und Chile. An erster Stelle steht Deutschland, gefolgt von Italien und Lettland. Auf den letzten drei Plätzen sind Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea. Letzterer hat einen Index von nahezu null.

Tatsächlich ist in allen Regionen der Welt mit Ausnahme von Teilen Afrikas südlich der Sahara ein Rückgang der akademischen Freiheit zu beobachten. Siebenunddreißig Prozent der Weltbevölkerung leben dort, wo die akademische Freiheit abnimmt – fast zwei von fünf Menschen weltweit erleben Rückschritte. Damit setzt sich der um das Jahr 2008 begonnene Trend der abnehmenden akademischen Freiheit weltweit fort.

Mehr Verlierer als Gewinner

In 19 Ländern stellten die Forscher sogar einen deutlichen und signifikanten Rückgang von mindestens 0,1 Punkten fest. Beispielsweise verlor Hongkong zwischen 2011 und 2021 mehr als 0,56 Punkte auf der Skala der freien Wissenschaft. Aber auch in Brasilien, der Türkei, Thailand, Russland, Ungarn und Weißrussland ist die Wissenschaft in den letzten zehn Jahren viel weniger frei geworden.

Die Rückschläge betreffen jedoch nicht nur Länder, in denen es der Wissenschaftsfreiheit schon lange nicht mehr gut geht: Vor allem die USA und Großbritannien, die lange als Bollwerke der Wissenschaftsfreiheit und akademischen Exzellenz gelten, überraschen mit einer deutlichen Verschlechterung in der akademischen Freiheit.

Dagegen verzeichneten nur zwei Länder zwischen 2011 und 2021 eine signifikante Verbesserung der Wissenschaftsfreiheit. Darunter Gambia, das nach einem Regierungswechsel 2017 eine Verbesserung um 0,3 Punkte schaffte. Das zweite Land ist Usbekistan, das trotz erweiterter Wissenschaftsfreiheit immer noch auf den vorderen Rängen landet die unteren 20 Prozent.

Weniger freie Wissenschaft in Autokratien

Die Forscher erklären in ihrem Bericht: „Nach internationalen Menschenrechtsgesetzen sind Regierungen dafür verantwortlich, das Recht auf Wissenschaft zu wahren“. Sie sehen die Schwächung der Demokratie in vielen Ländern als einen der Hauptgründe für den Rückgang der akademischen Freiheit.

„Das Demokratieniveau, das der durchschnittliche Weltbürger im Jahr 2021 genießt, ist auf das Niveau von 1989 gesunken – und hat die demokratischen Fortschritte der letzten 30 Jahre zunichte gemacht“, heißt es im V-Dem Democracy Report 2022. Meinungsfreiheit und akademische Freiheit Obwohl dies keine identischen Konzepte sind, sind sie dennoch miteinander verbunden. Und da der AFI-Indikator „Freedom of Academic and Cultural Expression“ am stärksten gesunken ist, zeigt sich hier der Einfluss der Autokratien auf die akademische Freiheit besonders deutlich.