Der Gesundheitspolitiker der Grünen, Janosch Dahmen, warnte nach Aufrufen zur Öffnung von Perspektiven vor einer zu schnellen Lockerung der Corona-Pandemie.
„Es gibt keinen Anlass, kurzfristig Öffnungsmaßnahmen zu ergreifen“, sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wir sind noch nicht über dem Hügel.“ Die Hospitalisierungsrate steigt nun wieder, es gibt keinen Grund zur Entwarnung. Sollte sich die Situation verschärfen, wäre es besser, über eine Ausweitung bestehender Schutzmaßnahmen wie 2G Plus-Regeln nachzudenken.
Trotz weiter steigender Corona-Infektionszahlen wurden zuletzt Rufe nach einem Konzept zur Aufhebung der Beschränkungen lauter. Entsprechende Äußerungen machten unter anderem führende FDP- und CSU-Politiker. Sie begründeten dies mit dem bisher weniger schweren Krankheitsverlauf in der Omicron-Welle.
Kliniken erwarten viele Patienten
CSU-Chef Markus Söder sagte am Sonntagabend im „Bericht aus Berlin“ der ARD: „In dieser Omikron-Mauer, die auf uns zukommt, müssen wir auch nach einer Tür suchen, durch die man in eine neue Zeit gehen kann. Also Vorsicht ja. aber auch mit Hoffnung.“ Aufgrund der rasanten Verbreitung der omicron-Variante bereiten sich Kliniken auf zahlreiche neue Patienten vor.
Bund und Länder hatten sich vor einer Woche darauf verständigt, Öffnungsperspektiven für den Moment zu entwickeln, in dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann. Die nächsten Konsultationen sind bisher für den 16. Februar geplant.
Das Impfziel der Bundesregierung für Ende Januar wird derweil wohl deutlich verfehlt. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Samstag hatten 75,7 Prozent der Menschen in Deutschland bis einschließlich Freitag mindestens eine Impfdosis erhalten. Ziel war es, bis Ende Januar 80 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal gegen Corona zu impfen.
Impfpflicht noch in Diskussion
Dahmen sagte: „Wir kommen in Deutschland eindeutig nicht schnell genug durch. Auch seitens der Länder und Kommunen sind intensivere Anstrengungen erforderlich, damit mehr bisher Ungeimpfte geimpft werden können. Vor diesem Hintergrund sprach sich Dahmen erneut für eine konsequente Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen und die zügige Vorbereitung einer allgemeinen Impfpflicht aus. Deren Einführung und Ausgestaltung wird derzeit kontrovers diskutiert.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kündigte im „Münchner Merkur“ (Montag) an, an einem „Impfvorsorgegesetz“ zu arbeiten. Eine Impfpflicht muss der Situation angepasst werden. Die Unionsfraktion werde dazu ein „differenziertes Gesetz“ vorlegen. „Das heißt: angepasst an das Risiko oder die Gefahr einer Infektionsentwicklung, verbunden mit den zu erwartenden Belastungen für das Gesundheitssystem, angepasst an Risikogruppen oder Altersgruppen und für einen sehr kurzen Zeitraum.“
Drei Ansätze zur Impfpflicht
Am Mittwoch diskutierte der Bundestag das gesellschaftlich brisante Thema in einer Orientierungsdebatte. Bisher gibt es im Wesentlichen drei Ansätze: Ein Entwurf für eine Impfpflicht ab 18 Jahren wird derzeit von Parlamentariern aus allen Ampelfraktionen vorbereitet. Eine Gruppe um den FDP-Bundestagsabgeordneten Andreas Ullmann hat kürzlich einen Vorstoß für einen „mittleren Weg“ konkretisiert: Mit einer obligatorischen fachlichen und persönlichen Beratung für alle erwachsenen Ungeimpften. Und wenn nach einer gewissen Zeit die notwendige Impfquote nicht erreicht wird, ist der Impfnachweis ab dem 50. Lebensjahr zwingend erforderlich. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will die Impfpflicht generell verhindern.
Tausende Menschen haben am Wochenende erneut gegen die Einführung der Impfpflicht und gegen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie demonstriert. Eine Veranstaltung am Sonntag in Nürnberg löste in den sozialen Medien scharfe Kritik aus. Sie fand auf dem Volksfestplatz in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes statt. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bayerns Ressortleiter Joachim Herrmann, warnte vor „gewaltbereiten extremistischen Brandstiftern, die die Proteste nutzen wollen, um ihr radikales Gedankengut und ihre antidemokratische Haltung zu verbreiten“. Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er weiter: „Auch wenn ich es für bedenklich halte, am Jahrestag der Machtergreifung Hitlers zu Demonstrationen aufzurufen, habe ich eine klare Botschaft: Unser Geheimdienst hat einen besonderen Fokus auf Rechtsextreme und Reichsbürger sowie eine Sondersammlung – Beobachtungsobjekt „Sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen“ eingerichtet.“
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