Berlin (dpa) – Der Titel lässt an Kinoklassiker denken: Frank Capras „Isn’t life beautiful?“ von 1947, ein toller Weihnachtsschnulzen. Zu Roberto Benignis „Das Leben ist schön“ (1997).
Auch in „Wonderful“, der dritten Regiearbeit von Karoline Herfurth, ist es eine Tragikomödie, die zu Herzen geht. Auch in dieser Arbeit ist nicht alles schön. Es sind fünf Frauen, die sich auf herrlichste und traurigste Weise immer wieder in die Fallstricke des Lebens verstricken. Mit bekannten Filmgesichtern wie Emilia Schüle, Nora Tschirner, Martina Gedeck, Friedrich Mücke und Joachim Król ist „Beautiful“ prominent besetzt. Und auch Herfurth selbst nimmt eine der zentralsten Rollen ein.
Aussehen als zentrales Thema
Herfurth spielt Sonja, eine zunehmend verzweifelte Mutter, die nicht nur unter ihrem karrierefixierten Ehemann (Mücke) leidet, sondern auch die Rolle der Mutter nicht wirklich mag. Martina Gedeck ist Frauke Ende fünfzig, die sich mehr vom Leben erhofft, als nur für ihren alten Mann zu kochen und langweilige Gespräche zu führen. Sowohl Sohn als auch Tochter sind bereits ausgezogen, letztere versucht sich in der Welt der Models – deren grausame Schattenseiten von Regisseur Herfurth brutal und ehrlich seziert werden.
Das Thema Aussehen (einmal fragt ein kleines Mädchen: „Wie sieht man aus?“), die eigene Wahrnehmung und wie sie von anderen wahrgenommen wird: Das ist der inhaltliche Fixstern, um den sich all die sehr unterhaltsamen Geschichten der Film drehen. Auch Teenagerin Leyla (wunderbar: Dilara Eylin Ziem) leidet unter ihrem Aussehen und findet im Baseball endlich das richtige Ventil für sich.
Mut zur Hässlichkeit
Vor allem Tschirner, die fünfte Frau in diesem virtuos choreografierten Ensemble, ist ein Ereignis: Die 40-jährige Schauspielerin, Musikerin, ehemalige Moderatorin, die 2016 auch in Herfurths Regiedebüt „SMS für Dich“ mitspielte, besticht mit ihrer Rotzigkeit , berührende Kunst: Sie ist eine alleinstehende Kunstlehrerin, die nicht nur mit ihrem zotteligen Haarschopf und einem blauen Pflaster, das immer ihren rechten Zeigefinger ziert, auffällt.
Nein, auch ihr betagter, feuerroter Golf weckt Interesse. So auch bei einem forschen Lehrerkollegen, mit dem sich Tschirner (zunächst) nur auf eine Mini-Affäre einlässt. Es gibt nur wenige einheimische Schauspieler, die ihren Mut zur Hässlichkeit und Frechheit so schön und sympathisch zeigen können – ohne jemals aus dem schmalen Grat zwischen Slapstick und Ernst zu geraten.
Die Chemie stimmt
Tschirner hingegen könnte ihr Potenzial wohl nicht so gut ausschöpfen, wenn sie in Herfurth nicht eine (mittlerweile) erfahrene Regisseurin und kongeniale und erfrischende Gegner und Mitspieler vor der Kamera hätte: Dass die Chemie zwischen den beiden besonders ist , die rein professionelle Die Schauspielerin Beziehung scheint manchmal zu transzendieren, wie in einer der schönsten Szenen zu sehen ist. Die tränenüberströmte Kunstlehrerin steht vor der Tür ihrer nicht minder durchgeknallten besten Freundin: Bin ich ein unausstehlicher Einsiedler? fragt Tschirner verzweifelt. Woraufhin Herfurth sie voller Herzlichkeit umarmt – nicht nur spielerisch: „Nein, nein, du nervst manchmal nur furchtbar!“.
Es sind Momente wie diese, in denen Karoline Herfurth ihr besonderes Gespür für sowohl traurige als auch extrem lustige Momente aufs Schönste unter Beweis stellen kann. Mit einem Klassiker wie Capras „Ist das Leben nicht schön?“, mit Benignis preisgekröntem „La Vita è bella“ von 1997 kann Herfurth nicht ganz mithalten. Der eine oder andere Story-Twist, aber auch manche Kritik an traditionellen Rollenbildern und Sichtweisen ist dann doch zu vorhersehbar. Aber eines sind die luxuriösen 131 Kinominuten, die uns die 37-jährige Schauspielerin und Filmemacherin mitten im zweiten Corona-Winter beschert, auf jeden Fall: wunderschön.
Schön, Deutschland 2020, 131 Min., FSK ab 6, von Karoline Herfurth, mit Nora Tschirner, Friedrich Mücke, Martina Gedeck
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