Fragen und Antworten zu den Plänen der Regierung
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Alles, was Sie über den neuen Mindestlohn wissen müssen
Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat bereits den Gesetzentwurf zur Anhebung des Mindestlohns vorgelegt.
Foto: dpa/Britta Pedersen
Analyse Berlin Der gesetzliche Mindestlohn wird zum 1. Oktober auf zwölf Euro pro Stunde angehoben. Davon profitieren laut Arbeitsminister Hubertus Heil 6,2 Millionen Beschäftigte vor allem in Dienstleistungsberufen. Für Altenpfleger gibt es eine eigene Lösung: Die Mindestlöhne steigen ab dem 1. September stufenweise an, teilweise deutlich über zwölf Euro. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Mindestlohn.
Was ist geplant? Die Bundesregierung erhöht den gesetzlichen Mindestlohn ab dem 1. Oktober auf zwölf Euro pro Stunde. Sie gilt dann für 15 Monate. Bis Mitte 2023 soll die unabhängige Mindestlohnkommission erneut über die nächste Erhöhung ab dem 1. Januar 2024 entscheiden. Seit 2015 gibt es in Deutschland einen bundesweiten Mindestlohn. Er startete bei 8,50 Euro. Seit Januar 2022 sind es 9,82 Euro brutto. Die nächste Erhöhung auf 10,45 Euro erfolgt am 1. Juli. Die Kosten für die Arbeitgeber werden im vorliegenden Gesetzentwurf von Minister Heil allein in diesem Jahr mit rund 1,63 Milliarden Euro angegeben.
Wer profitiert? Hubertus Heil schätzt die Zahl der Mitarbeiter, die durch die Erhöhung besser bezahlt werden, auf rund 6,2 Millionen. Wirtschaftsforscher rechnen sogar mit acht bis neun Millionen Betroffenen. Die Erhöhung hat Folgen für die gesamte Lohnstruktur, denn in den Tarifverträgen müssen fast alle Lohngruppen nach oben angepasst werden. Beschäftigte sind direkt vom Mindestlohn betroffen, vor allem in Dienstleistungsberufen wie Friseuren, Einzelhandelsmitarbeitern, Wachpersonal und im Gastgewerbe. Wie der Personaldienstleister Randstad kürzlich auf Basis einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts berichtete, sollen 20 Prozent der Gesamtbelegschaft bei den Dienstleistungsunternehmen mehr Geld erhalten. Davon profitieren laut Ifo-Institut zehn Prozent der Erwerbstätigen im Handel und sieben Prozent in der Industrie, die jetzt weniger als zwölf Euro die Stunde verdienen.
Wie wurde der Mindestlohn bisher festgelegt? Bisher beschloss die von staatlichen Weisungen unabhängige Mindestlohnkommission, die sich aus je drei Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern zusammensetzte, alle zwei Jahre über Erhöhungen. Sie soll sich laut Gesetz an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren. Dieser Mechanismus wurde nun einmal von der Ampelregierung außer Kraft gesetzt.
Wie reagieren die Sozialpartner? Während die Gewerkschaften das Mindestlohngesetz feiern, kommt Kritik von den Arbeitgeberverbänden. Sie beklagen weniger die konkrete Höhe des Mindestlohns als vielmehr das Verfahren: Mit dem Eingriff in die Festsetzung des Mindestlohns verstoße die Regierung gegen die in der Verfassung verankerte Tarifautonomie. Branchenverbände prüfen daher Beschwerden vor dem Verfassungsgerichtshof. Der Eingriff würde den Mindestlohn politisieren: Politiker werden künftig immer wieder versucht sein, die Mindestlohnkommission zu unterlaufen.
Wie schneidet Deutschland im europäischen Vergleich ab? Während einem Arbeitnehmer in Bulgarien mindestens 332 Euro monatlich zustehen, sind es in Luxemburg mit 2.257 Euro fast das Siebenfache. Selbst unter Berücksichtigung der Kaufkraftunterschiede beträgt die Differenz fast das Dreifache. Laut einem aktuellen Vergleich der EU-Statistikbehörde Eurostat lag der Mindestlohn im Januar in 13 EU-Staaten, allesamt in Ost- und Südeuropa, unter 1.000 Euro vor Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Der Mindestlohn liegt in sechs EU-Ländern bei über 1.500 Euro: Frankreich (1.603 Euro), Deutschland (1.621 Euro), Belgien (1.658 Euro), Niederlande (1.725 Euro), Irland (1.775 Euro) und Luxemburg (2.257 Euro). ). In Finnland, Schweden, Dänemark, Österreich, Italien und Zypern gibt es keinen Mindestlohn. Legt man eine fiktive Währung zugrunde, die die unterschiedliche Kaufkraft des Euro ausgleicht, hat Deutschland nach Luxemburg den zweithöchsten Mindestlohn. Zum Vergleich: Der Mindestlohn in den USA ist in dieser Größenordnung gleichauf mit dem in Portugal und sogar niedriger als in Rumänien.
Wie wirkt sich die Erhöhung auf die Inflation aus? Laut einer Studie der gewerkschaftseigenen Hans-Böckler-Stiftung wirkt sich die Anhebung des Mindestlohns nur geringfügig auf die Inflation aus. Die Inflationsrate dürfte daher Mitte 2023 kurzfristig um rund 0,25 Prozentpunkte höher liegen als ohne Mindestlohnerhöhung. Theoretisch könnte sich die Erhöhung auf verschiedene Weise auf die Inflation auswirken: Sie kann die Verbrauchernachfrage erhöhen und zu steigenden Verbraucherpreisen führen. Unternehmen könnten die Lohnerhöhungen als Argument nutzen, um ihre eigenen Preise anzuheben.
Welche Beschäftigungseffekte sind zu erwarten? Die Simulationsergebnisse der Böckler-Stiftung zeigen keine relevanten negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung. Andere Experten glauben jedoch, dass höhere Arbeitskosten im unteren Lohnsegment die Chancen von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt verschlechtern könnten. Arbeitgeber dürften aufgrund des zunehmenden Arbeitskräftemangels höhere Personalkosten einkalkulieren – allerdings nur bei Fachkräften.
Was gilt speziell für die Altenpflege? Die Mindestlöhne für Pflegekräfte sollen ab dem 1. September in mehreren Schritten deutlich steigen. Darauf einigte sich der zuständige Betreuungsausschuss einstimmig. Demnach sollen die Mindestlöhne für Hilfskräfte bis Ende 2023 schrittweise von derzeit zwölf auf 14,15 Euro, für qualifizierte Hilfskräfte von 12,50 auf 15,25 Euro und für Pflegekräfte von 15 Euro auf 18,25 Euro steigen. Rund 1,2 Millionen Beschäftigte arbeiten in Einrichtungen, die unter den besonderen Pflegemindestlohn fallen.