Olympia hat seine eigenen Gesetze, und Olympia hat Wendl/Arlt, im Rodeljargon besser bekannt als „die Tobis“. So gut die anderen Zweisitzer auch sein mögen, die Probleme mit Tobias Wendl und Tobias Arlt, wie sie mit bürgerlichem Namen heißen, sind noch so groß: Sie sind pünktlich zu Olympia da und fahren allen davon. „Man muss einfach wissen, wann es wirklich darauf ankommt“, sagt Arlt. Es soll Spaß machen, aber natürlich geht es auch gleich zur Sache. Eigentlich müsste man sie Team Olympia nennen.
Nach Sotschi 2014 und Pyeongchang 2018, nun Peking 2022 – perfektionierte das Duo vom Königssee mit seinem dritten Olympiasieg nicht nur einen besonderen Rodel-Hattrick, die beiden 34-Jährigen zogen auch mit Trainingspartnerin Natalie Geisenberger gleich, die ihren fünften gewann Olympiasieg am Vortag unter Tränen bejubelt. Und bereits am Donnerstag hat das Trio in der Mannschaftsstaffel die Chance auf den sechsten gemeinsamen Olympiasieg.
„Wir haben keine Statistik im Kopf, und wir rodeln nicht wegen der Statistik, sondern weil es uns Spaß macht“, sagt Arlt, und das will er ausdrücklich auch für diese neue Strecke in Yanqing – trotz der Komplikationen währenddessen die Trainingswochen im November letzten Jahres. Arlt musste damals in Quarantäne und machte dann unmenschliche Zustände öffentlich, auch sein Test war falsch positiv.
Wendl schüttelt ungläubig den Kopf. „Das hätte ich nie gedacht! Die Quarantäne, die fehlenden Trainingsläufe, dann die schlechte WM hier. Aber wir haben nie aufgegeben und immer an uns geglaubt“, sagt er.
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Gemeinsam mit Deutschlands Rekord-Olympiasieger Geisenberger bilden die Rekord-Olympiasieger – exklusiv bei den Männern – seit Jahren die weit über die bayerischen Grenzen hinaus bekannte Sonnenschein-Trainingsgruppe, zu der seit kurzem auch Felix Loch gehört Schwäche bei Olympia. Und es gibt noch mehr Parallelen: Wendl/Arlt haben wie Geisenberger eine tiefe Abneigung gegen die Winterspiele in Peking. Als sie IOC-Präsident Thomas Bach nach dem Sieg gratulieren will, sei das „ein bisschen seltsam“, sagt Wendl. Und das bayerische Duo hat mit Toni Eggert/Sascha Benecken extrem starke interne Konkurrenz.
Das ist auch diesmal klar. Das Thüringer Doppel stellt im ersten Lauf einen Streckenrekord auf, dem Wendl/Arlt wenig später mit einem Startrekord entgegensetzen, sind auch schneller auf der Strecke und liegen mit winzigen 0,045 Sekunden in Führung. Mehr Spannung geht kaum. Geht doch. Weil Eggert/Benecken einen starken zweiten Lauf zeigen, ist nur Wendl/Arlt wieder etwas schneller. Am Ende trennen die beiden deutschen Teams nur 0,099 Sekunden.
Fest steht auch: Eggert/Benecken sind spätestens seit Mittwochabend Ortszeit das komplette Gegenteil der Langzeit-Olympiasieger. Die Thüringer sind während der Saison die bessere Mannschaft, weil sie konstanter sind. Kurz vor der Abreise nach Peking feierten sie ihren sechsten Erfolg im Gesamtweltcup und sind nun auch Sieger der großen Meisterschaften in nicht-olympischen Jahren. Aber das geht bei Olympia nie, auch diesmal nicht.
Eggert/Benecken sind das genaue Gegenteil von Wendl/Arlt
Nach Bronze vor vier Jahren, als Eggert/Benecken die großen Favoriten waren, ist es diesmal Silber – aber keine Enttäuschung. „Darauf können wir sehr stolz sein, zwei Olympiamedaillen sind keine Selbstverständlichkeit“, sagt Eggert. Und Benecken ergänzt: „Jeder hat den großen Traum, aber viele schaffen ihn nicht.“ Und weil es mit dem Schlitten nicht geklappt hat, wollen beide jetzt im Sommer den Olymp besteigen – zu Fuß in Griechenland.
Anders als bei den Herren- und Damenwettkämpfen bei Olympia und Weltmeisterschaften fällt die Entscheidung im Doppelsitzer immer in zwei statt in vier Läufen. Das ist in der Disziplin genauso selbstverständlich wie die Tatsache, dass der Größere und Schwerere oben steht und zuerst genannt wird. Und dass die Olympiasieger Wendl/Arlt heißen. Ob die beiden 34-Jährigen in vier Jahren noch im italienischen Cortina d’Ampezzo an den Start gehen, lassen sie offen. Geisenberger übrigens auch.
Für Rodel-Germany könnte die Bilanz vor der abschließenden Teamstaffel kaum besser sein. Und diesmal gab es aufgrund der Pandemie nicht einmal eine Medaillenpflicht.