Das müssen Sie über den Vincenz-Prozess wissen
Nun beginnt der Prozess gegen den ehemaligen Starbanker Pierin Vincenz. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
In zwei Sätzen – worum geht es?
Die Staatsanwaltschaft warf dem ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und dem Unternehmer Beat Stocker vor, in Unternehmen investiert und dann dafür gesorgt zu haben, dass Raiffeisen und Aduno die Unternehmen kauften. Das Problem dabei: Sie hätten nicht offenlegen dürfen, dass sie an den Unternehmen beteiligt waren.
Und warum muss ich das wissen?
Pierin Vincenz galt jahrelang als der „etwas andere Top-Banker“. Er formte die Raiffeisenbank zu einer überregionalen Kraft und präsentierte sich auf den Raiffeisen-Hauptversammlungen als bürgernah. Umso grösser war die Aufregung, als er 2018 in Untersuchungshaft genommen werden musste. Die Verhandlung hat alle Zutaten, um zum wichtigsten Wirtschaftsprozess seit der Swissair-Pleite zu werden.
Was wird Vincenz und Stocker vorgeworfen?
Die Staatsanwaltschaft wirft sowohl Betrug als auch untreue Geschäftsführung wegen der verdeckten Bestände vor. Die beiden Hauptverdächtigen Vincenz und Stocker sollen 9 beziehungsweise 16 Millionen Franken zurückzahlen. Zudem geht es um überhöhte Spesenabrechnungen in Höhe von 600’000 Franken. Davon wurden CHF 200’000 in Nachtclubs ausgegeben. Bei einer Verurteilung drohen Vincenz und Stocker jeweils sechs Jahre Haft.
Wer wird beschuldigt?
Insgesamt sieben Personen stehen vor dem Richter. Laut «NZZ am Sonntag» kann ein Mitbeschuldigter aus gesundheitlichen Gründen nicht am Verfahren teilnehmen. Wegen einer schweren Krankheit könnte das Verfahren gegen ihn eingestellt werden.
Wer wurde geschädigt?
Bank Raiffeisen und das Zahlungskartenunternehmen Aduno. Sie werfen den Angeklagten vor, zu viel für die Unternehmen gezahlt zu haben. Die beiden Unternehmen treten daher in dem Verfahren als Nebenkläger auf.
Haben Raiffeisen-Kunden dadurch einen Nachteil erlitten?
Nein, die Kunden haben nicht unter der Geschichte gelitten. Auch das Image der Bank Raiffeisen dürfte auf Dauer nicht gelitten haben, da sie in den letzten Jahren viele Neukunden gewonnen hat. Finanziell ist der Schaden jedoch groß, so die Bank. Aduno behauptet auch einen großen Verlust aus der Affäre.
Einige der umstrittenen Transaktionen liegen 15 Jahre zurück – warum kommt es erst jetzt vor Gericht?
Die heiklen Firmenkäufe blieben lange geheim. Der Prozess nahm daher erst 2017 richtig Fahrt auf. Die Staatsanwaltschaft hat 2020 Anklage erhoben. Jetzt kommt der Prozess.
Wo findet der Prozess statt und wann dauert er?
Im Volkshaus in Zürich. Die ersten Verhandlungstage sollen bis Freitag, den 28. Januar andauern. Wann das Urteil verkündet wird, ist noch nicht bekannt.
Ist das Urteil rechtskräftig?
Nein, das Urteil soll gefällt werden. Die endgültige Richterentscheidung könnte daher erst in wenigen Jahren fallen.
Was ist eigentlich mit dem Geld aus den Firmengeschäften passiert?
Dies ist unbekannt. Viel Geld soll in Immobilien geflossen sein. Zudem soll Vincenz einer Tänzerin eine siebenstellige Summe Schadenersatz gezahlt haben, nachdem im Hotel ein Streit ausgebrochen war.
Kann es sein, dass der Prozess trotzdem platzt?
Ja, denn das Coronavirus könnte für eine Verschiebung der Anhörung sorgen. Ein erster Verdächtiger ist bereits erkrankt. Der Prozess kann jedoch noch beginnen. Auch Vorkehrungen wurden getroffen. Für die drei Richter gibt es einen Ersatzrichter.
Jorgos Brouzos ist seit 2015 Wirtschaftsjournalist bei Tamedia. Er berichtet hauptsächlich über den Schweizer Finanzplatz und die Rohstoffbranche. Er studierte Politikwissenschaften an der Universität Zürich.
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