Gesundheit: Ministerialkompromiss für weitere Corona-Schutzmaßnahmen – innenpolitisch

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Gesundheit: Ministerialkompromiss für weitere Corona-Schutzmaßnahmen – innenpolitisch

Das sieht ein Entwurf einer neuen bundesweiten Rechtsgrundlage vor, auf den sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach beruft Diese sieht einen Entwurf einer neuen bundesweiten Rechtsgrundlage vor, auf den sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) geeinigt haben. Dies soll es den Bundesländern ermöglichen, weiterhin Krisenmaßnahmen vor Ort oder auf Landesebene zu verhängen. Die Bundesregierung begründete die Pläne angesichts steigender Infektionszahlen. Forderungen nach zusätzlichen Schutzmaßnahmen kamen aus den ersten Ländern, Patientenschützern, aber auch von den mitregierenden Grünen.

Lauterbach sagte am Mittwoch im ZDF: „Alles aufmachen, das ist natürlich nicht geplant.“ Es gehe um ein Instrument, „mit dem die Länder sofort auf neue Ausbrüche oder hohe Fallzahlen reagieren können“. Du kannst damit so arbeiten, dass du eventuelle Sommer- oder Herbstwellen in den Griff bekommst. Buschmann sprach von einem „sehr guten Kompromiss“. Mit Ausnahme von Einrichtungen für besonders gefährdete Gruppen kann das Leben so weit wie möglich wieder normalisiert werden. Für „Hotspots“ mit besonders gefährlichen Situationen sind klar definierte Zusatzmaßnahmen möglich.

Die Maskenpflicht soll mancherorts bestehen bleiben

Hintergrund ist, dass nach einem von Bund und Ländern zu Frühlingsbeginn am 20. März beschlossenen Lockerungsplan alle weitergehenden Beschränkungen aufgehoben werden, wenn es die Lage in den Kliniken zulässt. Gleichzeitig einigte man sich aber darauf, dass es weiterhin einen „Grundschutz“ geben solle. Dafür bedarf es einer Nachfolgeregelung, da die bisherige Grundlage für Maßnahmen im Infektionsschutzgesetz am 19. März endet.

Grundschutz: Einerseits geht es konkret um allgemeine Regeln, die Landesregierungen weiterhin vorschreiben können, etwa Maskenpflicht in Pflegeheimen, Kliniken und im öffentlichen Nahverkehr mit Bussen und Bahnen. Auch Pflichttests in Pflegeheimen und Schulen sollen möglich bleiben, wie aus dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Entwurf hervorgeht. Auch die Maskenpflicht in Fernverkehrszügen und Flugzeugen soll bundesweit verankert werden – dort gilt die Zugangsregel bisher nur für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G).

Die Hotspots: Verschärft sich eine Corona-Lage vor Ort, sollen strengere Auflagen verhängt werden können – sofern der Landtag es beschließt und das „konkrete Risiko einer sich dynamisch ausbreitenden Infektionslage“ feststellt. In einer „konkret zu benennenden Kommune“ sollen dann zusätzliche Maßnahmen erlassen werden können: Maskenpflicht, Abstandsgebot, Hygienekonzepte sowie Impf-, Genesungs- oder Testbescheinigungen – also Regeln wie 2G und 3G. Lauterbach könne dies für Landkreise, Städte, Regionen oder im Extremfall für ein ganzes Bundesland gelten.

Der Entwurf nennt zwei allgemeine Kriterien, was eine solche gefährliche Situation rechtfertigt: dass eine deutlich gefährlichere Virusvariante zirkuliert oder dass die Gefahr besteht, dass die Krankenhauskapazitäten in der Region durch viele Neuinfektionen überlastet werden. Ein „starrer Mechanismus“ mit bezifferten Grenzwerten sei nicht vorgesehen, sagte Lauterbach. Entscheidend ist das Gesamtbild, das die Länder beurteilen können.

Kritik auch von Regierungsparteien

Die Pläne fallen in eine angespanntere Pandemie-Situation. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) den siebten Tag in Folge auf 1.319 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche. Die Gesundheitsbehörden meldeten an einem Tag 215.854 neue Fälle, innerhalb von 24 Stunden wurden 314 weitere Todesfälle registriert. Die beiden Minister verteidigten dennoch die vorgeschlagenen Regeln. Buschmann äußerte die Erwartung, „dass wir mit diesem Instrumentarium die Situation gut beherrschen werden“. Lauterbach machte deutlich, dass die Situation genau beobachtet werde. Sollten die Fallzahlen und die klinische Belastung steigen, würden die geplanten Instrumente sofort greifen.

Der Grünen-Experte Janosch Dahmen sagte der dpa: „Wir können die Schutzmaßnahmen noch nicht säubern.“ Eine Maskenpflicht im Einzelhandel und anderen Innenbereichen gehört zu einem soliden Grundschutz. „Es wäre unter den gegebenen Umständen nicht konsequent, eine Maskenpflicht im Nahverkehr zu verhängen, nicht aber in dichtem Gedränge beim Einkaufen.“ Hier sind die Länderparlamente nun aufgefordert, durch Beschlüsse schnell für dauerhafte Sicherheit zu sorgen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der „Welt“ hingegen, die Menschen hätten Corona-Maßnahmen zwei Jahre lang unterstützt. Nun sei es „Aufgabe der Politik, die Normalität wiederherzustellen“.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte: „Es ist schwer nachvollziehbar, dass der Werkzeugkasten zur Eindämmung der Pandemie in einer solchen Phase begrenzt sein soll. Man wirft den Feuerlöscher nicht weg, wenn er noch brennt.“ Benötigt wird beispielsweise eine generelle Maskenpflicht für große Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte der dpa: „Die Bundesregierung muss ihren Gesetzentwurf dringend verbessern und den Ländern mehr Instrumente an die Hand geben, damit wir im Herbst nicht wieder mit offenen Augen in schwierige Situationen geraten. „

Montgomery: Ssinnvolle Maßnahmen wurden in Stücke geredet

Der Entwurf für die neue Corona-Rechtsgrundlage ist Experten zufolge unzureichend. „Es herrscht das Prinzip Hoffnung“, sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der vereinbarte Grundschutz ist besser als nichts. Aber: „Die Politik hat erfolgreich über weitere, sinnvolle Maßnahmen gesprochen.“

Der Entwurf einer Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP, der nun an das Kabinett übersandt wurde, soll zur weiteren Beratung in den Bundestag kommen. Das Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf der Koalition soziale Kälte vor: „Vor allem ältere Menschen sterben täglich zu Hunderten an Corona. Aber die Regierung will so weit wie möglich zum normalen Leben zurückkehren. Denn die Krankenhäuser sind nicht überlastet.“

Das Nachbarland Österreich setzt seine seit Anfang Februar geltende allgemeine Corona-Impfpflicht vorübergehend aus. Sie sei nicht verhältnismäßig zur aktuellen Omicron-Variante, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). In drei Monaten wird neu entschieden. Die Bundesregierung hält am Ziel einer generellen Impfpflicht fest. Die unterstützende Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei bekannt und habe sich nicht geändert, machte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner deutlich.

© dpa-infocom, dpa:220309-99-442405/12

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