Für die Personalentwicklung zeichnet sich ein vielversprechendes Instrument ab. Durch den Einsatz von Predictive HR Workforce Planning mit SAP Analytics Cloud kann dem Risikofaktor Mitarbeiterfluktuation entgegengewirkt werden.
Dabei wird oft vergessen, dass der Kampf um Fachkräfte nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern im Unternehmen selbst ausgetragen wird. Wem es gelingt, qualifizierte Mitarbeiter langfristig zu binden, sichert seinen Erfahrungsschatz und die eigene Wettbewerbsfähigkeit. Das ist das Ergebnis eines Pilotprojekts zum Thema Machine Learning, das die Windhoff Gruppe gemeinsam mit dem Deutschen Rentenversicherungsverband (DRV Bund) durchgeführt hat.
„Beim DRV Bund wird das Thema strategische Personalplanung im in den kommenden Jahren wichtiger denn je. Aufgrund der Altersstruktur Deutschlands befinden wir uns in einem doppelten demografischen Dilemma: Zum einen steigt die Zahl der Rentner, die Zahl der Bewerbungen und damit unser Personalbedarf. Andererseits wird uns mittelfristig eine Vielzahl von Mitarbeitern altersbedingt verlassen, wodurch sich unsere Belegschaft verringern wird. Hinzu kommt ein immer intensiver werdender War for Talents und eine zunehmende Dynamik in der Arbeitswelt.“erklärt Michael Tekieli, verantwortlich für People Analytics beim DRV Bund.
wechselnde Prioritäten
Das Thema Fluktuation gehöre bisher nicht zu den Pain Points, werde aber in naher Zukunft definitiv an Relevanz gewinnen, so Tekieli weiter: „Damit Fluktuation nicht zum Pain Point wird, brauchen wir gezielte Lösungen. Diese sollen uns zumindest in die Lage versetzen, Veränderungen in der Personallandschaft frühzeitig zu antizipieren und im Idealfall mit unserem Wissen erfolgskritischen Abgängen proaktiv und effektiv entgegenzuwirken.“
Vor diesem Hintergrund wurden für das Pilotprojekt zwei Fragestellungen formuliert: Inwieweit kann maschinelles Lernen helfen, Fluktuationsrisiken zu erkennen? Ist Explainable Artificial Intelligence (XAI) in der Lage, Gründe für altersunabhängige Fluktuation zu verstehen? Um Antworten auf diese Fragen zu geben, entschieden sich die Projektverantwortlichen für den Einsatz von Smart Predict in Verbindung mit der SAP Analytics Cloud.
Im ersten Schritt galt es, eine kohärente Datenbasis aus internen (ERP- und HR-Systeme) und externen Quellen zu schaffen. In der Praxis bedeutete dies, dass die persönlichen und beruflichen Daten eines Mitarbeiters um Aspekte aus dem Unternehmensumfeld ergänzt wurden. Insgesamt wurden 40 beschreibende Attribute kodiert. Als nächstes wurden die wichtigsten Einflussfaktoren identifiziert: Alter, Alter des jüngsten Kindes, tatsächliche Arbeitszeit ohne Fehlzeiten, Betriebszugehörigkeit in Monaten, absolute Gehaltssteigerung in den letzten zwölf Monaten und die Stärke der Einschränkungen durch Maßnahmen während der Pandemie im Vergleich zum Covid Stringency Index.
Bei der Suche nach geeigneten beschreibenden Variablen wurden wissenschaftliche Publikationen und die Kreativität des gesamten Projektteams herangezogen. Als Zielgrößen kristallisierten sich verschiedene Zeithorizonte für eine altersunabhängige Kündigung in den kommenden Monaten (1/3/6/12) heraus. Die erfassten Attribute wurden für jeden der mehr als 25.000 Mitarbeiter monatlich für die Jahre 2018 bis 2020 erhoben. Daraus ergab sich ein Datensatz von 650.000 Zeilen oder 230 Megabyte.
Smart vorhersagen
Smart Predict ermöglicht es, die Analyse der gesammelten Daten im Fachbereich als Self-Service durchzuführen. Die entscheidenden Argumente für den Einsatz des SAC waren die schnelle Verarbeitung der Ergebnisse durch automatisiertes maschinelles Lernen, transparente Ergebnisse dank XAI und eine hohe Prognosequalität der leistungsfähigen Machine-Learning-Algorithmen. Die Analyse funktioniert intuitiv und kann ohne Programmierkenntnisse durchgeführt werden, sodass weder IT-Experten noch Data-Science-Ressourcen benötigt werden.
Um Akzeptanzvorbehalten entgegenzuwirken, wurde ein sogenannter Out-of-Sample-Test durchgeführt. Das Projekt machte unter anderem deutlich, dass ein Algorithmus, der vor Juni 2020 mit den Daten trainiert wurde, mit einer Trefferquote von 12,5 Prozent auch im zweiten Halbjahr 2020 ausscheidende Mitarbeiter rückwirkend identifiziert hätte. Der Test zeigte auch, dass die erlernten Zusammenhänge „robust“ waren, also in die Zukunft übertragbar waren. Insgesamt wurden mehr als 50 Prozent der nicht altersbedingten Schwankungen durch maschinelles Lernen erkannt.
Eine weitere Methode zur Steigerung der Akzeptanz war eine Plausibilitätsprüfung der gefundenen Muster, mit der das Predictive-Analytics-Modell Prognosen generiert. Die gefundenen Muster waren auch ein wichtiges Mittel, um zu verstehen, welche Mitarbeiter das Unternehmen aus welchen Gründen verlassen könnten. Allerdings sind moderne Machine-Learning-Algorithmen so komplex, dass die Auswirkung von Einflussfaktoren auf die Abwanderungswahrscheinlichkeit nicht sofort nachvollziehbar ist. Man spricht von einem Black-Box-Phänomen. In den letzten Jahren wurden im Forschungsbereich XAI die Ansätze geschaffen, die Black Box sukzessive zu erklären.
Beispielsweise verwendet der SAC die SHAP-Werte seit der Veröffentlichung von Q3 2021. Damit lassen sich Bedeutung und Einfluss verschiedener Attribute auf lokaler Ebene, also bezogen auf den einzelnen Mitarbeiter, erklären. Dies ermöglicht eine Plausibilitäts- und Kausalitätsprüfung durch Domänenexperten und die Gewinnung neuer Erkenntnisse.
Neben der individuellen Bewertung einzelner Mitarbeiter wurden zusätzliche Analysen hinsichtlich prototypischer Beispiele mittels automatisierter Clusterverfahren (Smart Grouping) durchgeführt. Die Verknüpfung mit der bestehenden Personalplanung zur altersbedingten Fluktuation erfolgt durch die Aggregation der Erwartungswerte über verschiedene Dimensionen hinweg. So lässt sich erkennen, welche Abteilungen und Positionen voraussichtlich besonders von altersunabhängiger Fluktuation betroffen sein werden. Tekieli fügt hinzu: „Für uns als Organisation bleibt nur eine Auswertung und Darstellung auf aggregierter Ebene. So schaffen wir eine gesunde Balance zwischen der Verbesserung der Einsatzbedingungen für unsere Mitarbeiter, der Berücksichtigung der vielfältigen Bedürfnisse und der gleichzeitigen Gewährleistung des Schutzes personenbezogener Daten gemäß DSGVO zu jeder Zeit.“
Die Projektergebnisse überzeugen
Bleibt zu sagen: Mit modernen Technologien lassen sich aus historischen HR-Daten objektive Antworten extrahieren. So können Schwankungen Monate im Voraus antizipiert und Wahrscheinlichkeiten sogar prognostisch beziffert werden. Dadurch können aktive Personalbindungsmaßnahmen (z. B. gezielte Weiterentwicklungsmöglichkeiten) initiiert werden, um Mitarbeitergruppen im Unternehmen zu halten.
„Ich war anfangs sehr skeptisch gegenüber dem Einsatz von automatisiertem maschinellem Lernen, da der vermeintlich wichtige Schritt der Hyperparametrisierung wegfällt. Umso positiver überrascht war ich von der Qualität der Prognose. Ein wichtiger Erfolgsfaktor des automatisierten maschinellen Lernens sind sicherlich die Daten.“ Qualität. Überlässt man alle Schritte der Maschine, wird die Qualität der Trainingsdaten noch wichtiger. Das eher unbeliebte und trockene Thema Datenintegrität sollte daher für Organisationen mindestens so wichtig sein wie ein einheitliches und übersichtliches Machine-Learning-Dashboard. „Tekieli bemerkt.