Hamburg (dpa) – Im Beisein des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow feierte seine Inszenierung „Der schwarze Mönch“ am Samstagabend im Hamburger Thalia Theater Premiere.
Das Publikum reagierte auf das knapp dreistündige Bühnenprojekt nach einer Erzählung von Anton Tschechow aus dem Jahr 1894 mit minutenlangem Stehapplaus und vielen Bravos. Damit begannen auch die Lessingtage (bis 6. Februar).
Nach dieser Premiere muss der Theater-, Opern- und Filmregisseur Serebrennikov (52) sofort nach Hause zurückkehren. Er wurde 2017 festgenommen und unter Hausarrest gestellt. In einem Prozess wegen angeblicher Veruntreuung von Geldern wurde er 2020 zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe mit Ausreisesperre verurteilt. Er inszeniert aus seiner Wohnung per Video und Zoom. Überraschenderweise durfte er jedoch Anfang Januar ausfliegen, um die Tschechow-Proben in Hamburg persönlich fortzusetzen.
Ein großes Ensemble russischer, deutscher, lettischer, amerikanischer und armenischer Künstler beschäftigt sich nun intensiv und wirkungsvoll mit Fragen von Normalität und Wahnsinn, sozialer Anpassung und freier Selbstverwirklichung. Und überlässt die Antwort jedem einzelnen Betrachter.
Stimmungsvoller Stilmix
Zu den Thalia-Stars der Aufführung, deren Proben in Moskau begannen, gehören Mirco Kreibich als Intellektueller auf Identitätssuche und Gabriela Maria Schmeide („Tina mobil“) als seine zukünftige Ehefrau. Der Regisseur, der auch das Bühnenbild gestaltete, entwickelte mit Live-Musik, Gesang, Tanz und Film einen atmosphärischen Stilmix.
„Wie sollen wir leben?“ – darum dreht sich der Abend, als der geistig erschöpfte Sinnsucher Kowrin den Landsitz seines alten Pflegeonkels (Bernd Grawert) und dessen Tochter Tanja besucht.
Soll man konformistisch, egoistisch und deshalb oft schlecht gelaunt sein wie der alte Mann, der Obstbäume und Knechte massiv beschneidet? Und der seine Tochter mit Kovrin verheiratete, damit nach seinem Tod ein Enkel das Geschäft weiterführte. Oder bringt ein gewisser Wahnsinn wie Kowrins Sie und die Gesellschaft weiter? Der mittelmäßige Autor halluziniert, er sei ein Genie. Ein schwarz gekleideter Mönch sagte ihm das.
Dabei leuchten Mond und Sterne über drei säuberlich aufgestellten Gewächshäusern, die am Ende in Trümmern liegen. Kovrin wird von Odin Biron und Philipp Avdejew gespielt, die junge Tanya von Viktoria Miroshnichenko.
Wie lebt man richtig?
Auch die Musik spielt eine große Rolle bei den in Hell-Dunkel-Effekten gezeichneten Veranstaltungen, die immer opernhafter und opulenter werden – immer wieder werden im Gewächshaus betörende Jazz- und Barklänge erzeugt. Ein großer Chor von Mönchen markiert den Auf- und Untergang der Sonne mit spirituellen Gesängen.
Am Ende des mehrsprachigen vierteiligen Abends, der die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, tanzen die Geistlichen mit nacktem Oberkörper wie wild und werfen sich auf den Boden.
„Freut euch! Freut euch! Freut euch! Freut euch!“ sie singen. Ausdruck geistiger Freiheit? „Hab keine Angst“ – das sind Kovrins letzte Worte, als er an einer Blutung stirbt. Es war sein Schicksal, dass seine Familie ihn mit medizinischen Methoden von seinem Wahnsinn geheilt hat. Und damit von seinem Streben darüber hinaus Mittelmäßigkeit, was blieb, war Langeweile, aus einem an Selbstüberschätzung leidenden Künstler wurde ein Herdenmensch.
Serebrennikow, dessen Film „Leto“ (Sommer) bei den Lessing-Tagen ebenfalls gezeigt wird, sagt nicht, wie man eigentlich richtig lebt. Bei seiner Ankunft in Hamburg Anfang des Monats sagte der Regisseur der Deutschen Presse-Agentur: „‚The Black Monk‘ ist eine Geschichte über Leben und Tod, über die Grenze zwischen Leben und Tod sehr wichtig, das zu wissen und das richtige Verhalten zu finden.“
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