Kabarett
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„Wenn Holland weg ist, liegt der Niederrhein am Meer“
Stefan Verhasselt trat im Bürgerhaus vor 150 Zuschauern auf, die coronabedingt mit großem Abstand zueinander saßen.
Foto: Michael Scholten
REES Für sein fünftes Bühnenprogramm „Cabaret 5.0 – Between the Lines“ hat Stefan Verhasselt den Niederrheinern und Weltbürgern wieder ganz genau zugehört, wie er jetzt in Rees bewiesen hat.
„Willkommen zum Bürgertest, äh, im Bürgerhaus“, begrüßte Stefan Verhasselt am Freitagabend sein Rees-Publikum, das mit großem Abstand und nach Haushalten getrennt im großen Saal des Bürgerhauses saß.
Den ersten Block seines „Cabaret 5.0“-Abends widmete der Kabarettist erwartungsgemäß der Corona-Pandemie, die seit zwei Jahren die Welt beschäftigt und die Kulturlandschaft auf Sparflamme hält. „Der Lockdown war für mich wie ein Vorgeschmack auf den Ruhestand“, erklärt Stefan Verhasselt. Er saß viel zu Hause, konsumierte Pizza und Fernsehen (obwohl er die Corona-freien Filme und Serien als lohnendes Paralleluniversum empfand) und verfolgte den kometenhaften Aufstieg von Christian Drosten und Hendrik Streeck zu neuen Helden.
Dass die Expertise der studierten Virologen von vielen Verschwörungstheoretikern in Frage gestellt wird, deren Allgemeinbildung meist auf dem Anschauen von 160 YouTube-Videos beruht, erinnerte Verhasselt an die bekannteste These des großen niederrheinischen Philosophen Hanns Dieter Hüsch: „Das Volk vom Niederrhein wissen nichts, können nur alles erklären.“ Trotz aller Exzesse der Pandemie, darunter „Waldbaden“ und „Spazierengehen“, zeigte sich Verhasselt optimistisch, dass der Ausnahmezustand eines Tages ein Ende finden werde: Dann seien alle wieder im Chinarestaurant, idealerweise „Wuhan“ genannt. , und hol dir dort vier Essstäbchen: „Zwei zum Essen und zwei zum Testen.“
Irgendwann steht der ausführliche „Corona-Block“ nicht mehr am Anfang seines fünften Etappenprogramms, das Stefan Verhasselt seit Januar 2020 mehrfach verschieben und ständig aktualisieren musste. Dazu ist genug anderes passiert in den letzten Jahren und Monaten verdienen eine sorgfältige kabarettistische Betrachtung: zum Beispiel Geschlecht. „Wenn wir Deutschen einmal ein Thema gefunden haben, dann wird es sozusagen umgesetzt, bis alles bis in den letzten Winkel vergeschlechtlicht ist“, unterstrich Stefan Verhasselt den vereinzelten Sprachwahn mit „Doppelpunkt, Geschlecht Sternchen und verbalem Zucken Sekunde“. Gender ist neben Klima, Kirche, Ukraine und Corona eine der großen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit: „Man hat immer einen Fuß in seinem Fauxpas“, betonte Verhasselt, der das Reeser-Publikum mit „Ladies and Ladies „Als Vorsichtsmaßnahme.
Die Sprache war schon vor dem Gendern schwierig genug, vor allem am entspannten Niederrhein, wo man gerne Fremdwörter verwechselt („Dieser Mann ist ein Nadelbaum auf seinem Gebiet! Beim Fischen fangen wir nichts. An anderen Tagen fangen wir nichts.“
Besonders heimelig wird es in den Sendungen von Stefan Verhasselt, wenn er über die Vergangenheit spricht. Dann erinnert sich jeder im Saal an das sonntägliche Mittagessen mit Rinderbrühe, Roastbeef und Rahm, Verdauungsspaziergänge mit der Familie, zu denen eigentlich noch Vater und Mutter gehörten, oder Ruhephasen, in denen „wir mal was hinlegen“. Und heute? Dort müssen Freunde des Roastbeefs ihr Stückchen Fleisch gleich draußen vor dem Restaurant verzehren, direkt neben den Räucheröfen. Denn innen ist es vegan, vegetarisch und glutenfrei.
Gleichzeitig sorgt die jüngere Generation (die Verhasselt konsequent „Greta-Nation“ nennt) dafür, dass die nachhaltige E-Autofahrt nach Sylt – wie zu Kaisers Zeiten – drei Tage dauert, weil es viel zu wenige Ladestationen gibt: „Ich wollte schon immer in den Bergen von Damme übernachten.“ Die Klimakrise mit steigendem Meeresspiegel wird bald dafür sorgen, dass kein Reeser mehr an die Nordsee muss: „Wenn Holland weg ist, liegt der Niederrhein am Meer.“
Insgesamt sorgte Stefan Verhasselt im Bürgerhaus für zwei Stunden erfrischend unspektakuläre Unterhaltung. Sein charmant-trockener niederrheinischer Humor setzte nicht auf dicke Schenkelklatschen, sondern auf das Erkennen von kleinen Macken und Marotten, die immer wieder zu der Erkenntnis führten: „So wie daheim!“