Rücktritt des Berliner Grünen-Fraktionschefs Kapek: Psychische Gesundheit in der Pandemie beleuchtet – Berlin

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Rücktritt des Berliner Grünen-Fraktionschefs Kapek: Psychische Gesundheit in der Pandemie beleuchtet – Berlin

Antje Kapek ist am Dienstag, nur einen Monat nach ihrer Wiederwahl als Vorsitzende der Grünen, von ihrem Amt zurückgetreten. Nach dem Abgang von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop ist es ein weiterer herber politischer Verlust für die Partei.

Kapek war seit 2012 Co-Vorsitzende der Fraktion und galt als durchsetzungsstark, selten um einen schmissigen Kommentar gegen die politische Gegnerin verlegen – auch wenn sie manchmal über das Ziel hinausschoss. Sie kämpfte für ihre Ziele, vor allem in der Verkehrspolitik und Stadtentwicklung. Gleichzeitig wusste sie meist, wann sich ein politischer Kampf lohnt und wann ein Streit besser im Stillen beigelegt wird.

Manchen Grünen galt die Parteilinke oft als zu streitsüchtig. Nicht zuletzt galt ihre Kreuzberger Schnauze vielen als Ausschlusskriterium, um Regierende Bürgermeisterin zu werden. Ein Ziel, das ihr inzwischen zugesagt wurde.

Neuer starker Mann auf dem linken Flügel – und ein möglicher Nachfolger – ist nun Ex-Parteichef Werner Graf. Er muss noch beweisen, dass er Kapeks Anwesenheit ersetzen kann.

Noch überraschender als die Plötzlichkeit ihres Abgangs sind die persönlichen Worte, mit denen die 45-Jährige ihren Abgang begründete: „Der Wahlkampf, die Koalitionsverhandlungen und die politischen und privaten Auswirkungen der Corona-Pandemie haben seelische und körperliche Spuren hinterlassen mich. Ich kann das nicht länger ignorieren.“

Politik ist ein hartes Geschäft. In der Wut über politische Entscheidungen wird oft vergessen, welcher Druck seit Beginn der Pandemie auf Spitzenpolitikern lastet. Über die psychische Gesundheit derjenigen, die seit zwei Jahren Entscheidungen im Rekordtempo treffen, wird selten gesprochen. Mit ihrer Aussage könnte Kapek einen Anfang für einen ehrlicheren Umgang damit machen.

Wer wird unter diesen Bedingungen heute noch Politiker?

Politiker genießen sicherlich auch in der Pandemie Privilegien. Ihr Geld wurde uneingeschränkt weitergezahlt, und es war kaum zu befürchten, Ihren Job zu verlieren. Dennoch lohnt sich eine Debatte über die psychische Belastung und die Anforderungen an Spitzenpolitiker.

Wer kann von überarbeiteten oder erschöpften Menschen die bestmöglichen Entscheidungen erwarten? Wie viel Sinn machen Nachtsessions bis in den frühen Morgen? Letztlich geht es um die Frage: Kann ein politischer Deal, den viele nur für eine gewisse Zeit für erträglich halten, gute politische Entscheidungen ans Licht bringen? Und: Wer wird denn heutzutage noch Politiker?

Die psychosozialen Folgen der Pandemie drohen zu verschwinden

Auf jeden Fall lohnt sich in dieser Zeit jede Debatte über psychische Gesundheit. Während der Corona-Pandemie ist die Zahl der Anfragen nach psychotherapeutischer Behandlung in Deutschland um 40 Prozent gestiegen. Die einen belastet der Stress, neben der Arbeit auch die Kinder betreuen zu müssen und zu viel Zeit auf zu engem Raum gemeinsam zu verbringen.

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Andere haben die Lockdown-Phasen und den Wegfall vieler Freizeitaktivitäten einsam werden lassen. Es sind Mehrfachbelastungen, die gerade Familien zur Erschöpfung führen.

Bis heute drohen diese psychosozialen Folgen der Pandemie neben Berichten über Infektionszahlen und Eröffnungsdebatten unterzugehen. Umso bedeutsamer ist es, dass eine Spitzenpolitikerin wie Antje Kapek dies mit ihrem persönlichen Engagement öffentlich thematisiert.