Gesundheit: 1,2 Millionen Todesfälle durch Antibiotikaresistenz im Jahr 2019

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Gesundheit: 1,2 Millionen Todesfälle durch Antibiotikaresistenz im Jahr 2019

Gesundheit
1,2 Millionen Todesfälle aufgrund von Antibiotikaresistenzen im Jahr 2019

Eine Petrischale mit MRSA-Keimen. (Archivbild) Foto: Armin Weigel/dpa

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Wenn Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, können ansonsten harmlose Infektionen tödlich werden. Eine internationale Expertengruppe versucht, das Ausmaß des Problems zu beziffern.

Einer Schätzung zufolge starben im Jahr 2019 weltweit mehr als 1,2 Millionen Menschen direkt an einer Infektion mit einem antibiotikaresistenten Erreger.

Bei fast fünf Millionen Todesfällen war eine solche Infektion zumindest mitverantwortlich für den Tod, berichtet eine internationale Expertengruppe im Fachmagazin „The Lancet“. Antibiotikaresistenz ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit.

Die Forscher hatten Daten für 2019 aus Fachliteratur, Krankenhausdatenbanken, Überwachungssystemen und anderen Quellen zusammengetragen und analysiert. Mittels statistischer Modellierung sagten die Wissenschaftler die Krankheitslast für verschiedene Regionen voraus, auch für solche, für die keine Daten verfügbar waren. Es gibt bereits Studien zu einzelnen Regionen, bestimmten Erregern oder einzelnen Antibiotika. Die vorliegende Analyse ist die bislang umfassendste. Insgesamt untersuchten die Forscher 204 Länder und Regionen, 23 krankheitserregende Bakterien und 88 Kombinationen aus Bakterien und Antibiotika.

Todesfälle ohne Widerstand vermeidbar

Mediziner sprechen in der Regel von Antibiotikaresistenz, wenn Patienten auf ein Antibiotikum nicht ansprechen, also wenn die krankheitserregenden Bakterien nicht durch das Antibiotikum zerstört werden – anders als erhofft.

Laut der Studie wurden 4,95 Millionen Todesfälle mit einer antibiotikaresistenten bakteriellen Infektion in Verbindung gebracht, auch wenn die direkte Todesursache möglicherweise eine andere war. 1,27 Millionen Menschen starben direkt an einer Infektion mit einem resistenten Bakterium – ohne Resistenz waren diese Todesfälle also vermeidbar. Zum Vergleich: 2020 starben schätzungsweise 680.000 Menschen an HIV/AIDS und 627.000 an Malaria.

Resistenzprobleme traten daher besonders häufig bei Infektionen der unteren Atemwege auf, etwa bei Lungenentzündungen. Diese allein verursachten 400.000 Todesfälle. Besonders viele Menschen starben an den Folgen einer Blutvergiftung und einer Blinddarmentzündung, weil die Infektion wegen resistenter Erreger nicht mit Antibiotika bekämpft werden konnte.

Gefürchteter Krankenhauskeim MRSA

Zu den Keimen, die am häufigsten Resistenzprobleme verursachten, gehörten Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und Streptococcus pneumoniae. Allein der gefürchtete Krankenhauskeim MRSA – Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus – verursachte 100.000 Todesfälle.

Am stärksten betroffen waren der Studie zufolge Länder im westlichen Subsahara-Afrika. Auf 100.000 Menschen kamen dort knapp 24 Todesfälle, die direkt auf eine Infektion mit einem resistenten Erreger zurückgeführt werden konnten. In reichen Ländern lag die Rate bei 13 Todesfällen pro 100.000 Einwohner. Kinder unter fünf Jahren sind am stärksten gefährdet.

„Diese neuen Daten zeigen das wahre Ausmaß des weltweiten Problems der Antibiotikaresistenz und sind ein klares Signal, dass wir jetzt handeln müssen“, sagte Co-Autor Chris Murray von der University of Washington laut einer Erklärung der Zeitschrift. „Wir müssen diese Daten nutzen, um den Kurs zu korrigieren und Innovationen voranzutreiben, wenn wir im Wettlauf gegen Antibiotikaresistenzen an der Spitze bleiben wollen.“

Ziel: Infektionen vermeiden

Ziel muss es sein, Infektionen durch verbesserte Hygiene oder Impfungen möglichst zu vermeiden. Darüber hinaus muss der unsachgemäße Einsatz von Antibiotika – etwa Virusinfektionen, die nicht auf Antibiotika ansprechen – reduziert werden. Neue Antibiotika müssten entwickelt und auf den Markt gebracht werden.

Als Schwächen ihrer Studie nennen die Forscher die begrenzte Verfügbarkeit von Daten in einigen Teilen der Welt und die unterschiedlichen Quellen für die Daten, was zu Verzerrungen führen kann.

In einem Kommentar zur Studie bezeichnet Ramanan Laxminarayan vom Center for Disease Dynamics das Problem der Antibiotikaresistenz als „übersehene Pandemie“. Obwohl an solchen Infektionen viel mehr Menschen sterben würden als beispielsweise an HIV, flossen weit mehr Spenden in den Kampf gegen HIV und AIDS. Das muss sich ändern. „Aus einem unerkannten und verborgenen Problem zeichnet sich endlich ein klareres Bild der Belastung durch Antibiotikaresistenzen ab.“

dpa