FC Bayern München in der Bundesliga 1:1 gegen Bayer Leverkusen

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EINm zehnten Tag, an dem russische Panzer durch die Ukraine rollen, russische Raketen durch die Ukraine fliegen, russische Soldaten in der Ukraine töten, stehen 25.000 Menschen vor ihren Plätzen in der Münchner Fußballarena und schweigen. Als „Zeichen der Solidarität“, sagt der Stadionsprecher. In diesem Moment können Sie die Nationalfarben der Ukraine sehen: Blau und Gelb. Auf den Bildschirmen. Auf den Werbetafeln. Auf den Aufwärmtrikots der Spieler des FC Bayern. Sie stellten sich mit den Spielern von Bayer Leverkusen und den Schiedsrichtern um den Mittelkreis auf. Darin befindet sich ein Banner mit der Aufschrift: „End the war“.

Es ist Samstag, 15.28 Uhr, als der russische Angriffskrieg in der Ukraine im Mittelpunkt steht, bevor das Bundesliga-Topspiel in München anpfiff, wo Menschen bestenfalls um ihr Leben fürchten, schlimmstenfalls ihr Leben verlieren. Aus dieser Sicht kann es nur unerheblich sein, dass der FC Bayern damals 1:1 gegen Leverkusen gespielt hat, dass man nun in der Tabelle neun Punkte vor Borussia Dortmund liegt (das BVB-Spiel wurde wegen eines Covid-19-Ausbruchs in Mainz verlegt ). Und doch konnte man am Samstag sehen, was so ein Bundesligaspiel bewirken kann. Es gab den 25.000 Menschen im Stadion und vermutlich auch den Zuschauern im Fernsehen die Möglichkeit, sich über so etwas Triviales wie einen Pass oder einen Pfiff aufzuregen. Es gab ihnen das Privileg, den Wahnsinn der Welt für mindestens 90 Minuten auszublenden.

Und so zum Unbedeutenden.

Gerardo Seoane, Trainer des Tabellendritten Leverkusen, setzt am 25. Spieltag der Fußball-Bundesliga auf eine Fünfer-Abwehr. Er setzt Jeremie Frimpong, Edmond Tapsoba, Jonathan Tah, Piero Hincapié und Mitchel Bakker ein. Und das, obwohl sein Team davor in 24 Spielen 63 Tore erzielte. In München setzt Seoane aber auf Sicherheit – und sieht trotzdem, dass einer seiner Spieler die erste Torchance hat. In der achten Minute schießt Amine Adli den Ball, den Jamal Musiala im eigenen Strafraum verloren hat, knapp am Tor vorbei. Danach dominieren jedoch die Bayern. Sie stürmen mit Serge Gnabry und Kingsley Coman, mit Robert Lewandowski und Thomas Müller, der erstmals seit seiner Corona-Infektion wieder spielt – und sein Team in der 16. Minute am Tor hinderte. Er läuft in den Ball, den Lewandowski gerade erst vor die unbewachte Torlinie getreten hat. Oder läuft der Ball in ihn hinein? Tatsächlich ist Müller ein Meister darin, die selbst für Profifußballer unergründlichen Bahnen des Balls vorherzusagen und diesen Ball dann in die richtige Richtung zu lenken. Nun lenkt er ihn versehentlich ins falsche und damit am leeren Tor vorbei. Zwei Minuten später ist der Ball drin. Ecke, Chaos im Strafraum, Schuss von Innenverteidiger Niklas Süle – 1:0.

Schweigeminute vor dem Spiel in München


Schweigeminute vor dem Spiel in München
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Bild: EPA

„Wir haben 30 Minuten gebraucht, um uns an das neue System zu gewöhnen“, sagt Seoane später. „Sehr gute Kontrolle“, sagt Bayern-Trainer Julian Nagelsmann. Sein Team dominiert das Spiel. Bis Thomas Müller in der 36. Minute zum zweiten Mal in den Ball lief. Oder genauer gesagt: Sprünge. Im eigenen Strafraum streckt er unnötigerweise das Bein zum Ball – und lenkt ihn an Torhüter Sven Ulreich vorbei, der erneut für den verletzten Manuel Neuer einspringt und in dieser Szene bereits sein Tor verlassen hat, um den Ball zu fangen. Es ist Müllers erstes Eigentor als Profi. Der Stadionsprecher sagt: „Manchmal hat man Pech.“

War es die Kommunikation?  Münchens Thomas Müller und Torhüter Sven Ulreich (l.) haben nach dem Eigentor viel Gesprächsstoff.


War es die Kommunikation? Münchens Thomas Müller und Torhüter Sven Ulreich (l.) haben nach dem Eigentor viel Gesprächsstoff.
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Bild: dpa

Doch vor der Pause haben die Bayern meistens Glück. In der 42. Minute, als Adli einen Pass von Dayout Upamecano abfing und den Pfosten traf. In der 43. Minute, als Adli alleine vor Ulreich das Tor verfehlte (auch wenn es im Abseits gestanden hätte). In der 45. Minute, als Charles Aránguiz den Ball aus sieben Metern nicht an Ulreich vorbeibringen konnte. Es sind Minuten des Sportspektakels, Minuten der Zerstreuung.

In der zweiten Halbzeit ist das Spektakel weniger. Der eingewechselte Marcel Sabitzer fällt für die Münchner an Torhüter Lukas Hradecky aus (62.). Für Leverkusen scheitert Frimpong an Ulreich (87.). Das ist es. 1:1 Die Fans strömen aus dem Stadion – zurück in die vom Wahnsinn des russischen Präsidenten unterdrückte Welt. In die Welt, über die Julian Nagelsmann am Tag vor dem Spiel sagte: „Es ist eigentlich nicht die Zeit für Unterhaltung.“