Jürgen Karpinski/Grünes Gewölbe/Polizeidirektion Dresden/dpa
Aus der sächsischen Schatzkammer Grünes Gewölbe werden kostbare Juwelen gestohlen. Der Einbruch machte international Schlagzeilen – ebenso wie die Jagd nach den Tätern. Nun kommt der spektakuläre Fall vor Gericht.
Mehr als zwei Jahre nach dem Diebstahl von Juwelen aus dem historischen Grünen Gewölbe in Dresden beginnt am Landgericht der Stadt an der Elbe der Prozess gegen sechs mutmaßliche Täter.
Den bei mehreren Razzien festgenommenen 23- bis 28-Jährigen wird schwerer Bandendiebstahl, Brandstiftung und besonders schwere Brandstiftung vorgeworfen. Die Große Strafkammer verhandelt aus Sicherheitsgründen im Sondersaal des Oberlandesgerichts Dresden am Stadtrand, der für Terrorismus- und Extremismusverfahren geschaffen wurde. Das Medieninteresse ist groß, die Plätze für die Öffentlichkeit sind wegen Corona begrenzt. Zu Beginn werden keine Zeugen geladen, wie ein Gerichtssprecher sagte.
Gesamtwert über 113 Millionen Euro
Die Staatsanwaltschaft wirft den jungen Männern vor, für den Einbruch in das Dresdner Residenzschloss am 25. November 2019 verantwortlich zu sein. Sie sollen 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4.300 Diamanten und Brillanten im Gesamtwert von über 113 gestohlen haben Millionen Euro und hinterließ im Zuge des spektakulären Coups einen Sachschaden von über einer Million Euro. Laut Anklage hatten sie einen Elektrokasten in der Nähe des Schlosses und einen Fluchtwagen in der Tiefgarage eines Wohnhauses in Brand gesteckt – und waren bewaffnet.
Am frühen Morgen brachen zwei Männer durch ein präpariertes Fenster in das Residenzschloss in der Altstadt ein, schlugen mit einer Axt Löcher in eine Vitrine und rissen daran befestigte Schmuckstücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert heraus. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Tat von kriminellen Mitgliedern eines bekannten Berliner Clans begangen wurde, der auch wegen Straftaten wie dem Diebstahl der Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Berliner Bode-Museum im Jahr 2017 ins Visier genommen wurde.
Bei den Verdächtigen, die in Berlin nach und nach festgenommen werden, handelt es sich um Brüder und Cousins. Besonders pikant: Zwei von ihnen gehörten zum Tatzeitpunkt im Goldmünzenprozess vor dem Berliner Landgericht zu den Angeklagten, waren aber auf freiem Fuß. Inzwischen verbüßen sie jeweils eine mehrjährige Jugendstrafe, zu der sie im Februar 2020 verurteilt wurden. Die anderen vier sitzen seit Monaten in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, dass alle direkt an der Tat Beteiligten gefunden wurden. Die Angeklagten haben sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Der Hauptakt besteht aus 65 Bänden
Da zwei der Beschuldigten zur Tatzeit im juristischen Sinne volljährig waren, handelt die Strafkammer als Jugendkammer. Sie hat sich auf Monate eingestellt und 50 Verhandlungstage bis Ende Oktober angesetzt, Fortsetzung möglich. 65 Bände umfasst die Hauptakte des Verfahrens, auch die Zahl der Verfahrensbeteiligten macht es zu einem besonderen Verfahren: Es sind 14 Verteidiger – Anwälte aus Dresden, Leipzig, Berlin, Hannover und Hamburg –, drei Staatsanwälte, Vertreter des die Jugendgerichte und Dutzende von Zeugen.
Laut Staatsanwaltschaft stützen DNA-Spuren von Autos und vom Tatort, Videos, Daten und Zeugenaussagen den ermittelten Tatverlauf. Unterdessen geht die Arbeit der Sonderkommission „Epaulette“, benannt nach einem der Beutestücke, weiter. Gegen weitere 40 Verdächtige, darunter vier Sicherheitskräfte und vier mögliche Helfer der Täter, besteht ein begründeter Anfangsverdacht.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) warnte, dass der Einsatz krimineller Clan-Mitglieder nicht nur ein kurzfristiger Trend bleiben dürfe, sondern Zeit und kriminalistisches Wissen brauche. „Hier müssen ständige Schwerpunktabteilungen aufgebaut werden, die noch enger mit Staatsanwaltschaft, Finanzbehörden und Zoll zusammenarbeiten und auch mit den dringend benötigten personellen Ressourcen ausgestattet sind“, sagte BDK-Bundesvorsitzender Dirk Peglow den Zeitungen der Funke Medien Gruppe.
Er sprach sich unter anderem für Ausstiegsprogramme aus. „Viele Mitglieder dieser Großfamilien sind keine Kriminellen oder wollen sich dem Druck entziehen, wo sie zu Verbrechen gedrängt werden“, sagte Peglow.