Art Spiegelmans Comic „Maus“: Es darf nicht weh tun

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Art Spiegelmans Comic „Maus“: Es darf nicht weh tun

Wir kennen den Spott, mit dem sogenannte Helikopter-Eltern verspottet werden. Auch das Wehklagen einer liebevoll überschütteten, verwöhnten und alles andere als unverwüstlichen Generation – „Snowfalke“ – ist nichts Neues. Die Tendenz, Kinder vor den unvermeidlich gefährlichen, dunklen Ecken dieser Welt zu schützen, erinnert uns täglich an die latenten Grausamkeiten, die irgendwo unter einer konsumorientierten Oberfläche schlummern. „Besitz ist Diebstahl“, sagte Proudhon. Und wer nun Proudhon mit Hilfe seines eigenen Besitzes lesen will, eignet sich ihn an.

US-Schulbehörde verbietet „Maus“ wegen Obszönität

Die Debatte um den „Maus“-Comic des Künstlers Art Spiegelman verdeutlicht einmal mehr unseren Drang, eine zerbrechliche Welt als verklebte Plastikversion ihrer selbst darzustellen. Getreu dem Motto: Es ist marode, zersplittert und giftig; aber schau, was wir damit machen können. Der Künstler selbst spricht mit Sorge von wachsendem Zensurdruck aufschlussreich Bücher in den USA sind jetzt gesperrt.

Vor etwa einem Monat hat die US-Schulbehörde für McMinn County (in Tennessee) Art Spiegelmans Holocaust-Comic „Mouse“ aus dem Lehrplan gestrichen. Als Grund wurde angegeben: „unnötige Verwendung von Obszönität und Nacktheit“ sowie die „Darstellung von Gewalt und Selbstmord“. Am Thema Holocaust ist grundsätzlich nichts auszusetzen, aber die im Comic verwendete Sprache ist nicht für Achtklässler geeignet.

Spiegelman war dabei erzählt in seinem 1992 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Weltbestseller die Leidensgeschichte seiner Eltern, die den Holocaust überlebten. Die Juden werden als Mäuse dargestellt, die Nazis als Katzen, eine Illustration, die in ihrer Klarheit zu offensichtlich ist erschreckend, eine grobe Übersetzung, die auf die Barbarei und Banalität des Bösen aufblitzt.

„Maus“ auf Platz 1 der Bestsellerliste

In den USA gab es das schon erbittert Reaktionen auf die Entscheidung der Behörde, wie sie unter anderem der aktuellen Amazon-Bestsellerliste entnommen werden können. Dort stürmte Art Spiegelmans Comic in kürzester Zeit auf Platz 1. Auch Comic-Händler reagierten verwundert und kündigten an Schülern weiterhin ermöglichen möchten, Spiegelmans Comic zu lesen. Der Künstler und Autor Ryan T. Higgins veröffentlichte einen Beitrag auf Twitter, in dem er bis zu 100 Exemplare von „Mouse“ anbot. Familien an McMinn zu spenden. Seitdem klingelt sein Telefon ununterbrochen, sagte Higgins gegenüber CNN.

Reaktionen, dass man mit solch einer absurden Argumentation kann nur zu gut nachvollziehen. Unweigerlich stellt sich die Frage, warum – vergleichsweise harmlos – Ausdrücke wie „verdammt“ die Konfrontation mit den Gräueltaten des Holocaust verhindern soll?