Berlin (dpa) – Es mehren sich die Anzeichen, dass die Omicron-Welle bricht: Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist den dritten Tag in Folge gesunken.
Den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche gab das Robert-Koch-Institut (RKI) am Dienstagmorgen mit 1437,5 (Vortag: 1459,8; Vormonat: 497,1) an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sieht den Höhepunkt der Omicron-Welle bereits überschritten. Auch andere Experten sind optimistisch, weisen aber darauf hin, dass die Zahlen schnell wieder steigen können.
„Wir brauchen eine Woche, um sicher sagen zu können, ob die Welle zurückgeht“, sagte Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (Bremen) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag. „Wir haben zum Beispiel in Dänemark gesehen, dass die Zahlen nach einer kurzen Pause wieder deutlich nach oben gegangen sind.“ Er wies auch darauf hin, dass, als der Höhepunkt der Welle erreicht war, erst die Hälfte vorbei war. „Dann wird es noch viel mehr Fälle geben und das Gesundheitssystem bleibt stark belastet“, sagt Zeeb.
Plateau erreicht
Laut Intensivmediziner Christian Karagiannidis deuten die Zahlen und Modelle darauf hin, dass ein Plateau erreicht ist oder zumindest bald erreicht wird. Derzeit würden täglich etwas mehr als 200 Menschen auf einer Intensivstation aufgenommen, sagte der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters. Die Gesamtauslastung würde jedoch nicht so stark steigen. Auch auf den Normalstationen habe es nach Meldedaten des RKI und einzelner Bundesländer einen deutlichen Anstieg der Patientenzahlen gegeben, sagte Karagiannidis. „Aber auch dort haben wir erste Tendenzen, dass dieser starke Anstieg nun zum Erliegen kommt oder zumindest nicht mehr in gleichem Maße zunimmt.“
Der Bioinformatiker Lars Kaderali erklärt das Brechen der Welle mit einer Art Sättigungseffekt. „Mit der steigenden Zahl der Genesenen findet das Virus immer weniger Menschen, die noch ansteckungsgefährdet sind“, sagte der Greifswalder Wissenschaftler, der auch Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung ist. Er betont, dass durch geänderte Vorschriften, etwa durch Lockerungen der Corona-Maßnahmen, neue Kontaktnetzwerke entstehen könnten, in denen die Virusausbreitung wieder Fahrt aufnehmen würde. „So kann der Sättigungseffekt etwas nachlassen.“ Von ruhigeren Gewässern könne man erst ab etwa April getrost ausgehen, auch wenn saisonale Effekte die Ausbreitung des Virus bremsen, sagte Kaderali.
Trotzdem Anlass zur Vorsicht
Auch die Labormediziner sehen erste Anzeichen eines abflauenden Infektionsgeschehens. In der Woche bis Sonntag seien erstmals seit Jahresbeginn sowohl die Zahl der durchgeführten Tests als auch die sogenannte Positivrate zurückgegangen, teilte die Association of Accredited Laboratories in Medicine (ALM) am Dienstag mit. „Obwohl uns der leichte Rückgang der Testzahlen als erster Hinweis auf eine rückläufige Infektionsrate ein positives Gefühl gibt, sehen die Labore dennoch Anlass zur Vorsicht und Vorsicht. Der Höhepunkt der Omicron-Welle ist in einigen Bundesländern noch nicht erreicht “, sagte Nina Beikert, Mitglied des ALM-Vorstands.
Eines der Probleme bei der Interpretation des Infektionsverlaufs ist die unsichere Datenlage. Experten gehen von einer hohen Zahl von Fällen aus, die in den RKI-Daten nicht erfasst werden, etwa weil das Melde- und Testsystem überlastet ist. Zudem dürfte die Zahl der Menschen zunehmen, die ihre Infektion nicht mehr durch einen PCR-Test bestätigen lassen – die Infektion wird also nicht in die amtliche Statistik aufgenommen.
Auch ein erneuter Anstieg der Infektionszahlen ist denkbar, wenn sich der offenbar noch leichter übertragbare omicron-Subtyp BA.2 in Deutschland ausbreitet. Bisher hat sich hierzulande die Untervariante BA.1 durchgesetzt.
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