Asthma, Übergewicht, Depressionen: Kinder und Jugendliche gehören zu den ersten, die unter den medizinischen Folgen des Klimawandels leiden. Dies ist nun das Thema der „Gaissacher Tage“ in der Fachklinik.
Gaißach – Der Klimawandel bedroht die Gesundheit der Menschen – und Kinder gehören zu den ersten Leidtragenden. Sie sind besonders gefährdet, wenn sie chronisch krank sind. Ab Freitag, 25. März, machen die „Gaißacher Tage“ auf diese Problematik aufmerksam. Die 33. Auflage des traditionsreichen Weiterbildungslehrgangs der über die deutschen Grenzen hinaus bekannten Fachklinik in Gaißach findet als reine Online-Veranstaltung statt. Erwartet werden bis zu 150 Teilnehmer aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ärzte, Psychologen, Pflegekräfte und Studenten sind dabei, aber auch interessierte Laien können sich anmelden. Im Kurier-Interview erklärt Prof. Edda Weimann, Ärztliche Direktorin der Fachklinik, warum die Erderwärmung Krankheiten wie Übergewicht, Asthma und Diabetes fördert.
Kinder gehören zu den ersten Leidtragenden des Klimawandels
Herr Prof. Weimann, warum wurde dieses Jahr das Thema „Klima und Gesundheit“ für die „Gaißacher Tage“ gewählt?
Wer nicht völlig blind und taub durch die Welt läuft, muss sich darüber im Klaren sein, dass uns in Sachen Klimawandel die Zeit davonläuft. Im Weltklimabericht vom 28. Februar spricht der UN-Generalsekretär deutlich die „kriminelle“ Untätigkeit der Weltgemeinschaft an. Besorgniserregende Temperaturrekorde in der Antarktis sind ein weiterer Weckruf zum Handeln. Kinder und chronisch Kranke gehören zu den ersten, die vom Klimawandel betroffen sind. Deshalb war dies für uns als Reha-Klinik für Kinder und Jugendliche eines der wichtigsten Themen der letzten Jahre. Zusammen mit drei Kollegen habe ich ein Rahmenwerk für klimaneutrale Krankenhäuser auf den Weg gebracht, das im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde. Wir bekommen immer wieder Anfragen zu dem Thema und wollen es deshalb auf den „Gaißacher Tagen“ auf breiter Basis diskutieren.
Leiter der Fachklinik Gaißach warnt: Kinder bewegen sich wegen der Erderwärmung weniger
Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Gesundheit von Kindern aus?
Krankhaftes Übergewicht, psychische Erkrankungen, Asthma und andere chronische Lungenerkrankungen: All dies wird durch den Klimawandel angeheizt und nimmt bereits jetzt rasant zu. Ein Zusammenhang: Wenn die Temperatur deutlich über 30 Grad liegt, gehen die Kinder nicht mehr gerne nach draußen – und man muss aufpassen, dass die Kinder nicht austrocknen, insbesondere Kinder mit Diabetes. Dadurch bewegen sich Kinder weniger und sitzen mehr vor Computer und Smartphone. Das wiederum bedeutet, dass sie weniger Kontakt zu anderen Kindern haben. Wir sehen jetzt die Folgen der Covid-Pandemie. Wir haben die Kinder und Jugendlichen in unserer Klinik gefragt, wie viel Zeit sie an Computern und Smartphones verbringen. Das sind manchmal acht bis zehn oder sogar zwölf Stunden am Tag.
Prof. Weimann: Durch den Klimawandel wird es mehr Pandemien geben
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Corona und dem Klimawandel?
Jawohl. Mit der sogenannten Zivilisation dringen Menschen immer weiter in bisher unbewohnte Regionen vor, zum Beispiel durch Abholzung. Die Biodiversität geht zurück, die Lebensräume vieler Wildtierarten schrumpfen – all das bildet mit dem Klimawandel eine Spirale und führt dazu, dass sich Viren von Wildtieren auf den Menschen ausbreiten und Pandemien auslösen können. Dazu gehört Covid. Pandemien werden durch den Klimawandel zunehmen.
Sie sagen, Atemwegserkrankungen seien auch eine der Folgen des Klimawandels. Inwiefern?
Wir können bereits sehen, dass wir aufgrund der wärmeren Temperaturen bei vielen Pflanzenarten längere Blütezeiten haben. Außerdem siedeln sich in unseren Breiten Pflanzen an, die hier vorher nicht heimisch waren. Beides erhöht die Belastung für Allergiker. Zudem ist deutlich zu erkennen, dass Autoabgase nicht nur das Klima schädigen, sondern auch zu Zellschäden führen und Atemwegserkrankungen auslösen. Ein Gerichtsurteil in London im vergangenen Jahr bestätigte, dass der Tod eines an Asthma erkrankten Mädchens auf die Luftverschmutzung an einer stark befahrenen Straße zurückzuführen war. All dies zeigt, was mit dem Schlagwort „Planetary Health“ gemeint ist: Wir können nur gesund sein, wenn unsere Erde auch gesund ist.
Die Fachklinik Gaißach will klimaneutral werden
Was kann getan werden, um den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken?
Immer wieder sind zu wenige Fakten zum Thema bekannt. Über den Klimawandel wird viel geredet, doch letztlich ist Nachhaltigkeit oft noch ein Nischenthema. Hier müssen sich viele Denkweisen ändern. Dieses Wissen vermittle ich zum Beispiel in Universitätsvorlesungen. Dieses Thema ist nun auch für Prüfungen an Hochschulen relevant. Ich gebe es auch an Eltern in Vorträgen und an Kinder in Workshops weiter.
Auch die Fachklinik in Gaißach legt großen Wert darauf, den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu reduzieren. Wie genau passiert das?
Bis 2030 sollen alle Kliniken der Deutschen Rentenversicherung klimaneutral werden. Da gibt es viel zu tun, und wir packen es konsequent an. Wir treffen uns einmal im Monat in einer interdisziplinären „Zero Emission“-Gruppe, die alle von der Ärzteschaft bis zur kaufmännischen Seite einbezieht. Mit fast 70 Prozent spielen die Lieferketten die größte Rolle beim Ausstoß von Treibhausgasen in Krankenhäusern. Deshalb legen wir großen Wert darauf, regional und saisonal zu bestellen. Außerdem haben wir in der Klinik einen fleischfreien Tag eingeführt. Dies hat positive Auswirkungen auf den Klimaschutz und die Gesundheit von Patienten und Mitarbeitern. In einem Audit untersuchen wir gemeinsam mit dem europäischen Netzwerk Global Green and Healthy Hospitals, welcher Plastikmüll in der Fachklinik anfällt und was wir reduzieren können.
„Gaissacher Tage“ am 25. und 26. März 2022
Das Programm der Fachtagung am Freitag, 25. März und Samstag, 26. März, finden Sie im Internet unter www.fachklinik-gaissach.com. Dort können sich Interessenten auch anmelden (Unterpunkt „Aktuelles“).
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