Der US-Forscher Robert Gallo war an der Entdeckung des Aids-Virus beteiligt, fand Leukämie-Erreger und andere tödliche Viren. Jetzt ist er 85 – und arbeitet noch härter als zuvor.
New York – Robert Gallo erforscht seit mehr als einem halben Jahrhundert Viren. Der US-Wissenschaftler und Mitentdecker des Aids-Erregers HIV wird am Mittwoch (23. März) 85 Jahre alt – doch nicht nur die Corona-Pandemie macht Gallo den Ruhestand zumindest vorerst unmöglich.
Gallo arbeitet unter anderem unermüdlich als Professor und Direktor des von ihm gegründeten Institute for Human Virology an der University of Maryland in Baltimore und des von ihm mitgegründeten Global Virus Network.
Er komme nach seiner Mutter, die auch bis ins hohe Alter voller Tatendrang gewesen sei, sagte der Wissenschaftler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Während der Pandemie hat er in den vergangenen zwei Jahren noch mehr gearbeitet – aber meistens von zu Hause aus und über Zoom. Noch arbeitet Gallo wissenschaftlich an der weiteren Erforschung von HIV, die Corona-Pandemie stellt ihn und sein Team vor ganz neue Herausforderungen. Mit dem Global Virus Network will Gallo einen Beitrag zur Überwindung dieser und möglicher weiterer Pandemien leisten.
Wurzeln in Italien
Der Wissenschaftler stammt aus einer Familie italienischer Einwanderer. Der Vater betrieb im US-Bundesstaat Connecticut eine kleine Schweißerei. Gallos Schwester Judy starb früh an Leukämie, ein prägendes Erlebnis. „Es war eine sehr schwierige Zeit in meinem Leben“, sagt Gallo. Vor allem sein Vater litt sehr unter dem Tod seiner Schwester. „Wir konnten nicht mehr lachen, wir konnten nicht mehr scherzen, wir konnten Weihnachten nicht feiern, wir konnten keine Geburtstage feiern. Nichts. Also ging ich auf bizarre Weise durch meine Teenagerjahre, bis ich aufs College kam.“
Der Tod seiner Schwester sei der „Schock seines Lebens“ gewesen, sagt Gallo – durch die Besuche im Krankenhaus habe er aber auch erste kleine Einblicke in die medizinische Forschung bekommen. „Ich habe mich ursprünglich nicht für Wissenschaft interessiert. Ich werde nicht lügen und sagen, dass ich ein Kind war, das sehr neugierig war und unter jeden Stein geschaut hat.“ Er interessierte sich nur für zwei Dinge: Basketball und Mädchen. Dann stellte ihn sein Vater dem Arzt seiner verstorbenen Schwester vor, bei dem Gallo schließlich ein Sommerpraktikum machen durfte. „Auch wenn ich es mir zunächst nicht eingestehen wollte, war mir dann klar, dass ich über Leukämie forschen möchte.“
Keine einfachen Zeiten
Bereits als Student veröffentlichte Gallo seine erste wissenschaftliche Arbeit. Heute ist er Co-Autor von rund 1300 Publikationen. Gallo sagt rückblickend, dass er sich mehrfach komplett überarbeitet habe. Der Anfang war nicht einfach – nicht einmal für seine Frau Mary Jane Hayes, die er 1961 heiratete, und die beiden gemeinsamen Kinder.
Über verschiedene Universitäten kam Gallo in den 1960er Jahren an die National Institutes of Health in Maryland und wechselte in den 1990er Jahren an die University of Maryland. Anfang der 1980er Jahre entdeckten er und sein Team die ersten menschlichen Retroviren – darunter HTLV-I, das Leukämie verursachen kann. Für diese Entdeckung „humaner exogener Retroviren“ erhielt Gallo 1999 einen der wichtigsten deutschen Medizinpreise, den Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstaedter-Preis.
Später fand Gallo auch den damals als HTLV-III bekannten AIDS-Erreger. Diese Entdeckung war jedoch äußerst umstritten – und löste eine der größten öffentlichen Debatten in der Geschichte der Wissenschaft aus. Auch der im Februar im Alter von 89 Jahren verstorbene französische Forscher Luc Montagnier versuchte in den 1980er Jahren, den Aids-Erreger zu isolieren. Gallo und Montagnier arbeiteten eng zusammen. Dann gab das US-Gesundheitsministerium bekannt, dass Gallo das AIDS-Virus entdeckt und sogar einen Bluttest für Patienten entwickelt hatte. Gallo wurde gefeiert – bis sich herausstellte, dass Montagnier tatsächlich schon früher dort gewesen war.
Gallo bekommt nichts vom Nobelpreis
Erst 1994 einigten sich die beiden Forscher auf eine Art Wissenschaftsfrieden, der ihnen unter anderem gleiche Einnahmen aus dem Patent für den Aids-Test zusprach. Die Zeit war „vollkommener Stress“, erinnert sich Gallo.
Nur Montagnier erhielt 2008 zusammen mit seiner französischen Kollegin Francoise Barré-Sinoussi den Nobelpreis. Gallo wurde ausgelassen. Gallo sagte, er sei „überrascht und verletzt“ von der Entscheidung. „Aber ich bin kein Richter, ich vergebe kein Geld und gratuliere den Gewinnern.“
Gallo hat zahlreiche weitere Auszeichnungen erhalten, darunter zweimal den renommierten Lasker-Preis und Israels mit 1 Million US-Dollar dotierten Dan-David-Preis. Der Wissenschaftler ist außerdem Ehrendoktor an fast 30 Universitäten. „Ich habe einfach großes Glück“, sagt Gallo. „Ich hatte in jedem Aspekt des Lebens Glück.“
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