Greifswald (dpa/mv) – Der Greifswalder Bioinformatiker Lars Kaderali befürchtet, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern künftig wieder mehr ältere Menschen mit dem Coronavirus infizieren werden. Insbesondere die Sieben-Tage-Inzidenz bei Menschen über 80 sei im Vergleich zu anderen Altersgruppen seit Jahresbeginn deutlich gestiegen, sagte der Experte der Deutschen Presse-Agentur. „Das beunruhigt mich ein wenig.“
Dies sei laut Kaderali besonders problematisch, weil in den älteren Bevölkerungsgruppen die Auffrischungsimpfung schon länger her sei und es auch einen Bevölkerungsteil gebe, der gar nicht geimpft sei. „Das sind die Klienten, die ein hohes Risiko haben, wieder auf den Intensivstationen zu landen, wenn der Anstieg der Infektionszahlen so weitergeht wie bisher.“
Kaderali geht davon aus, dass sich Deutschland bereits in einer neuen, sechsten Corona-Welle befindet. „Das liegt vor allem daran, dass der Omicron-Subtyp BA.2 noch ansteckender ist als die ursprüngliche Variante“, sagte er. Hinzu kämen die Lockerungen der Corona-Maßnahmen. „In Kombination führt beides zu steigenden Fallzahlen.“ Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet seit etwa einer Woche einen Anstieg der bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz.
Im Vergleich der Bundesländer liegt der Nordosten seit dem Wochenende mit der Sieben-Tage-Inzidenz an der Spitze. Auch Kaderali macht dafür den Subtyp BA.2 verantwortlich. „Nach der ersten omicron-Welle kam es bundesweit zu einem Rückgang der Corona-Zahlen. Aber das hatten wir in Mecklenburg-Vorpommern nie. Das bedeutet, dass der erneute Anstieg auf dem Höhepunkt der vorherigen Welle basiert“, sagte er.
Die hohe Zahl an Corona-Infektionen macht sich daher auch in den Kliniken bemerkbar. „Wir sind in allen Krankenhausclustern des Landes auf den Normalstationen voll ausgelastet. Die Lage ist angespannt“, sagte Kaderali. Hinzu kommen Probleme durch viele Personalengpässe. Die Lage auf den Intensivstationen ist nicht so angespannt. „Aufgrund der steigenden Zahlen ist es aber sehr schwer abzuschätzen, wie sich die Situation dort entwickeln wird.“
Mit Blick auf die allgemein erwartete Abflachung der Infektionskurve im Sommer sagte er: „Wahrscheinlich wird der saisonale Effekt nicht ausreichen, um die Inzidenz auf 0 zu drücken.“ Die Vermutung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass es auch in den Sommermonaten zu einer Corona-Welle kommen könnte, hält er für plausibel. Die bisherigen Öffnungen könnten bedeuten, „dass wir wieder einen sehr, sehr starken Anstieg sehen und dann mit hohen Inzidenzen in den Sommer gehen werden“.
Kaderali ist Teil des Corona-Expertenrates der Bundesregierung, der Mitte Dezember seine Arbeit aufgenommen hat. Die Zusammensetzung des Gremiums ist breit gefächert und umfasst beispielsweise die Bereiche Virologie, Kinder- und Jugendmedizin, Medizinethik, Intensivmedizin und Bildungsforschung.
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