Geschichte – Köln – Museum muss den Verkäufer der Schabowski-Note offenlegen – Wissen

Startseite » Geschichte – Köln – Museum muss den Verkäufer der Schabowski-Note offenlegen – Wissen
Geschichte – Köln – Museum muss den Verkäufer der Schabowski-Note offenlegen – Wissen

Köln (dpa) – Das Haus der Geschichte muss der Presse den Namen des Verkäufers des sogenannten Schabowski-Scheins nennen. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln am Dienstag und gab damit der Klage eines „Bild“-Journalisten teilweise statt. Es geht um die handschriftliche Notiz des SED-Politbüromitglieds Günter Schabowski (1929-2015) von seiner historischen Pressekonferenz am 9. November 1989, die zum Fall der Berliner Mauer führte.

Gegen das Urteil können die Beteiligten beim Oberverwaltungsgericht Münster die Zulassung der Revision beantragen. Man prüfe, ob weitere rechtliche Schritte möglich seien, sagte der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte, Harald Biermann. Der Ankauf des Schabowski-Scheins war legal: „Wir wollen den Zettel als herausragendes Dokument des Mauerfalls auch weiterhin in unserer Dauerausstellung hier in Bonn der Öffentlichkeit präsentieren“, sagt Biermann.

Das Haus der Geschichte kaufte den Schein 2015 für 25.000 Euro. Der „Bild“-Journalist wollte wissen, von wem das Museum das Dokument gekauft habe. Doch das Haus der Geschichte verweigerte die Auskunft mit der Begründung, dem Verkäufer sei Anonymität zugesichert worden.

In diesem Fall gab es einen sogenannten Erstverkäufer, der die Note an einen Zweitverkäufer verkauft hatte, der sie wiederum an das Haus der Geschichte verkaufte. Der erste Verkäufer bestand nicht auf Anonymität, der zweite Verkäufer schon. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts muss das Haus der Pressegeschichte beide Namen nennen. Der Journalist wollte auch über den Wortlaut der Vereinbarung mit dem Zweitverkäufer informiert werden, was das Gericht jedoch ablehnte, weil es nicht vom Auskunftsrecht der Presse gedeckt sei.

Bei den Namen wertete das Gericht das Interesse der Presse als wichtiger als die Interessen des Zweitverkäufers. Der Vorsitzende Richter Sebastian von Aswege erklärte in der Verhandlung, das Haus der Geschichte sei keine Behörde, die „absolut auf geheimes Handeln angewiesen“ sei. Vielmehr unterliegt das Museum im Umgang mit öffentlichen Mitteln Transparenz- und Rechenschaftspflichten.

Vertreter des Hauses der Geschichte hingegen erklärten den Richtern, wenn sie die Anonymität künftig nicht mehr gewährleisten könnten, könnten viele Ankäufe nicht mehr zustande kommen. Es gibt immer Verkäufer, die nicht an die Öffentlichkeit gehen wollen. Ohne die garantierte Anonymität hätte der Ankauf des Schabowski-Scheins laut Museumsvertretern höchstwahrscheinlich nicht funktioniert. Dann wäre das zentrale Dokument der Wiedervereinigung womöglich in einer Privatsammlung verschwunden und für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik verloren.

Schabowskis Ehefrau Irina sagte der Deutschen Presse-Agentur 2015 kurz nach Bekanntgabe des Kaufs: „Das ist der kaltblütige Verkauf eines Diebesguts.“ Anfang der 1990er-Jahre gab die Familie einige Dokumente, darunter auch den Zettel, an Bekannte weiter, die sich das genauer ansehen wollten. Trotz wiederholter Aufforderung wurden die Papiere nicht zurückgegeben.

Der Schabowski-Zettel ist ein sehr dünnes, liniertes Blatt Papier, das mit schwarzem Kugelschreiber von oben nach unten kritzelt und hier und da rot unterstrichen ist. Entziffert werden können zum Beispiel die Worte: „Lesen Sie den Text der Reiseordnung vor“. Das war eine am selben Tag erlassene Verordnung, nach der DDR-Bürger künftig in den Westen reisen dürfen sollen. Allerdings hatte sich die SED-Führung vorgestellt, dass diese Fahrten nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein und erst ab dem nächsten Tag beantragt werden könnten.

Die Reisen in den Westen sollten vielleicht vor Weihnachten beginnen, aber sicher nicht in derselben Nacht. All das hat Schabowski verpasst, weil er bei dem Treffen gar nicht dabei war. Und so antwortete er an diesem Abend auf die Frage eines italienischen Journalisten, wann die neue Regelung gelten würde: „Soweit ich weiß, gilt sie sofort, ohne Verzögerung.“ Dies führte innerhalb weniger Stunden zum Fall der Berliner Mauer.

© dpa-infocom, dpa:220215-99-137634/6