Weniger Messen für Uhren und Schmuck

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Weniger Messen für Uhren und Schmuck

Entwicklung ist ein Anliegen

Der Aussicht auf weiterhin gute Geschäfte stehen Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit und große Veränderungen im Messemarkt als Herausforderungen gegenüber. Das macht der Chef des Bundesverbandes Schmuck und Uhren in seiner Jahresbilanz deutlich.

Online-Bilanz beim Bundesverband: Präsident Uwe Staib und Geschäftsführer Guido Grohmann informieren über die Herausforderungen für Uhren- und Schmuckunternehmen.

Foto: Florian Staib

Das vergangene Jahr war gut – im Luxussegment sogar sehr gut. Und 2022 wird nicht so schlimm. Zu diesem Fazit kommen der Präsident des Bundesverbandes Schmuck und Uhren (BV), Uwe Staib, und sein Hauptgeschäftsführer Guido Grohmann nach einer „unspektakulären“ Online-Mitgliederversammlung.

Beide können als Erfolg zurückblicken: Es gab keine Wahlen, und die Unzufriedenheit ist nicht groß, nachdem Corona seit dem Ende des Lockdowns geradezu belebend in der Branche gewirkt hat. Mit rund 60 Schmuck- und Uhrenherstellern sowie Vertretern verwandter Branchen war das Treffen dennoch „gut besucht“. Der BV hat rund 150 Mitgliedsunternehmen und vertritt rund 170 Unternehmen durch kooperierende Verbände.

Ausstellungsplattformen schrumpfen

„Es gibt keinen kurzen Austausch mit Wettbewerbern“, analysiert Grohmann das große Interesse. Messeabsagen greifen insbesondere auf Plattformen für Trendberichte und Feedback aus der Branche zurück. Die alte Größe werden sie nicht mehr erreichen, Präsident Staib ist geradezu pessimistisch. Das gewohnte internationale Niveau wird es nicht wieder geben.

Als größten Verlust verzeichnete Staib die Baselworld. Er sieht keine Anzeichen für eine Wiederbelebung der Weltausstellung in Basel. Zudem ist gerade für die Uhrenindustrie kein Ersatz in Sicht. „Denn Genf – das neue Mekka – hat so noch nie stattgefunden, konnte also nichts falsch machen“, sagt Grohmann. Zudem gibt es keine Messe, da die Schweizer Luxusmarken dort eher unter sich bleiben.

Der BV-Tipp lässt wenig hoffen, dass die Inhorgenta hier Ersatz findet. Hält die Messe München an dem durch Corona vorgegebenen April-Termin fest, verliert man es an Schmuck. Denn für „Trauringhersteller lief das Geschäft damals“, sagt Grohmann, und für „Großhändler, die immer noch sehr erfolgreich mit Frühjahrs- und Herbstkollektionen arbeiten, ist das keine Option“. Wenn sie zum Februar-Termin zurückkehrt, werden internationale Kunden fehlen. Weil sie nicht zweimal reisen – erst nach München und dann im April nach Genf für Top-Uhren.

Staib analysiert das Messegeschäft vor dem Hintergrund einer „Achterbahnfahrt par excellence“. Luxuriöser Schmuck und hochwertige Uhren waren gefragt, aber der Branche fehlte beispielsweise der asiatische Markt, litt unter Lieferengpässen, musste neue Kollektionen per Video kommunizieren und war nicht gerade scharf auf 3G-Regeln am Arbeitsplatz.

Grohmann nennt die Forderung nach Nachhaltigkeit ein „sehr großes, wenn nicht das derzeit größte Thema in der Branche“. „Es ist eine große Bewegung mit vielen Facetten.“ Staatliche Regelungen zu sozialen und ökologischen Standards sowie Kundenforderungen nach ethisch korrekter Produktion und Wertschätzung „werden sich weltweit durchsetzen“, ist Staib überzeugt.

Auf Produktionsebene spiegelt sich dies in Zertifizierungen wider. Dabei gehe es nicht so sehr um die Standards selbst – „in Pforzheim wird ohnehin das meiste Gold recycelt“. Die Dokumentation ist für Unternehmen der Zulieferbranche essenziell, ebenso wie die nachvollziehbare, darstellbare Produktions- und Lieferkette.

Luxus-Professor Fernando Fastoso spricht

Fernando Fastoso gab auf der Mitgliederversammlung Tipps zum Umgang mit Nachhaltigkeit. Der erste Luxus-Professor der Welt, wie vor allem die Boulevardpresse titelte und Pforzheim damit eine ganz neue Aura verlieh, gab einen ersten Einblick in die Möglichkeiten, die seine Arbeit in Pforzheim der Branche bringen könnte.

Beim zweiten „großen Thema: Es fehlt überall an Fachkräften“, so Staib, „sehr schlecht“. Er macht keinen Hehl daraus, dass es „in Pforzheim schon heiß hergeht“ und Kräfte „herausgefischt“ werden. „Wir suchen alles von modernen Berufen bis hin zu traditionellen Fassern, Polierern und Goldschmieden“, ergänzt Grohmann.

Der Bundesverband arbeitet an einem neuen Ausbildung

Ein Problem des Verbandes ist, dass die Ausbildungsbereitschaft abnimmt, weil die Gesellen später in artverwandte Branchen mit höheren Löhnen abwandern. Dazu kommt noch die Verkäuferin, die für viel mehr zuständig ist, als der Name vermuten lässt.

Die für Uhren und Schmuck typische Ausbildung an der Schnittstelle zwischen Produktion und Verwaltung ist weitgehend unbekannt. Grohmann arbeitet deshalb gemeinsam mit der Goldschmiedeschule an einem neuen Berufsbild, das die Fabrikanten mitnimmt, aber auch Perspektiven für den Nachwuchs eröffnet.