Stuttgart (dpa/lsw) – In Baden-Württemberg kommen regionale Corona-Hotspots mit strengeren Auflagen nach einer rechtlichen Prüfung durch das Sozialministerium nicht infrage. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr am Sonntag aus Koalitionskreisen in Stuttgart, dass die im neuen Bundes-Infektionsschutzgesetz formulierten Auflagen im Südwesten nicht erfüllt würden. Anders als beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, wo diese Regelung ab dem 2. April greifen soll, ist die Klinikdichte im Südwesten deutlich höher. Das heißt, wenn die Krankenhäuser in einem Stadt- oder Landkreis überlastet sind, könnten Patienten relativ einfach in benachbarte Landkreise verlegt werden.
Über die Verordnung nach dem 2. April will die Landesregierung am Montag entscheiden
Ein Regierungssprecher sagte der dpa, die Tests seien noch nicht abgeschlossen. „Wir werden am Montag beraten, wie es nach dem 2. April weitergeht.“ Hintergrund ist die neue bundesweite Rechtsgrundlage, die die Ampelkoalition auf Betreiben der FDP und unter offenem Protest der Länder kürzlich in Kraft gesetzt hat. Sie verweisen auf die hohe Zahl an Neuinfektionen. Zunächst einmal können alle Länder noch eine Übergangsfrist bis zum 2. April – also kommenden Samstag – nutzen, in der die bisherigen Regeln bestehen bleiben. Danach werden wohl fast alle Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Zugangsbeschränkungen entfallen.
Kretschmann wolle „bei Bedarf“ regionale Hotspots nutzen.
Nach Bundesgesetz kann es aber für regionale Hotspots zu weiteren Einschränkungen kommen, wenn der Landtag für diese eine kritische Lage feststellt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte wiederholt scharfe Kritik an der Bundesregelung geäußert und beklagt, dass den Ländern die Instrumente im Kampf gegen das Coronavirus weggenommen würden. Zu den angeblich verbleibenden Optionen sagte er: „Diese Hotspots stehen auf dem Papier, aber sie können nicht rechtssicher angewendet werden.“ Dennoch schloss er am Dienstag nicht aus, dass es regionale Auflagen geben könnte. „Wenn nötig, werden wir das tun.“ Für Anfang April ist dies aber vorerst nicht geplant.
Das Land drängt mit Partnern darauf, die Übergangsfrist zu verlängern
Auch die grün-schwarze Landesregierung will mit einer Entscheidung am Montag die Sondersitzung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern abwarten. Staatsminister Manne Lucha (Grüne) hatte gemeinsam mit Amtskollegen aus vier weiteren Ländern eine Verlängerung der noch bis zum 2. April möglichen verschärften Corona-Maßnahmen um vier Wochen beantragt. Neben Baden-Württemberg forderten auch Bayern, Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Hessen die Bundesregierung auf, die offenen Fragen zur Umsetzung der Hotspot-Verordnung zeitnah zu klären. Ein bundesweit einheitliches Verfahren ist sicherzustellen.
Die Opposition hält das Ergebnis des Tests für nicht zuverlässig
Die Opposition hält das Ergebnis der Prüfung durch das Sozialministerium für nicht tragfähig. SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch sagte der dpa, das Ministerium gehe das Problem von der falschen Seite an. Die Kliniken sind bereits am Limit, weil ein Normalbetrieb wegen der vielen Infektionen beim Personal nicht möglich ist. „Damit droht dem Gesundheitssystem eine Überlastung.“ Das ist die bundesrechtliche Voraussetzung, um handeln zu können. Aus Sicht der SPD könnte die Landesregierung sogar das ganze Land zum Hotspot erklären.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte der dpa, die Einschätzung des Sozialministeriums sei nicht im Sinne des Gesetzes. „Nirgendwo im Gesetz lese ich, dass die regionalen Hotspots von der Klinikdichte in einem Land abhängen.“ Die FDP findet es richtig, dass ab dem 2. April fast alle Corona-Auflagen abgeschafft und mehr Eigenverantwortung gefördert wird. Rülke hatte bereits angekündigt, zu klagen, falls die Landesregierung auf die Idee käme, das ganze Land zum Hotspot zu erklären.
Die Kliniken haben ihre Belastungsgrenze noch nicht erreicht
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus bleibt im Südwesten auf hohem Niveau. Zuletzt sank die Sieben-Tage-Inzidenz auf knapp 1870. Aufgrund der hohen Dunkelziffer dürfte die Inzidenz aber eigentlich deutlich höher liegen. Allerdings ist die Belegung der Krankenhäuser durch Covid-19-Patienten noch lange nicht am Limit. Auf den Normalstationen befinden sich nach offiziellen Angaben derzeit rund 2030 Patienten; die Kapazität liegt bei rund 5500. Auf den Intensivstationen wurden nach neuesten Zahlen 263 Menschen behandelt. Die Kapazität beträgt hier mehr als 600 Patienten.
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