Den Flächenbedarf für Windenergie zu berechnen und zu vergleichen ist nicht einfach. Experten klären auf.
Der beliebteste Flächenvergleich der Medien ist der mit einem Fußballfeld, obwohl er eigentlich recht ungenau ist: Das laut Regelwerk größtmögliche Fußballfeld ist etwa einen Hektar groß, das kleinstmögliche nur etwa 0,4 Hektar. Der international übliche „Fußballplatz“ liegt mit 0,71 Hektar ziemlich genau dazwischen. Wollte man veranschaulichen, wie viel Platz die Windkraft in Deutschland künftig an Land haben soll, könnte man das so beschreiben: Der angestrebte Anteil von zwei Prozent der Landesfläche entspricht etwa einer Million Fußballfelder in Normalgröße. Aber wer kann sich wirklich eine Million Fußballfelder vorstellen?
Außerdem stellt sich die Frage: Wie viel Platz nimmt eigentlich eine Windkraftanlage ein? Rechnet man nur das Betonfundament, die Zufahrtswege und andere Dinge, die für Bau und Betrieb benötigt werden, zusammen, nimmt eine solche Anlage eine durchschnittliche Fläche von 0,4 Hektar ein, was dem kleinstmöglichen Fußballfeld entspricht.
„Aber diese Fläche ist nicht dauerhaft versiegelt“, betont Jürgen Quentin von der Agentur für Windenergie an Land (FA Wind). Bei einer Windkraftanlage betrifft die Abdichtung meist nur den Bereich des Turmfundaments. In der Regel sind es rund 500 Quadratmeter, also ein Quadrat mit einer Kantenlänge von gut 22 Metern.
Der größere Teil der 0,4 Hektar müsse weitestgehend bewuchsfrei bleiben, inklusive der für die Montage notwendigen Flächen für den Kran oder andere Baufahrzeuge, erklärt Quentin, aber diese Flächen würden nicht versiegelt, sondern geschottert. Beispielsweise könnte Regenwasser weiter versickern. Auch die Zufahrt zu einer Anlage oder einem Windpark ist in der Regel nicht asphaltiert.
Diese direkt am Boden liegende Fläche ist nur ein sehr kleiner Teil der zwei Prozent der Fläche in Deutschland, auf der Windkraft installiert werden soll, um damit rund 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugen zu können 2030 – eine zentrale Voraussetzung, um das deutsche Klimaziel erreichen zu können.
Während die abzudichtende Fläche noch relativ einfach abzumessen ist, sieht es beim „luftigen“ Teil der Windkraftanlage anders aus. Es ist gar nicht so einfach zu bestimmen, wie viel Platz eine Windkraftanlage oberirdisch benötigt, um effektiv Strom erzeugen zu können. Für die meisten heute geplanten Windparks gibt es in der Branche eine „Faustregel“, wonach der Mindestabstand zwischen den Windenergieanlagen in Hauptwindrichtung das Fünffache und in Seitenwindrichtung das Dreifache des Rotordurchmessers betragen sollte Rotordurchmesser.
Das sind rund 600 bis 750 Meter in der Haupt- und 360 bis 450 Meter in der Nebenwindrichtung. Bei einem Windpark mit fünf Anlagen ergeben die beiden unterschiedlichen Abstände – angeordnet wie die fünf Punkte auf einem Würfel – eine Gesamtfläche, die die Form einer Ellipse hat.
„Diese Abstände sind notwendig, damit sich die Systeme im Betrieb nicht durch Turbulenzen negativ beeinflussen“, erklärt Jürgen Quentin. „Wichtig ist auch, den Windparkeffekt, den sogenannten ‚Winddiebstahl‘, bei den Anlagen innerhalb eines Windparks so gering wie möglich zu halten.“
2019 hat die Fachagentur einen solchen „Muster-Windpark“ mit fünf Anlagen als Grundlage für Flächenschätzungen herangezogen. Auch weil fünf eine Zahl ist, die in der Praxis oft verwendet wird. Bis 2014 bestand rund die Hälfte der errichteten Windparks aus diesen fünf Turbinen.
Anschließend sortierten Quentin und sein Team die derzeit 28.200 bei der Bundesnetzagentur registrierten Windkraftanlagen im Land nach Rotorgrößenklassen, verpackten sie in fünf Modell-Windparks – und errechneten schließlich eine derzeit überdeckte Fläche von 1950 Quadratkilometern durch Windkraftanlagen in Deutschland. Rotoren sind betroffen. Das ist ein halbes Prozent der gesamten Landfläche.
Da die Turbinen in Windparks rechnerisch zusammengefasst sind, ist der Gesamtflächenbedarf übrigens geringer, als wenn die 28.200 Turbinen einzeln „herumstehen“ würden. Aus allen Modellrechnungen lässt sich ableiten, dass heutige Turbinen mit einem Rotordurchmesser von jeweils 130 Metern rund 17 Hektar Fläche zur Stromerzeugung beanspruchen. Bei den gerade auf dem Vormarsch befindlichen größeren Modellen der Vier- bis Sechs-Megawatt-Klasse erhöht sich durch die größeren Rotoren der Flächenbedarf auf 21 bis 23 Hektar pro Anlage – also auf etwa 15 Fußballfelder. Es ist schwierig, diesen Platzbedarf mit einem anderen zu vergleichen. Denn Felder unter Windrädern können beispielsweise weiter bestellt werden – etwa mit den in der Biomasse-Industrie so beliebten Energiepflanzen.
Diese Energieträger – vor allem Weizen, Mais und Raps – wachsen derzeit bundesweit auf rund 2,5 Millionen Hektar. Das sind rund 3,5 Millionen Fußballfelder – mehr als das Dreifache der Fläche, die in Zukunft jemals durch Windkraft genutzt werden wird. Allerdings gibt es keine vergleichbare Akzeptanzdebatte über die intensiv bewirtschafteten, artenarmen Monokulturen.
Noch ein Vergleich: Durch den Braunkohleabbau wird das Grundwasser bundesweit immer noch um rund 6000 Quadratkilometer abgesenkt, teilweise um mehrere hundert Meter. Die Fläche entspricht rund 850.000 Fußballfeldern. Auch gegen diesen massiven Eingriff in die Landschaft, der mit noch nicht vollständig bekannten „ewigen Belastungen“ verbunden ist, gab es nicht so viel Widerstand wie gegen den Ausbau der Windkraft.
Es gibt keine vergleichbare Debatte über Monokulturen