Geschichte – Jena – Universität Jena gibt Knochen aus Hawaii zurück: Erbe erforscht – Wissen

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Jena (dpa/th) – Im Zuge der Aufarbeitung des kolonialen Erbes in Thüringen wurden Knochen aus Hawaii an die Universität Jena zurückgegeben. Die Schädelknochen wurden dem Jenaer Evolutionsforscher Ernst Haeckel 1860 auf einer Italienreise geschenkt. Sichtlich gerührt nahm eine Delegation des US-Bundesstaates am Donnerstag ihre Vorfahren bei einer Feierstunde in der Universität entgegen. „Dies ist der wichtigste Schritt zur Heilung“, sagte Mana Kamoali’i Caceres von der Delegation des Office of Hawaiian Affairs. Aber es ist nicht der letzte Schritt.

Haeckel hatte die Gebeine von dem Arzt Edmund von Bartels auf einer Reise nach Messina auf Sizilien als Geschenk erhalten und nach Jena gebracht. Wie sie in den Besitz von Bartels gelangten, blieb unklar. Es bestehe jedoch kein Zweifel, dass sie während der Kolonialzeit von Europäern illegal aus Hawaii entführt worden seien, teilte die Universität mit.

Thüringens Kulturstaatssekretärin Tina Beer bat die Vertreter aus Hawaii um Verzeihung. Universitätspräsident Walter Rosenthal sagte: „Die Rückkehr der iwi kūpuna in ihre Heimat kann dieses historische Unrecht nicht ungeschehen machen, aber es kann ein erster Schritt sein, es zu heilen.“ iwi kūpuna bedeutet in der Sprache der indigenen Bevölkerung „Gebein der Vorfahren“.

Der Historiker Kim Siebenhüner von der Universität Jena sagte: „In Thüringen steht die Erforschung des kolonialen Erbes erst am Anfang.“ Entsprechende Koordinierungsstellen wurden kürzlich an den Universitäten Erfurt und Jena sowie beim Thüringer Museumsbund eingerichtet. An der Universität Jena wurde die Arbeitsgruppe „Koloniales Erbe und antirassistische Bildung“ gegründet. Beer betonte auch, dass die Erforschung der kolonialen Vergangenheit erst in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen habe. „Es ist viel zu tun.“ Das betrifft nicht nur die Metropolen.

Seit der Debatte um das Berliner Humboldt Forum und den Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten beobachten sowohl Siebenhüner als auch der Thüringer Museumsbund ein gesteigertes öffentliches Interesse an dem Thema. Das Kunst- und Ausstellungszentrum in Berlin mit Exponaten aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien war bereits vor seiner Eröffnung im September 2021 in die Kritik geraten. Dabei ging es unter anderem um die Benin-Bronzen, die als koloniale Raubkunst galten und es werden sollten dort ausgestellt.

Dies zeige beispielhaft, dass sich jedes Museum und jede Sammlung im Freistaat mit diesen Objekten kritisch auseinandersetzen und aufarbeiten müsse, sagte Siebenhüner. Gemeinsam mit der Erfurter Historikerin Christiane Kuller trieb sie den Aufbau der Hochschulkoordinierungsstelle voran.

In Thüringen gibt es noch immer keinen Überblick darüber, wie viele Objekte mit kolonialer Vergangenheit tatsächlich im Bestand schlummern. Hier wollen die Koordinierungsstellen ansetzen. Der Museumsbund wertet derzeit eine Befragung von rund zehn Prozent der Museen im Land aus. Die Ergebnisse sollen auf einer Konferenz Anfang April präsentiert werden. Dazu zählen neben Gegenständen oder menschlichen Überresten mit kolonialer Vergangenheit auch NS-Raubkunst oder Stücke aus der DDR-Zeit. Während zu Objekten aus der NS-Zeit bereits vermehrt geforscht wird, gibt es bislang kaum Fördermittel für die Erforschung kolonialer Herkunft.

„Wenn man das im Detail machen will, dann haben wir Jahrzehnte Arbeit vor uns“, sagte der Präsident des Thüringer Museumsbundes, Thomas T. Müller. Die meisten Museen in Thüringen haben weniger als fünf Mitarbeiter – für Provenienzforschung fehlt einfach die Zeit. Die Provenienzforschung untersucht die Herkunft von Kulturgütern.

Der Direktor der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha, Tobias Pfeifer-Helke, sagte: „Ich glaube, oder nein, ich glaube nicht, ich weiß, dass die Museen diese Debatten führen müssen. Dass es gut für die Museen ist. Das.“ sie sich dafür einsetzen, müssen sie auch fragen.“ Der Umgang mit Sammlungen und Beständen ändert sich von Generation zu Generation. Das sieht auch der Museumsbund so. Langfristig wäre es zum Beispiel wünschenswert, dass alle ausgestellten Objekte den Kontext, in dem sie ins Museum gekommen sind, eindeutig angeben können.

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