Söder vorab abgewehrt: Darum sollen die Atomkraftwerke nicht mehr laufen – Region

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– Bayerns Ministerpräsident hat sich vehement dafür eingesetzt, die noch aktiven Kernkraftwerke länger laufen zu lassen. Die Bundesregierung hat dies nun abgelehnt – auch wegen der durch den Ukraine-Krieg offenbar gewordenen neuen Gefahren für die Anlagen.


Nachdem dies zuvor mehrfach abgelehnt worden war, haben sich die Betreiber der letzten drei noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke in Deutschland, darunter Isar 2 bei Landshut, kürzlich auf Grundsatzgespräche über eine Laufzeitverlängerung verständigt. Eigentlich sollten die Anlagen am 31.12.2022 endgültig vom Netz gehen.

Söder für Kernkraft-Laufzeitverlängerung

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) übernahm kurz darauf die Führung in der Bewegung und plädierte für längere Amtszeiten. Die Atomkraftwerke könnten laut Söder eine stabile Energieversorgung garantieren, bis in etwa fünf Jahren die Kapazitäten der erneuerbaren Energien entsprechend ausgebaut würden.

Genau genommen gibt es sogar zusätzliche nukleare Kapazitäten. Die Kernkraftwerke im schwäbischen Gundremmingen sowie in Brokdorf und Grohnde wurden Ende 2021 abgeschaltet, der Rückbau soll aber erst 2023 beginnen. „Eigentlich ist dort noch nichts passiert. Technisch und sicherheitstechnisch.“ wäre es möglich, diese Kraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen“, betont Almut Zyweck, Sprecherin von PreussenElektra, dem Betreiber von Isar 2.

Für den weiteren Betrieb stehen jedoch keine frischen Brennelemente mehr zur Verfügung. „Früher haben wir den Brennstoffbedarf Jahre im Voraus geplant“, erklärt Zyweck. Schnell frischen Brennstoff zu bekommen und ihn anzureichern ist sehr schwierig.

Die Brennelemente sind so schwer zu bekommen

In einer ausführlichen Analyse haben das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium nun den Weiterbetrieb der Anlagen untersucht und alle aufgetretenen Probleme bewertet. Nach Angaben der beiden Ministerien dauert die Beschaffung neuer Brennelemente in der Regel 18 bis 24 Monate. Es kann auf maximal zwölf bis 15 Monate beschleunigt werden.


Weil angesichts der geplanten Stilllegung derzeit nichts mehr übrig ist, werden etwa doppelt so viele frische Brennelemente benötigt wie sonst in einem Jahr. Auch für den neuen Reaktorkern wären umfangreiche Berechnungen und behördliche Genehmigungen erforderlich. „Auch bei sofortiger Anordnung und beschleunigter Bearbeitung ist mit einem Einsatz nicht vor Herbst 2023 zu rechnen“, rechnen die Ministerien.

Zudem ist es nicht einfach, die Brennelemente aus unproblematischen Quellen zu beziehen. „Rund zwei Drittel der weltweiten Uranproduktion stammen aus den autoritären Staaten Russland, Kasachstan, Usbekistan und China. Laufzeitverlängerungen würden daher der Versorgungssicherheit einen Bärendienst erweisen und geopolitische Abhängigkeiten sogar noch verstärken“, sagt Energiesprecher Martin Stümpfig und Klimaschutz für die Grünen im Landtag in Bayern.

Der Betrieb kann bis Ende März 2022 verlängert werden

Auch der Betrieb mit den bisherigen Elementen könnte durch eine kontinuierliche Absenkung der Kühlmitteltemperatur und -leistung oder sogar durch eine vollständige Abschaltung der Kernkraftwerke im Sommer 2022 verlängert werden. Laut Analyse der beiden Bundesministerien könnte der Betrieb um rund verlängert werden 80 Tage. Insgesamt würde auf diese Weise aber kein Strom mehr erzeugt; Erzeugung konnte nur mit einer geringeren Leistung bis Ende März 2023 verlängert werden.

Es wäre auch schwierig, genügend qualifiziertes Personal zur Verfügung zu haben. Schließlich waren viele Mitarbeiter bereits für andere Aufgaben eingeplant oder gingen in den (vorzeitigen) Ruhestand, neue Mitarbeiter wurden nicht mehr eingearbeitet. Finanzielle Anreize würden bedeuten, Teilzeitverträge aufzulösen und neue Mitarbeiter einzustellen. Die Ministerien gehen von einer Mitarbeiterzahl im hohen zweistelligen Bereich aus, für die eine mehrjährige Ausbildung notwendig wäre. Ein Weiterbetrieb wäre daher nur sinnvoll, wenn er für mindestens drei bis fünf Jahre geplant wäre.


Der Bund müsste alle Risiken übernehmen

Eigentlich haften die Betreiber der Kernkraftwerke für Schäden, die ihre Anlagen verursachen. Schäden von bis zu 2,5 Milliarden Euro müssen gedeckt werden. Angesichts der Unsicherheiten aus dem Weiterbetrieb haben die Betreiber den Ministerien bereits mitgeteilt, dass der Bund für den Weiterbetrieb die Rolle des „Quasi-Eigentümers“ übernehmen müsste. Der Staat würde damit alle rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken übernehmen.

Da die Ministerien keine Kompromisse bei der Sicherheit eingehen wollen, wäre eine erneute Sicherheitsbewertung erforderlich, die voraussichtlich in umfangreichen Nachrüstprogrammen in den Jahren 2022-2024 münden würde. Aus diesem Grund müssten die Kraftwerke immer wieder für längere Zeit abgeschaltet werden.

Eine gesetzliche Laufzeitverlängerung für die drei Ende 2021 abgeschalteten Kernkraftwerke käme nach Ansicht der beiden Bundesministerien einer neuen Genehmigung gleich. Die Ressorts bezweifeln, dass ein solches Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht standhalten könnte, weil neueste Sicherheitsstandards erfüllt werden müssten, die durch eine Nachrüstung nicht zu erreichen seien.

Neue Gefahren für Kernkraftwerke

Für die bestehenden Anlagen würden zwar die Auflagen einer Neugenehmigung nicht gelten, eine Umweltverträglichkeitsprüfung wäre aber voraussichtlich dennoch erforderlich. Zudem müsste eine neue, umfassende Risiko- und Vermögensbewertung erfolgen. Dazu soll laut den Ministerien auch gehören, dass der Beschuss von Atomkraftwerken in Europa nicht mehr ganz ausgeschlossen werden kann. Auch Gefahren durch staatlich induzierte Sabotage und kriegsbedingte Unterbrechungen der Stromversorgung sind zu bewerten.


„Als Ergebnis der Nutzen-Risiko-Abwägung ist eine Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden Kernkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen“, schlussfolgern die Ministerien. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) schlossen sich diesem Urteil bald an. Söders Vorstoß scheint zerschlagen worden zu sein.