Konflikte: Die Angst vor dem Dritten Weltkrieg ist zurück – Unterhaltung

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Konflikte: Die Angst vor dem Dritten Weltkrieg ist zurück – Unterhaltung

Die Gefahr eines dritten Weltkriegs

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wurde im ZDF von Markus Lanz gefragt, ob das eine Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen sei. Die Antwort: „Ja, so muss man das verstehen.“ Muss man das ernst nehmen? „Sie wollen natürlich nicht glauben, dass er es ernst meint mit der Drohung mit Atomwaffen als Erstschlag“, entgegnete Habeck.

„Aber es war lange Zeit kaum zu glauben, dass er die Ukraine in einer Zangenbewegung komplett angreift, wie wir sie auf diesem Kontinent seit 75 Jahren wirklich nicht mehr gesehen haben. Und wir sind eines Besseren belehrt worden und müssen es zugeben dass wir naiv waren. Deshalb sind alle sehr besorgt.“ Eines ist sicher: „Wir können nicht gegen Russland in den Krieg ziehen. Wir können keinen Dritten Weltkrieg riskieren.“

Eine Drohung mit dem Einsatz von Atombomben und die Gefahr eines dritten Weltkriegs – wann haben Sie das zuletzt gehört? In den 1990er Jahren hätte man meinen können, das 20. Jahrhundert würde solche Zeiten für immer vergessen. Damals sprach man vom „Ende der Geschichte“. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine liberale Marktwirtschaft sollen für immer triumphieren. „Wer soll gegen wen in den Krieg ziehen, wenn es nur noch eine Supermacht gibt?“ So hat es der Schriftsteller Navid Kermani in der „Zeit“ in Erinnerung gerufen.

Wendepunkt in Europa

Alle diese Gewissheiten sind weg. Wendepunkt in Europa. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur analysierte der Psychologe und Bestsellerautor Stephan Grünewald („Wie tickt Deutschland?“), dass „die meisten von uns noch nie in ihrem Leben mit einer so bedrohlichen Kriegssituation konfrontiert wurden wie jetzt“.

Der Jugoslawien-Krieg der 1990er oder der Irak-Krieg 2003 sind kaum mit der aktuellen Situation zu vergleichen, weil der eigene Lebensbereich dadurch nie potentiell bedroht war. Im Golfkrieg 1991 war Deutschland Teil des westlichen Bündnisses, wenn auch kein aktiver Kriegsteilnehmer, der dem von ihm besetzten irakischen Präsidenten Saddam Hussein den Ölstaat Kuwait entriss. „Jetzt hingegen befinden wir uns in einer Situation der Ohnmacht“, sagt Grünewald.

„Die Angst, die jetzt zu spüren ist, ist alles andere als irrational, sie basiert auf einer sehr realen Gefahrensituation. Das ist ein grundlegender Bruch mit dem wohltemperierten Lebensgefühl, das Grünewalds Rheingold-Institut in den letzten Jahren immer wieder in tiefenpsychologischen Studien erarbeitet hat.

Das Shire-Feeling

Grünewald nennt es das Auenland-Gefühl, nach der Heimat der gut lebenden, wohlgenährten Hobbits aus John Ronald Reuel Tolkiens Fantasiewelt Mittelerde. Ein Rückzugsort, an dem Sie sich dem Gefühl hingeben konnten, alles im Griff zu haben. Corona war der erste große Schock für diesen glückseligen Zustand.

Mit der Pandemie – um im Tolkien-Bild zu bleiben – waren die Ork-Truppen aus dem dunklen Mordor ihrer persönlichen Idylle bereits gefährlich nahe gekommen. Studien belegen: „Weil es draußen so ungemütlich war, zogen sich viele Menschen nach drinnen, in ihre Schneckenhäuser zurück.“ Mit dem Krieg in der Ukraine erlebt man nun, wie die Realität massiv in die eigene Blase einbricht. „Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir erkennen, dass wir es nicht verbergen können. Es wird einen enormen Einfluss auf die Realität unseres Lebens haben, möglicherweise für die kommenden Jahre.“

Was empfiehlt der Psychologe in dieser Situation? „Am besten kommt man mit anderen ins Gespräch. Man braucht jetzt das Gefühl der gesellschaftlichen Akzeptanz, der gegenseitigen Unterstützung – wie wir es bei der Flutkatastrophe hatten, als die Menschen in den betroffenen Regionen enger zusammengerückt sind.“

Droht ein Atomkrieg?

Konkretes Handeln hingegen muss der Politik überlassen werden. Der 1938 in Königsberg (Kaliningrad) geborene Historiker Winkler sagt, Einheit sei das Wichtigste: „Wenn das westliche Bündnis fest zusammensteht, hat es gute Chancen, ein Übergreifen von Putins Krieg auf den Rest Europas zu verhindern. Aber nur dann.“

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri geht nicht davon aus, dass der Ukrainekrieg zum Einsatz von Atomwaffen führen wird. „Ich glaube nicht, dass ein Atomkrieg eine wahrscheinliche Folge dieser Krise ist“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith. „Wenn Atomwaffen existieren, dann gibt es leider immer diese kleine Möglichkeit. Und das wäre katastrophal.“

Ex-Außenminister Sigmar Gabriel versucht Mut zu machen: „Der Westen hat schon einen Gegner mit Stehvermögen besiegt“, sagte der frühere SPD-Vorsitzende im ZDF. Allerdings brauchte das wirklich einen langen Atem: Der Kalte Krieg dauerte 40 Jahre. Dann wären Sie im Jahr 2062.

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