Sommer
Neue Warnungen: Ist die Sommerzeit schlecht für Ihre Gesundheit?
Die Zeitumstellung bewegt die Geister – ab Sonntag gilt „Normalzeit“.
Die Zeitumstellung bewegt die Gemüter – ab Sonntag gilt die Normalzeit
In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren erneut umgestellt: Um drei Uhr morgens werden die Uhren um eine Stunde von der Sommerzeit auf die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) zurückgestellt. Viele Deutsche halten nicht viel vom Hin und Her mit der Zeit.
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US-Experten gehen davon aus, dass die Zeitumstellung die Gesundheit ernsthaft schädigen kann. Ändert sich die Regel jetzt?
Berlin/Brüssel. Mehr Herzinfarkte, mehr Verkehrsunfälle, mehr Depressionen: Die halbjährliche Zeitumstellung ist nicht nur für viele Menschen unangenehm – medizinische Studien deuten darauf hin, dass die Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit der Fall ist Gesundheit ernsthaft schaden können. Einen neuen Schub bekommen die Warnungen nun aus den USA. Experten beklagen dort große Gesundheitsrisiken und machen Druck auf die Abschaffung der Zeitumstellung. Ein Signal für Europa, wo Endepläne auf Eis gelegt werden? Oder ist es übertrieben?
Bei einer Anhörung im US-Kongress in Washington sagte die Neurologie-Professorin Beth Malow zur Zeitumstellung: „Es gibt eindeutige Beweise dafür, dass das Hin- und Hergehen zu mehr Herzinfarkten und Herzinfarkten führt.“ Auch das Schlaganfallrisiko steigt durch die Zeitumstellung. Vor allem Kinder leiden unter Schlafentzug, sagt der Schlafforscher von der Vanderbilt University Nashville. Es stimmt, dass es auch bei längeren eine Zeitumstellung gibt Flugreisen notwendig, aber es gibt einen Unterschied: In diesen Fällen ist die neue Zeit mit einer Änderung der Umgebung und der Sonnenzeiten verbunden, was die körperliche Anpassung erleichtert.
Auch der Aktienmarkt schwächelte nach der Zeitumstellung
Der Rechtsprofessor Steve Calandrillo aus Washington, eine Autorität für Zeitgesetzgebung, sagte dem Gesetzgeber, dass „die halbjährliche Umstellung auf Sommerzeit schlecht für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden ist“. Es richtet „verheerenden Schaden“ an Schlafzyklen mit „perversen Folgen“ an. Calandrillo verwies im Kongress auf eine Studie der University of Michigan, wonach montags unmittelbar nach Beginn der Sommer im Durchschnitt tritt ein um 24 Prozent häufigerer Herzinfarkt auf. Wissenschaftler haben auch herausgefunden, dass die großen amerikanischen Börsenindizes wie Nasdaq oder die New Yorker Börse im Durchschnitt nach jeder Zeitänderung Verluste verzeichnen, berichtete Calandrillo.
Führende Forscher der American Academy of Sleep Medicine fordern ebenfalls ein Ende der Zeitumstellung – und weisen auf mehr Herzinfarkte, mehr Krankenhauseinweisungen oder eine Zunahme von Todesfällen hin Verkehrsunfälle, die nach Angaben der University of Colorado um sechs Prozent steigen, wenn die Uhren umgestellt werden. Solche Warnungen fallen auf fruchtbaren Boden: Der US-Senat hat gerade einem Gesetzentwurf zugestimmt, der die Zeitumstellung und dann dauerhafte Sommerzeit in den Vereinigten Staaten ab 2023 abschafft. Ob das Repräsentantenhaus auch seinen Segen geben und der Plan tatsächlich werden wird Gesetz bleibt abzuwarten. Denn auch über die anschließende Frage der ewigen Sommer- oder Winterzeit ist in Amerika eine Debatte entbrannt.
Die Deutschen klagen nach der Zeitumstellung über Schlafstörungen und Launenhaftigkeit
Aber gut möglich, dass das, was Europa seit Jahren nur diskutiert, in den USA umgesetzt wird. Allerdings: Ob sich die Abschaffung der Zeitumstellung tatsächlich mit gesundheitlichen Bedenken rechtfertigen lässt, ist unter Experten hierzulande umstritten. Eines ist klar: Viele Menschen fühlen sich durch den Wechsel von der Winter- zur Sommerzeit und wieder zurück gestresst. Mehr als jeder vierte Bundesbürger gibt einen Strom ab Meinungsumfrage teilten der Krankenkasse DAK mit, dass sie durch die Zeitumstellung gesundheitliche Probleme gehabt hätten.
Dabei werden vor allem Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen und Konzentrationsprobleme berücksichtigt Symptome erwähnt, aber immerhin knapp ein Fünftel der Befragten berichtet auch von depressiven Verstimmungen. Aber wie ernst ist das zu nehmen? Ganz ernst nehmen es Kritiker wie der Münchener Chronobiologe Till Roenneberg: Ihm zufolge ist die Zeitumstellung als „willkürliche Verschiebung der gesellschaftlichen Zeit“ schädlich und habe nicht nur akute Folgen wie Unfälle oder Herzinfarkte, sondern führe auch zu Sommerzeit-Stoffwechsel Krankheiten.
Studie: Vor allem junge Menschen haben lange Probleme mit der Umstellung auf die Sommerzeit
Doch es gibt skeptische Stimmen: In einer vielbeachteten umfassenden Auswertung internationaler Studien kamen wissenschaftliche Berater des Bundestags zu einem überraschenden Ergebnis: Störungen nach der Zeitumstellung seien zu beobachten, aber wohl so gering, dass ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten seien . Zumindest sehen sie es Wissenschaftler Immer mehr Hinweise aus der Forschung, dass die Anpassung des biologischen Rhythmus beim Menschen, insbesondere nach der Frühjahrsumstellung, „nicht so leicht und schnell vonstatten geht, wie noch vor einigen Jahren angenommen“. Manche, vor allem jüngere Menschen, hatten sich auch vier Wochen nach der Zeitumstellung im Frühjahr noch nicht vollständig an die Sommerzeit angepasst.
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Nach Auswertung zahlreicher Studien kamen die Experten des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Bundestag (TAB) 2016 jedoch zu dem Schluss, dass es keinen eindeutig belegten Zusammenhang zwischen der Zeitumstellung und einem erhöhten Herzinfarktrisiko gibt. Gleiches gilt für die Auswirkungen auf Psyche. Und auch die Mehrheit der aktuellen Studienergebnisse spricht gegen die Hypothese, dass die Zeitumstellung Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit in den Folgetagen hat. Der Wissensstand zu psychischen Störungen und gesundheitlichen Auswirkungen sei einfach „sehr lückenhaft“. Die wissenschaftlichen Berater des Bundestages hatten auch Studien zu den Auswirkungen auf die Wirtschaft („keine belastbaren Angaben“) und zum Energieverbrauch („nur geringe Einsparungen“) geprüft. Das Fazit: Die Entscheidung, die Zeitumstellung zu beenden, ist letztlich eine Frage politischer und gesellschaftlicher Debatten, weniger wissenschaftlicher Fakten.
Die EU-Kommission zögert, auf gesundheitliche Bedenken einzugehen
Diesen europaweit vielzitierten gründlichen Bericht hat sich auch die EU-Kommission zu Herzen genommen, als sie ihren bislang erfolglosen Vorschlag zur Beendigung der Zeitumstellung in Europa vorstellte: Die Kommission verweist zwar auf deren Fehlen Energiespareffekte und Meinungsumfragen für eine Abschaffung, aber sie begründet ihre Initiative nicht mit gesundheitlichen Bedenken. Die Beamten verweisen ausdrücklich auf die Bundestagsstudie. Macht diese Zurückhaltung jetzt den Unterschied zu den USA? In Europa kommt die Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung politisch nicht voran – in Amerika aber schon.
In einem sind sich Experten hier und da jedoch einig: Auf die Zeitumstellung kann man sich vorbereiten. Die American Academy for Sleep Research empfiehlt, dass Sie drei oder vier Tage vor der Umstellung auf Sommerzeit jede Nacht etwa 15 Minuten früher ins Bett gehen und früher aufstehen sollten, damit sich Ihr Körper an die Umstellung gewöhnen kann. Auch die Krankenkasse AOK empfiehlt dies in Deutschland und fügt einen weiteren Tipp hinzu: „Wenn möglich, können Sie am Tag nach der Zeitumstellung etwas länger im Zimmer bleiben Bett bleib, um deinem Körper etwas Ruhe zu gönnen.“