München: Tränengeständnis im Prozess der Verkokung von Polizisten – Unterhaltung

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München: Tränengeständnis im Prozess der Verkokung von Polizisten – Unterhaltung

Er habe „Scheiße gemacht“, sagt der 28-Jährige in seinem einstündigen Geständnis, das immer wieder von lautem Schluchzen unterbrochen wurde. „Wir haben zusammen gefeiert, wir haben zusammen Drogen genommen.“ Er wolle „offen und ehrlich“ sein.

Der Angeklagte beschreibt eine große berufliche und private „Doppelbelastung“, weil er regelmäßig von München zu seiner Familie nach Thüringen pendeln musste. Und für diese Belastung brauchte er „ein Ventil“: „Irgendwann habe ich einfach körperlich gemerkt, dass es mir einfach zusetzt.“ Seinen Drogenkonsum im Münchner Nachtleben nennt er eine „Parallelwelt“. Eine „Möglichkeit auszubrechen“, sagt er. „Es war eine Kombination aus großer Schwäche und meinem irgendwie jungen Alter.“ 2016 habe er zum ersten Mal Kokain konsumiert. „Etwas zum Teufel hat mich dazu gebracht, ja zu sagen.“

Drogen an Kollegen weitergegeben

Ja, laut Anklage hat er danach sehr oft gesagt: Er soll in den Jahren 2016 und 2017 mindestens 69 Mal Kokain gekauft haben. Doch damit nicht genug: Er gibt zu, die Drogen sogar an Polizeikollegen weitergegeben zu haben wenn er bestreitet, damit Geld verdient zu haben. Er besorgte die Medikamente für andere – verlangte aber nie mehr Geld, als er selbst dafür bezahlte. Er weiß nicht mehr, warum er immer die Medikamente für alle besorgt hat. Vielleicht aus einem gewissen Prahlerei-Drang heraus: „Jetzt bin ich der Coole hier.“

Insgesamt sind 79 Straftaten angeklagt, einer der Vorwürfe wiegt besonders schwer: Verrat von Dienstgeheimnissen. Anfang 2017 war er für ein Interview im Kommissariat 83 – der Drogenfahndung. Er selbst spricht von „Kühnheit“. „Da fallen Ihnen ein paar Kommentare dazu ein“, sagt der Richter trocken. Als er dort an der Wand ein Bild seines Händlers entdeckte, soll er ihn vor den Ermittlungen gewarnt haben.

Polizeipräsidium München erschüttert

Dies bestreitet der ansonsten weitgehend bekennende 28-Jährige jedoch. Sein Drogenkonsum und sein Job als Polizist seien sich nie in die Quere gekommen, behauptet er. Auch von Polizeirabatten auf Kokain, von denen sein ehemaliger Dealer, der als Kronzeuge das Verfahren gegen die Polizei eingeleitet hatte, mehrfach sprach, weiß er nichts. „Solche Sonderrabatte gab es nicht“, sagt er. „Ich habe das Geld bezahlt, das er für mein Kokain wollte.“

Allerdings sprach er mit einem damals ebenfalls koksenden Kollegen über die Ermittlungen gegen den Dealer und sagte ihm, „dass wir die Finger davon lassen sollten“. Er selbst gibt an, dies bereits vor seiner Festnahme durch seine Kollegen im Jahr 2018 in die Tat umgesetzt zu haben.

Der Drogenskandal hatte bei Bekanntwerden im Jahr 2020 das Polizeipräsidium München erschüttert. Die Staatsanwaltschaft führte 39 Ermittlungsverfahren gegen 37 Polizisten und erhob sechs Anklagen. Laut Sprecherin Anne Leiding wurden 15 Verfahren eingestellt und laut Sprecherin Anne Leiding in zwölf Fällen ein Strafbefehl beantragt – auch wenn es um sehr hohe Geldsummen ging.

„Gerade in Corona-Zeiten wurden wir ermutigt, Strafbefehle so weit wie möglich einzusetzen, um die Gerichte zu entlasten“, sagte Leiding. „Darüber hinaus wollte man mit der Vermeidung öffentlicher Hauptverhandlungen auch bewusst das Ansehen der Polizei schützen.“

Fortsetzung nächste Woche

In einem ersten Urteil wurde ein Polizist im Oktober 2021 verwarnt und zu einer Geldstrafe von 2.250 Euro bedingt verurteilt, weil das Landgericht München den Kauf von Dopingmitteln für erwiesen hielt. Anfang November wurde ein weiterer Angeklagter freigesprochen, wie eine Sprecherin des Landgerichts mitteilte. In dem Fall kam es zur Hauptverhandlung, weil der Polizist Widerspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt hatte.

Die juristische Aufarbeitung des Skandals wird in der kommenden Woche fortgesetzt. Am Dienstag beginnt ein neuer Prozess gegen einen weiteren im Drogenskandal angeklagten Polizisten. Das Urteil im Verfahren gegen den 28-Jährigen könnte am 16. Februar fallen.

Der Gerichtssaal, in dem sein Prozess stattfindet, sei ihm nicht fremd, sagt der junge Mann gleich zu Beginn seines langen Statements. Dort habe er „auf amtlicher Basis selbst einen riesigen Kriminalfall begleitet“. „Es macht mir nur bewusst, welchen Scheiß ich gebaut habe.“

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