Gesundheit: „Zur Untätigkeit verurteilt“: Weiterer Ärger über Corona-Lockerungen – innenpolitisch

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Gesundheit: „Zur Untätigkeit verurteilt“: Weiterer Ärger über Corona-Lockerungen – innenpolitisch

„Die Bundesländer sind im Wesentlichen zur Untätigkeit verurteilt“, sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens Mecklenburg-Vorpommern hat bereits Ende April das gesamte Bundesland zum Hotspot erklärt. Hamburg plant das Gleiche, obwohl der Stadtstaat bundesweit die niedrigste Inzidenz aufweist.

Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg und Niedersachsen sehen dagegen trotz Rekordzahlen an Corona-Neuinfektionen derzeit keine Rechtsgrundlage für eine Hotspot-Regelung, würden aber ein Beibehalten der Maßnahmen begrüßen. Wieder andere sind gegen eine Ausweitung der Schutzmaßnahmen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in den 16 Bundesländern.

„Die Bundesländer sind im Wesentlichen zur Untätigkeit verurteilt“, sagte Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) der dpa in Hannover. „Vorsicht ist nicht mehr möglich. Das finde ich falsch.“ Fünf weitere Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland – forderten die Bundesregierung auf, offene Fragen zur Umsetzung der Hotspot-Verordnung schnell zu klären. Für Montag wurde eine Sondersitzung der Gesundheitsministerkonferenz beantragt. Die bisherigen Kriterien zur Ausweisung eines Corona-Hotspots sind nicht rechtssicher und unklar.

Lauterbach appelliert an Länder

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte die Länder aufgefordert, die verbleibenden Möglichkeiten zur Corona-Eindämmung zu nutzen, darunter auch die Hotspot-Verordnung. Eine dafür feststellbare Überlastung des Gesundheitssystems lasse sich an bestimmten Kriterien messen – etwa wenn geplante Operationen verschoben oder Patienten verlegt werden müssten, sagte der SPD-Politiker. Bundesweite Regelungen sind nicht mehr möglich, weil das Gesundheitssystem nicht deutschlandweit überlastet ist.

Die Entscheidung der Bundesregierung, die meisten Corona-Regeln aufzuheben, ist in den Bundesländern auf breiten Protest gestoßen. Nach einer Übergangsfrist bis zum 2. April dürfen sie weitere Einschränkungen mit mehr Maskenpflicht und Zugangsregeln nur noch verhängen, wenn der Landtag eine kritische Lage für Hotspots feststellt. Es gibt keine Schwellenwerte, wann dies greifen soll. Lauterbach kündigte an, auf der Gesundheitsministerkonferenz am Montag Gespräche mit den Bundesländern zu führen, um die Hotspot-Regelung praxistauglich zu machen.

Die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD), Elke Bruns-Philipps, warnte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die Bekämpfung der Pandemie darf nach dem 2. April nicht zu einem unüberschaubaren Flickenteppich führen.“ Der Präsident des Deutschen Kreisverbandes, Reinhard Sager, sagte dem Portal „t-online“, dass der Instrumentenkasten im Infektionsschutzgesetz leider beschnitten worden sei. „Angesichts der immer noch steigenden Infektionszahlen ist die Regelung zu den Hotspots zu schwerfällig.“ Er fordert mehr Wahlfreiheit für die Landkreise.

Die Situation in den Ländern auf einen Blick

GEPLANTE HOTSPOTS (2)

Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern

In MECKLENBURG-VORPOMMERN gilt das gesamte Bundesland bis zum 27. April als Hotspot. Das hat der Landtag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD und Linken sowie den Grünen beschlossen. Konkret bleiben das Abstandsgebot, die Maskenpflicht in Innenräumen und die Testpflicht für ungeimpfte Personen in Hotels und Restaurants bestehen. In HAMBURG plant die rot-grüne Koalition außerdem, die gesamte Stadt zum Hotspot zu erklären und damit die Maskenpflicht in Innenräumen, auch im Einzelhandel, für zunächst vier Wochen einzuführen. Die Bürgerschaft soll über einen entsprechenden Antrag von SPD und Grünen in der kommenden Woche entscheiden. Auch CDU und Linke sprechen sich für die Beibehaltung der Maskenpflicht aus.

ENTSCHEIDUNG OFFEN (6)

Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thüringen

In BAYERN und BRANDENBURG wollen die Regierungen am Dienstag beraten, wie es mit den Corona-Regeln nach dem 2. April weitergeht. Die bayerische Staatsregierung hat den Bund bereits um Aufklärung gebeten, um die Hotspot-Verordnung gegebenenfalls rechtssicher anwenden zu können. Aus HESSEN heißt es, die Anforderungen an die Ermittlung von Hotspots seien so hoch, dass sie nach Angaben der Landesregierung eigentlich ins Leere laufen. Die aktuelle Situation lässt auf keine rechtssichere Regelung schließen. In RHEINLAND-PFALZ und SCHLESWIG-HOLSTEIN stehen hierzu noch Beratungen an. Auch eine erneute Anhörung des eigenen Expertenrates will die Kieler Landesregierung erwägen. In THÜRINGEN möchte die rot-rot-grüne Minderheitsregierung die Maßnahmen verlängern. Allerdings machte die CDU zuletzt deutlich, dass sie Hotspot-Regelungen weder für das Land noch für einzelne Kreise mittragen wolle. Eine Mehrheit im Landtag für die Verlängerung ist daher unwahrscheinlich.

DERZEIT NICHT GEPLANTE HOTSPOTS (8)

Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt

In BADEN-WÜRTTEMBERG und NORDRHEIN-WESTFALEN haben die Landesparlamente bereits Anträge abgelehnt, das gesamte Bundesland zum Hotspot zu erklären. Die grün-schwarze Koalition in Stuttgart hält das Ende der Maßnahmen für einen Fehler. Für eine bundesweite Ausweitung der Maskenpflicht und Zutrittsbeschränkungen sehen Grüne und CDU jedoch keine Rechtsgrundlage mehr. Ähnlich argumentiert die Regierung in NIEDERSACHSEN. „Sobald wir eine Möglichkeit sehen, eine rechtssichere Hotspot-Regelung in Niedersachsen zu schaffen, werden wir diese dem Landtag vorlegen“, sagte Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). Diese Möglichkeit sehen wir derzeit jedoch nicht. Im schwarz-rot-gelb regierten SACHSEN-ANHALT lehnen CDU und FDP eine Verlängerung der Corona-Maßnahmen ab. In SACHSEN hat die Regierung vereinbart, dass die Grundschutzmaßnahmen ab Anfang April gelten sollen. Auch in BERLIN, BREMEN und im SAARLAND bereiten sich die Menschen auf das Ende der meisten Schutzmaßnahmen vor – auch weil es derzeit kaum Möglichkeiten zur Hotspot-Regulierung gibt, wie ein Regierungssprecher in Saarbrücken sagte.

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