Gestern im Free-TV: charmante Abrechnung mit der Popmaschine – Unterhaltung

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Der britische Superstar Ed Sheeran (r.) spielt sich in „Yesterday“ selbst – und zielt auf sich selbst. Foto: © Jonathan Prime/Universal Pictures


Plötzlich sind die Beatles vergessen und nur noch ein Mann kann sich an ihre Hits erinnern. Die Handlung von „Yesterday“ (zu Recht) klingt etwas künstlich, aber liebenswert ist der Streifen, der am 6. März seine Free-TV-Premiere feiert, trotzdem.

„Ein Leben ohne Mops ist möglich – aber sinnlos“, dachte einst Comedy-Legende Loriot (1923-2011). Ähnlich sah es Danny Boyle (65) in seinem Film „Yesterday“, der am 6. März auf RTL (20.15 Uhr) erstmals im Free-TV zu sehen ist, in Bezug auf besonders musikalische Käfer. Was wäre eine Welt ohne die berühmteste Band aller Zeiten, die Beatles? Seine Komödie geht diesem Gedankenspiel fantasievoll und charmant auf den Grund – und das trotz der bis zur letzten Sekunde weit hergeholten Story.

Auf den Pilzkopf fallen

Jack Malik (Himesh Patel, 31) ist ein talentierter Musiker. Leider scheint das außer seiner besten Freundin/Managerin Ellie (Lily James, 32) niemandem klar zu sein, und so irrt er immer desillusionierter durch Fußgängerzonen und Kneipen. Als er die Chance bekommt, auf einem Festival aufzutreten, aber nur auf einer abgelegenen Mini-Bühne vor drei Kindern und ebenso vielen seiner Kumpels spielt, steht sein Entschluss fest: Sehr zu Ellies Entsetzen will er seine Gitarre aufgeben und seine musikalischen Ambitionen hängen. Aber alles andere kommt.

Eines Nachts, als er mit seinem Fahrrad unterwegs ist, wird die ganze Welt Zeuge eines plötzlichen, mysteriösen Stromausfalls. Jacks Pechsträhne geht weiter und gerade als der Stromausfall die kleine britische Hafenstadt Lowestoft erreicht, in der er lebt, wird er von einem Bus angefahren. Während er bei dem Vorfall nur zwei Zähne verlor, verliert die gesamte Weltbevölkerung etwas viel Wichtigeres – die Erinnerung an die Beatles und all ihre Hits. Jack glaubt zunächst noch, dass seine Freunde einen schlechten Witz machen, als keiner von ihnen den Song „Yesterday“ wissen will, doch nach einer kurzen Google-Suche stellt er schnell fest, dass niemand mehr John, Paul, George und Ringo kennt. Seine Chance, mit den Hits der Beatles eine Weltkarriere zu starten…

Aller Anfang ist schwer

Bereits die Inhaltsangabe macht deutlich, dass der Zuschauer gleich zu Beginn aufgefordert wird, die ungeheuerliche Prämisse des Films zu akzeptieren – ohne zu viele der offensichtlichen Fragen zu stellen. Die Handlung von „Yesterday“ wirkt ähnlich konstruiert wie die von Ricky Gervais (60) Film „Lügen macht erventisch“ (2009), in dem außer der Hauptfigur Mark (Gervais) niemand die Unwahrheit sagen kann. Aber es gibt einen großen Unterschied.

Im Gegensatz zur Komödie von 2009 schaffen es Boyle und Drehbuchautor Richard Curtis (65), die Idee über zwei Stunden lang zu tragen und mit „Yesterday“ bis zum Ende zu retten. Was natürlich auch mit ihrem musikalischen Fingerspitzengefühl zu tun hat, einen Plot ersonnen zu haben, der es ermöglicht, alle Beatles-Hits wirklich zu verderben. Hobby-Pilzköpfen ist das ziemlich egal und so dürfen sie sich immer wieder über einen kultigen Song freuen, den sich Songwriter-Genie Jack gerade „ausgedacht“ hat. Zumal es auch um eine interessante Frage geht, die von der heutigen Popindustrie kritisch gesehen wird…



Übertriebene Aussage

Würde die moderne Musikmaschine es den Beatles überhaupt ermöglichen, den Nimbus zu erreichen, der sie bis heute auszeichnet? Nach seinem Durchbruch muss Jack früh feststellen, dass eine Karriere im Musikgeschäft heutzutage mit Dutzenden von Imageberatern, Stylisten, Werbedeals und Scheinwelten einhergeht. Niemand interessiert sich für eine Platte mit dem kryptischen Namen „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ – zu viele Zeichen für Twitter. Und statt „Hey Jude“ wäre der Songtitel „Hey Dude“ viel besser.

In der Person von Jacks neuer Managerin Mandi (Kate McKinnon, 38) wird die Kritik am heutigen Reißbrettruhm besonders deutlich, fast schon karikiert. Natürlich sieht sie nur die Dollarzeichen auf ihrem neuesten Esel und würde ihre eigene Großmutter für einen Masala Chai Latte verkaufen. Es hätte den Zwölf etwas weniger angetan, wirft aber ein interessantes Licht auf einen modernen Superstar: Ed Sheeran (31).

Charmant und selbstironisch

Er spielt sich in „Yesterday“ selbst, vielleicht nicht Oscar-würdig, aber äußerst charmant und selbstironisch. Auch er wird wie Jack von Raffzahn Mandi gemanagt und hat als Handy-Klingelton einen Hit. Wenig latent scheint sich Sheeran auch mit „Yesterday“ auf eine längst vergangene Zeit zu freuen, in der ein Musiker einfach nur Musiker sein konnte – und nicht eine Marke, die durch tausend Richtungen mit der besten Marketingstrategie angespornt wurde.

Apropos charmant: Das lässt sich über den gesamten Film sagen. Das liegt an der vielleicht witzigsten Google-Suche aller Zeiten und daran, dass Haupt- und Nebenfiguren bis auf den erwähnten Mandi allesamt keinen Schaden zufügen. Besonders die liebenswerten Charaktere von Himesh Patel und Lily James haben eine tolle Chemie miteinander und wachsen einem ans Herz. Dazu kommen Genre-Klischees wie das ständige „einfach nur vermissen“ oder „in letzter Sekunde gestört werden“.

Fazit:

Die Musik der Fab Four ist daheim noch auf Dauerrotation? Dann rein in die Chelsea-Stiefel, den Pilzkopf abschneiden und „Yesterday“ anmachen. Für Fans der Beatles ist der Film ein Muss, für alle anderen ist es eine bezaubernde romantische Komödie mit fabelhafter Musik. Wer sich auf die übersinnliche Handlung des Films einlässt, darf sich auf zwei Stunden Wohlfühl-Unterhaltung freuen. Ohrwurmgarantie am Ende: „Ob-la-di, ob-la-da, life goes on, bra, la-la, how the life goes on!“