München/Kempten (dpa/tmn) – Beim Essen geht es den meisten Menschen nicht nur um die Nahrungsaufnahme. Essen ist auch Spaß, Genuss, Lebensfreude. Zum Beispiel, wenn Sie das Stück Sahnetorte, den saftigen Schweinebraten oder die Tüte Pommes genießen.
Es gibt jedoch Menschen, die diese fettigen und süßen Leckereien grundsätzlich ablehnen. Ihre Ernährung besteht ausschließlich aus Lebensmitteln, die als gesund gelten. Dieses Essverhalten wird als Orthorexie bezeichnet.
Das Wort „Orthorexie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „der richtige Appetit“. Diejenigen, die Orthorektiker sind, sind fast besessen davon, nur Vollwertkost und Bio-Produkte zu essen.
Zucker- oder fettreiche Lebensmittel oder Lebensmittel mit künstlichen Zusatzstoffen sind tabu. „Das Essverhalten der Orthopädie ist zwanghaft, geregelt und geplant“, sagt Elke Binder, Ernährungsberaterin in Kempten.
Dem liegt nicht unbedingt der Wunsch zugrunde, das Körpergewicht zu halten oder gar abzunehmen. Wer sich kompromisslos gesund ernährt, hofft meist, Zivilisationskrankheiten vorzubeugen.
Am häufigsten sind junge Frauen betroffen
„Frauen sind deutlich anfälliger für Orthorexie als Männer“, sagt Prof. Johannes Georg Wechsler, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Ernährungswissenschaftler (BDEM).
Ihm zufolge sind eher jüngere Frauen betroffen. Das könnte mit dem Schönheitsideal zusammenhängen, das über soziale Medien und Werbung verbreitet wird. Folgt man diesen Bildern, müssen Frauen (Weiden-)schlank und topfit sein.
„Aber das Essverhalten junger Männer, die sehr sportlich aktiv sind, hat manchmal auch orthorektische Züge“, erklärt Elke Binder. Den Betroffenen fehlt oft das Vertrauen in ihren Körper. Auch Leistungsdruck und starke Selbstbeherrschung können eine Orthorexie begünstigen.
Orthorexie entwickelt sich schleichend
Die Entwicklung zum Orthopädietechniker verläuft meist schleichend. „Oft fängt es damit an, dass die Betroffenen streng geregelte Speisepläne erstellen und diese bei der Umsetzung formell von einer App überwachen lassen“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Binder.
Betroffene erreichen auf diese Weise eine extreme Selbstbeherrschung beim Essen: Alles dreht sich um gesunde Ernährung. Sie zwingen sich oft dazu, nach einer gewissen Zeit nichts mehr zu essen.
Was wäre, wenn Sie ein halbes Stück Kuchen essen würden – und Ihre eigenen Regeln brechen würden? In einem solchen Fall fühlen sich die Betroffenen oft schuldig und glauben fälschlicherweise, dass sie ihrem Körper Schaden zugefügt haben.
Die Folgen sind vielfältig
Orthorexie kann unterschiedliche Folgen haben. Auch wenn sich Betroffene überwiegend gesund ernähren, kann ihre Ernährung einseitig werden. Gewichtsverlust begleitet oft Orthorexie. Schließlich kann es passieren, dass die Lebensfreude getrübt wird. Denn: Die starren Regeln erlauben es nicht, sich selbst etwas zu gönnen.
Orthorexie wirkt sich oft auch auf die Umwelt aus: Betroffene sind von ihren strengen Richtlinien so überzeugt, dass sie anderen Menschen, die sich „ungesund“ ernähren, ein schlechtes Gewissen machen. Und: Orthoretics wird Einladungen von Freunden zum Pizzaessen oder zum Fondue-Abend wahrscheinlich ausschlagen. Das verkraftet nicht jede Freundschaft.
Allerdings wird Orthorexie derzeit nicht als Krankheit anerkannt. „Experten diskutieren, ob Orthorexie überhaupt einen Krankheitswert hat“, sagt Ernährungswissenschaftler Wechsler. Von einer Ess- oder Suchtstörung kann aus seiner Sicht keine Rede sein. Laut Wechsler könnte eine Orthorexie in abgeschwächter Form am ehesten als „Marotte“ des Betroffenen gesehen werden.
Wenn Sie leiden, ist eine Therapie sinnvoll
In solchen Fällen kann Hilfe von einer Person kommen, die dem Thema Essen gelassener gegenübersteht. „Es kann Ihr Partner oder ein guter Hausarzt sein, der versucht, Sie von den starren Regeln abzubringen“, sagt Wechsler.
Anders sieht es aus, wenn eine Orthopädie unter dem eigenen Essverhalten leidet oder es zu einem echten Zwang wird. Dann kann laut Wechsler eine Psychotherapie sinnvoll sein, die den Ursachen der Essgewohnheiten auf den Grund geht und hilft, diese zu überwinden. Orthorexie kann auf psychischen Konflikten oder Ängsten beruhen.
Anlaufstellen sind dann Psychologen oder Psychotherapeuten, die sich auf Zwangshandlungen spezialisiert haben. „Je früher man sich bei einer schweren Orthorexie helfen lässt, desto besser ist es für den Körper der Betroffenen“, sagt Elke Binder.
Auch die Erziehung ist wichtig
Aus Sicht der Kemptener Ernährungsberaterin kann man definitiv etwas gegen Orthorexie tun. „Das Wichtigste ist, dass Eltern ihren Kindern auch in Sachen Ernährung ein Vorbild sind“, betont Elke Binder.
Gleichzeitig sollten Mütter und Väter ihren Nachwuchs ermutigen, Schönheitsideale, die sie in sozialen Medien und in der Werbung beobachten, nicht gedankenlos nachzuahmen.
„Natürlich ist es wichtig, sich gesund und ausgewogen zu ernähren – aber gleichzeitig auch Spaß und Freude am Essen zu haben“, sagt Binder. Und es ist nichts falsch daran, sich etwas zu gönnen. Schließlich bringt es Spaß, Genuss und Lebensfreude.
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