Betrug mit Maske bei Führerscheinprüfungen

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Masken sollen Viren schützen und abwehren. In der Tat. Aber hin und wieder dienen sie auch anderen Zwecken. Denn auf dem Weg zum lang ersehnten Führerschein sind einige Prüflinge durchaus kreativ und manipulieren für den Theorieteil ihre vorgeschriebene FFP2-Maske mit einer versteckten Minikamera.

„Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Marcellus Kaup vom TÜV Süd. „Und es ist kaum zu glauben, welche Mühe es kostet, so eine Prüfung zu bestehen.“

Pandemie macht es möglich

Es wurde immer versucht, auf die eine oder andere Weise illegal einen Führerschein zu machen und sich ans Steuer zu setzen. „Aber für diese Leute, die nicht lernen wollen oder zu viel Geld haben, ist die Pandemie zumindest bei der Prüfung eigentlich ein Vorteil“, sagt der Leiter der Technischen TÜV-Prüfstelle Baden-Württemberg in Filderstadt nahe Stuttgart.

Sein Kollege vom TÜV Rheinland kennt die Masche nur zu gut: Im vergangenen Jahr entdeckten die Experten in Rheinland-Pfalz 134 Prüflinge, ein Jahr zuvor waren es nach TÜV-Angaben 96 gewesen. Auch beim TÜV Nord ist die Zahl gestiegen.

Wie viele Jahr für Jahr mit Kamerabetrug davonkommen, ist allerdings schwer einzuschätzen: „Die Prüfer sind mittlerweile darin geschult, aber 100-prozentigen Erfolg gibt es sicher nicht. Weder bei uns noch bei den Schummeln in den Prüfungen“, sagt Kau

Die Prüfung kann in elf Sprachen abgelegt werden

Der Fahrlehrerverband Baden-Württemberg ist sich sicher, dass die Nachfrage groß ist. „Der Markt scheint riesig zu sein“, sagt Verbandschef Jochen Klima. Auch aus seiner Sicht ist es weniger die sprachliche Hürde im Test, die zum Schummeln animiert: „Man kann den Test in elf Fremdsprachen machen, darunter auch Hocharabisch“, sagt Klima.

Schummeln statt Büffeln hat durchaus seinen Preis: Kaup schätzt, dass sich Probanden eine in die Maske eingenähte Kamera für gut 1.000 bis 2.000 Euro von Dating-Sites oder den illegalen Ecken des Internets ausleihen können – inklusive des Komplizen. Er sitzt meist im Auto vor der Fahrschule und liest die Fragen auf dem Prüfungsbogen über das Kamerabild auf dem Laptop vor. Wenn der Anruf „Kamera aus, Ton an“ lautet, flüstert er die richtigen Antworten durch einen kaum sichtbaren Kopfhörer, der dem Führerscheinkandidaten ins Ohr gesteckt wird.

Auch Kamerasets werden online zu deutlich günstigeren Preisen angeboten, inklusive Anleitung zum Cheaten. „Probleme mit der Klausur und der Abgabetermin rückt näher?“ ist unter anderem die Werbung für das Hightech-Kameraset eines Anbieters aus Essen. Die kabellosen Spionagekopfhörer sind kleiner als ein 1-Cent-Stück.

Andere Betrüger arbeiten laut TÜV bereits mit Impulsen, die auf Oberschenkel oder Bauch übertragen werden, wenn der Prüfling die Computermaus über die richtige Antwort bewegt. „Es gibt sogar Fälle, in denen versucht wird, die Prüfsoftware zu hacken“, sagt TÜV-Experte Kaup. Nach bestandener Prüfung wird die Gebühr bezahlt und man geht wieder getrennte Wege.

„Es gibt richtige Banden, die das organisieren“, berichtet Kaup. „Du kaufst den Betrug als Paket.“ Auch Sicherheitsbehörden sprechen von einem „Rundum-Service“ organisierter Banden.

Alter Betrug

Auch der Betrug mit einer Kamera bei der Führerscheinprüfung ist nicht neu. „Früher war es die Knopfkamera, jetzt ist es die FFP2-Maske. Was kommt als nächstes?“ Sagt ein Sprecher der TÜV Rheinland. Berüchtigt sind auch Kameras in Brillenfassungen, Krawatten und Haarspangen.

Aber nicht nur die Betrüger sind kreativ, auch die Prüfer lassen sich etwas einfallen. Sie setzen unter anderem Detektoren ein, um die verbotene Technologie aufzuspüren. Zudem sensibilisiert der TÜV seine Prüfer, auf auffälliges Verhalten der Fahrschüler zu achten.

Aber die Kamera muss noch entdeckt werden – und das ist kompliziert. Denn auch in einem solchen – noch vergleichsweise seltenen – Fall darf der Prüfer niemanden durchsuchen. Die Hintermänner sind sowieso über den Bergen. Und ein entlarvter Kandidat hat nicht viel zu befürchten: Seine Handlungen sind weder strafbar noch ordnungswidrig.

Nach aktueller Rechtslage darf er die Prüfung sechs Wochen später nach Genehmigung durch die Fahrerlaubnisbehörde erneut versuchen. „Völlig unzureichend“, ein „Sicherheitsrisiko“, klagt der Fahrlehrerverband.

Wer erwischt wird, wird gesperrt

Allerdings hat der Bundesrat erst kürzlich ein Gesetz verabschiedet, wonach erwischte Fahrschüler für bis zu neun Monate von einer erneuten Prüfung ausgeschlossen werden können. „Wir begrüßen, dass in der Verordnung nun ausdrücklich eine mögliche Sperrfrist von neun Monaten erwähnt wird“, sagt Marc-Philipp Waschke vom TÜV-Dachverband. Behörden müssten nun den Spielraum konsequent ausnutzen und bei der Verhängung einer Sperrfrist auch berücksichtigen, wie schwierig die Täuschung war.

Allerdings bemängelt Waschke eine Lücke im Gesetzentwurf: „Wegen Täuschung verurteilte Antragsteller können die verhängte Sperrfrist problemlos umgehen, indem sie einen neuen Antrag bei einer anderen Behörde stellen“, erklärt er.

Ob ein Fahrerlaubniskandidat tatsächlich geeignet ist, wird aus seiner Sicht selten geprüft: „In vielen Fällen stellt sich die Frage, ob die Person überhaupt die notwendige Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs hat.“ Davon müssen wir ausgehen.“ dass Fahranfänger bei Prüfungen schummeln, wichtige Verkehrsregeln nicht kennen und die Regeln bewusst missachten.“

Dennoch scheint Schummeln für einige der erfolgversprechendste Weg zum Führerschein zu bleiben: Laut Kraftfahrt-Bundesamt ist 2020 jede dritte der bundesweit 1,7 Millionen Theorieprüfungen durchgefallen.

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dpa