Viel Lob haben die Ampelparteien für ihre bildungspolitischen Pläne erhalten. Tatsächlich lesen sich Teile des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP wie die Wunschlisten von Bildungsforschern, Pädagogen und Digitalisierungsexperten.
Das „Kooperationsverbot“ in eine „Kooperationspflicht“ umwandeln? Überprüfen. Massive Investitionen in tausende Schulen mit besonders vielen benachteiligten Kindern und Jugendlichen? Überprüfen. Ein besserer Digitalpakt 1.0 – und gleich danach ein Digitalpakt 2.0? Überprüfen.
Auch die Hochschulen wurden besonders berücksichtigt. Zukünftig erhalten Sie wie Max Planck & Co jedes Jahr eine automatische Budgeterhöhung im Zukunftsvertrag. Außerdem soll es mehr Exzellenzcluster, einen neuen Transferförderer, ein „Digitales Hochschulprogramm des Bundes“, eine grundlegende Reform des Studienkredits und vieles mehr geben.
Der selbst erzeugte Druck könnte hilfreich sein
Beeindruckend. Und riskant. Denn wer viel verspricht, muss auch viel halten. Und das in Zeiten Corona-bedingt knapper Kassen. Fast noch schlimmer, als keine Visionen zu haben, wäre es, Visionen zu verkünden und sie dann eine nach der anderen nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Das kennt man natürlich auch im Bundesbildungsministerium von Bettina Stark-Watzinger (FDP). Deshalb wird der selbsterzeugte Leistungsdruck dafür sorgen, dass sie, wenn nicht für alle, so doch für viele Ankündigungen liefern werden.
Es ist wirklich problematisch und zu befürchten, dass bei einer so langen (und teuren) Liste von Projekten kaum noch Zeit, Energie und Ressourcen für die Lücken bleiben, die der Ampel-Koalitionsvertrag hinterlassen hat. Besonders eine davon ist so auffällig, dass sie kein schlichtes Vergessen sein kann, sondern das bewusste Ausweichen vor einer dramatischen hochschulpolitischen Misere: Sie bröckelt, zieht und verschimmelt in Hörsälen, Seminarräumen und Universität Bibliotheken in ganz Deutschland.
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An diesem Montag legt der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen „Probleme und Perspektiven des Hochschulbaus 2030“ vor und wird in seiner Problembeschreibung voraussichtlich die Zahl toppen, die das HIS-Institut für Hochschulentwicklung für die Kultusministerkonferenz 2018 errechnet hat Die HIS-HE warnte damals davor, dass der Sanierungsstau an den Universitäten bis 2025 auf bis zu 35 Milliarden Euro steigen werde.
Weniger Hörsäle, mehr Raum für Begegnungen
Kaum jemand bestreitet, dass zumindest die ärmeren Bundesländer es alleine nicht schaffen, schon gar nicht zusätzlich zum noch teureren Schulbau. Klar ist aber auch: Wenn der Bund den Ländern an dieser Stelle nur den kleinen Finger zeigt, kommt er aus dieser Milliardenzahl nicht heraus. Deshalb weisen die Finanzpolitiker des Bundes lieber (zu Recht!) darauf hin, dass es die Länder waren, die das Ende der einstigen „Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau“ herbeigeführt hatten. Im Rahmen der Föderalismusreform 2006.
Und doch klafft im Koalitionsvertrag eine Lücke, die viele hochschulpolitische Zukunftsversprechen der Ampel in Frage stellt. Die universitäre Lehre muss nach der Pandemie im Mittelpunkt stehen und verlangt im Zeitalter der Digitalisierung nach neuen Präsenzformaten und neuen, zeitgemäßen Orten des Austauschs und Lernens: weniger Hörsäle, mehr Begegnungs- und Rückzugsbereiche. Die Transformation der Hochschulen hin zu mehr Nachhaltigkeit wird von vornherein scheitern, solange es von oben regnet und die Hitze durch Ritzen entweicht.
Was die Ampel auf ihre Wunschliste hätte setzen sollen, sich aber bewusst dagegen entschieden hat: ein Investitionsprogramm für den klimafreundlichen und didaktisch verträglichen Umbau und Ausbau der Hochschulen. Ein Programm von vielleicht 750 Millionen Euro jährlich, das den Landesfinanzministern mit Bundesbeteiligung winkt, wenn sie die gleiche Summe auch für den Hochschulbau zur Verfügung stellen.
SPD, Grüne und FDP können diese Lücke noch füllen. Insgesamt 1,5 Milliarden mehr pro Jahr für den Hochschulbau würden den Sanierungsstau nicht lösen, aber zumindest nicht vergrößern. Und nein, die Bundesregierung käme nicht aus der Nummer heraus. Er müsste das Geld dauerhaft bezahlen. Aber das Signal der Ampel wäre klar: Sie will es unbedingt, den Aufbruch der Hochschulen. Sie unterstützt ihn sogar.