Volksverhetzung, aber Verfahren wegen Wahlplakaten eingestellt

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Trotz Hassrede

Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellt klar: Die Wahlplakate der Partei „Die Rechte“ vor einer Synagoge in Pforzheim sind hetzerisch. Doch das Verfahren wird nun eingestellt. Vorausgegangen war auch ein Streit zwischen Karlsruher Justizbehörden.

Israelkritische Wahlplakate der Partei „Die Rechte“, hier eine Kundgebung im Mai 2019 in Pforzheim, sind Teil eines langwierigen Streits, der auch zwischen Karlsruher Justizbehörden geführt wird.

Foto: Daniel Streib

Nach der Europawahl 2019 kam es bundesweit zu Rechtsstreitigkeiten um Wahlplakate der Partei „Die Rechte“. Leitfrage: Ist es noch von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn eine Partei antijüdische Nazi-Parolen auf Wahlplakate druckt, die an Israel erinnern? In Pforzheim ging es auch darum: Dürfen solche Plakate in der Nähe einer Synagoge angebracht werden?

Gerade letztere Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe nun mit einem klaren Nein beantwortet. Das ist Hassrede.

Mit einer Strafe müssen die Verantwortlichen der rechtsextremen Kleinstpartei dennoch nicht rechnen. Am Mittwoch wurde ein verwickeltes Verfahren eingestellt.

Staatsanwalt: Konkrete Täter sind kaum auszumachen

Der Grund: Die konkreten Täter, die die Plakate vor knapp drei Jahren in der Nähe der Synagoge aufgehängt haben, sind nicht ausfindig zu machen.

Die Richter stimmen letztlich der Staatsanwaltschaft Karlsruhe zu, die der Sache zunächst gar nicht auf den Grund gehen wollte, aber vom Gericht dazu gezwungen wurde.

Dafür sorgte Rami Suliman von der Jüdischen Gemeinde Pforzheim, der auch Vorsitzender der Israelischen Kultusgemeinde Baden ist. Er erstattete zunächst Strafanzeige gegen die Vorsitzenden der kleinsten Partei. Und nachdem die Staatsanwaltschaft von Ermittlungen Abstand genommen hatte, reichte Suliman eine Vollstreckungsklage ein.

Richter zwangen Staatsanwälte zu Ermittlungen gegen „Die Rechte“

Zunächst mit Erfolg: Das Oberlandesgericht entschied im März 2020, dass die Staatsanwaltschaft ermitteln muss. Ob ein Tatsachenrichter zu einer Verurteilung käme, könne nach Ansicht des Gerichts erst „nach angemessener Sachverhaltsaufklärung“ absehbar sein.

Das Ergebnis der Zwangsermittlung kam für Suliman und seinen Anwalt Christoph Mährlein wenig überraschend: Das Verfahren wurde eingestellt. In einem zweiten Schritt ließen sie beim Oberlandesgericht prüfen, ob auch die Staatsanwaltschaft gezwungen werden könnte, Anklage zu erheben.

Aber das ist jetzt nicht der Fall. Das Gericht sieht „die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, dass zu verfolgende Einzeltäter nicht ermittelt werden können“, als nicht zu beanstanden, wie OLG-Sprecher Klaus Stohrer erläutert.

Inhaltlich stellt das Gericht jedoch klar: Es sei sehr offensichtlich, dass das Plakat mit der Aufschrift „Israel is our misfortune!“ nicht zum Zwecke der Kritik am Staat Israel an der Synagoge angebracht worden sei, sondern dass es sich um eine besondere Äußerung gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland handele. Zusammen mit einem zweiten Plakat („Wir hängen nicht nur Plakate!“) signalisierten die Autoren Gewaltbereitschaft. Das ist Hassrede.

Für uns überwiegen die positiven Signale. Wir haben ein Beispiel für künftige Vorgehensweisen gesetzt.

Christoph Mährlein, Rechtsanwalt der Jüdischen Gemeinde Pforzheim

Gegen die Entscheidung sind keine Rechtsmittel möglich. Ein zweites Ermittlungsverfahren, das noch läuft, betrifft Lautsprecherdurchsagen vor der Synagoge. Rechtsanwalt Maehrlein: „Für uns überwiegen die positiven Signale die negativen. Wir haben ein Zeichen für künftige Verfahren gesetzt.