Nuklearer Notfall: Was bei einem nuklearen Notfall passiert – und was Sie tun sollten – Region

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Nuklearer Notfall: Was bei einem nuklearen Notfall passiert – und was Sie tun sollten – Region

– Der Ukrainekrieg hat die Angst vor einer in Deutschland aufflammenden Atomkatastrophe fast vergessen. Spätestens nachdem Russland auf ein Atomkraftwerk geschossen haben soll, warnen auch Experten. Doch was passiert eigentlich im Ernstfall?


Die Worte, die Wolodymyr Selenskyj wählte, waren dramatisch. „Heute Nacht hätte das Ende der Ukraine, das Ende Europas sein können“, sagte der ukrainische Präsident, nachdem das russische Militär angeblich ein Atomkraftwerk beschossen hatte. „Radioaktive Strahlung weiß nicht, wo Russland ist, Strahlung weiß nicht, wo die Grenzen Ihres Landes sind.“

Spätestens seit dem Vorfall in Saporischschja ist die verdrängte Angst vor einer Atomkatastrophe in Deutschland wieder präsent. Experten sind sich einig, dass nach dem Raketenbrand in der größten Anlage des Kontinents kein radioaktives Material freigesetzt wurde. Nur: Was würde im Ernstfall passieren, wie würde die Reaktion auf einen nuklearen Notfall aussehen?

Deutschland, und das ist die gute Nachricht, ist vorbereitet. Zumindest in der Theorie. Es gibt Szenarien für alle denkbaren nuklearen Notfälle. Dazu gehören neben einem Störfall in einem deutschen Kernkraftwerk auch Probleme im Ausland.

Welche Notfallpläne gibt es?

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) unterscheidet zwischen Reaktoren in Nachbarländern, im übrigen Europa und außerhalb des Kontinents. Die Atomüberwachungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland hat alle Kraftwerke, die weniger als 100 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt sind, besonders genau im Blick. Dazu gehören Chooz und Cattenom in Frankreich, Temlin in der Tschechischen Republik und Tihange in Belgien. Kommt es hier zu einem Vorfall, müsste der Zivilschutz besonders schnell reagieren.

Doch laut BfS gibt es nicht nur für Unfälle konkrete Pläne. Auch auf Terroranschläge, Transportunfälle und sogar Satellitenabstürze ist man vorbereitet. Etwa 50 solcher Objekte mit radioaktiven Stoffen befinden sich derzeit im Orbit. „Wenn ein Satellit über Land abstürzt, ist es unwahrscheinlich, dass eine große Anzahl von Menschen einer erhöhten Strahlung ausgesetzt wird“, sagte die Agentur. Lokale gesundheitliche Probleme sind jedoch möglich.


Die Pläne stehen also, aber die konkreten Maßnahmen für nukleare Zwischenfälle sind nicht öffentlich verfügbar.

Wie würde Deutschland im Ernstfall reagieren?

Das hängt von der konkreten Risikosituation ab. Wird der nukleare Notfall ausgerufen, bildet der Bund unter der Leitung des Umweltministeriums das sogenannte Radiologische Lagezentrum (RLZ). Der Ausschuss misst die radioaktive Belastung – dem BfS liegen Daten von rund 1700 Sonden aus ganz Deutschland vor.

Der Katastrophenschutz selbst ist jedoch Aufgabe der Länder. Laut bayerischem Umweltministerium sollte man das Haus nicht verlassen, wenn die Strahlenbelastung zehn Millisievert übersteigt – ab einem Wert von über 100 planen die Behörden größere Flächen zu evakuieren. Zum Vergleich: Ab einer Dosis von 3000 Millisievert etwa die Hälfte die Menschen sterben ohne medizinische Hilfe, auch wenn sie nur kurzzeitig der Strahlung ausgesetzt waren – und das innerhalb von drei bis sechs Wochen.

Wie würde vor der drohenden Katastrophe gewarnt werden?

Die kurze Antwort: mit allen verfügbaren Mitteln. Grundsätzlich gibt es in Bayern keine feste Katastrophenschutzstruktur – diese Aufgabe wird von den Landkreisen und kreisfreien Städten übernommen. Die mehr als 11.000 Sirenen im Freistaat würden heulen, die Polizei mit Lautsprecherwagen durch das Wohngebiet fahren – und Apps vor der atomaren Gefahr warnen. Fernseh- und Radiosender würden das Programm wohl unterbrechen. Mehr zu den Warn-Apps können Sie hier nachlesen:

Und was kann ich jetzt tun?

Im Idealfall erfährt jeder Bürger direkt, wie groß die Gefahr für ihn ist. Wenn ernsthafte gesundheitliche Probleme drohen, sollte – wenn möglich – eine Evakuierung erfolgen. Ansonsten kommen Sie dafür Bayerisches Umweltministerium ein ganzer Katalog weiterer Maßnahmen, die es zu beachten gilt. Das beinhaltet:

– Einfache Hygiene- und Dekontaminationsmaßnahmen wie normales Duschen oder Umziehen nach dem Aufenthalt im Freien


– Begrenzung des Verzehrs bestimmter Lebensmittel, die radioaktiv kontaminiert sein können

– Schließen von Fenstern und Außentüren sowie Abschalten von Lüftungs- und Klimaanlagen. Experten raten, Fenster und Türen mit Klebeband abzudichten, wenn eine radioaktive Wolke über der Stadt liegt

Wann ist Jod sinnvoll – und wann nicht?

Nach den Vorfällen in der Ukraine soll es mancherorts einen regelrechten Ansturm auf Jod gegeben haben. Apotheker und Experten warnen ausdrücklich vor einer vorbeugenden Anwendung. Zwar können die Tabletten möglicherweise die Lagerung von radioaktivem Material verhindern, dennoch kann die Selbstmedikation gerade für Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen schnell gefährlich werden.

Diese Karte des Bundesamtes für Strahlenschutz zeigt Kernkraftwerke in Europa.

Diese Karte des Bundesamtes für Strahlenschutz zeigt Kernkraftwerke in Europa.
© BfS

„Wir raten davon ab, einen eigenen Vorrat anzulegen“, schrieb das Bundesamt für Strahlenschutz erst vor wenigen Tagen auf Twitter – als Reaktion auf die Panik in der Ukraine. Der Bund verfügt über eine Reserve von fast 190 Millionen hochdosierten Jodtabletten, die bei Bedarf verteilt werden.

Die richtige Dosierung von Jod im Notfall ist ziemlich schwierig. „Wenn Jodtabletten zu früh eingenommen werden, kann das nicht radioaktive Jod bereits wieder abgebaut werden“, berichtet das BfS. „Wenn sie zu spät eingenommen werden, kann radioaktives Jod bereits von der Schilddrüse aufgenommen worden sein.“ Dann käme der Schutz zu spät. Laien sollten daher keine Experimente wagen.

Was ist, wenn ich mit radioaktivem Material in Kontakt gekommen bin?

Auch hierfür gibt es konkrete Pläne. Fast alle Szenarien sehen vor, so schnell wie möglich möglichst viele sogenannte Notfallstationen einzurichten. „Diese sind für die Versorgung von möglicherweise kontaminierten Personen bestimmt“, schreibt das bayerische Umweltministerium. Das Technische Hilfswerk, die Polizei und die Feuerwehr leisten Unterstützung. Die Behörden werden versuchen, die medizinische Versorgung so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.


Und wie wahrscheinlich ist der nukleare Notfall jetzt?

Keine Frage: Der Krieg in der Ukraine ist eine Bedrohung, vor allem aber von konventionellen Waffen für die lokale Bevölkerung. Dass sich Staaten wegen Nuklearanlagen bekriegen, sei extrem gefährlich, ja beispiellos, sagte der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafel Grossi Nachrichten. Doch selbst der Experte hält eine Katastrophe vom Ausmaß von Fukushima für unwahrscheinlich.



Selbst wenn ein ukrainisches Kernkraftwerk direkt unter Beschuss gerät, muss dies nicht zwangsläufig zu einer Katastrophe führen. „Damit es zu einem solchen Unfall kommt, muss das Kühlsystem beschädigt sein“, erklärt Nukleartechnik-Experte Sebastian Stransky von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Deutsche Presseagentur. Im Prinzip halten viele Reaktoren sogar dem Absturz eines Kleinflugzeugs stand. „Auch wenn es beschädigt ist, bedeutet das nicht automatisch, dass es zu einem nuklearen Unfall kommt.“