Pandemie: Deltrakron – Was uns mit gemischten Varianten erwartet – Panorama

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Eine biologisch-technische Assistentin bereitet PCR-Tests auf das Coronavirus vor. Foto: Julian Stratenschulte/dpa


Kreuzungen aus den Corona-Varianten Delta und Omikron werden manchmal inoffiziell Deltakron genannt. Solche Varianten wurden bereits in mehreren Ländern gefunden. Worum es geht.

Berlin – Krankheitserregend wie Delta, ansteckend wie Omicron – das Gespenst einer solchen Supervariante des Coronavirus kursiert schon länger. In diesem Zusammenhang taucht manchmal der einprägsame, aber inoffizielle Name Deltakron auf.

Anfang des Jahres wollten Forscher aus Zypern zunächst eine Kombination der beiden Sars-CoV-2-Varianten Delta und Omicron nachgewiesen haben. Schnell stellte sich heraus, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Fehler durch Kontamination im Labor handelte. Mittlerweile häufen sich aber wieder Meldungen über Deltakron-Fälle. Fragen und Antworten dazu:

Was sagt die WHO?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beobachtet eine sogenannte Rekombinante, die aus je einem Subtyp von Delta (AY.4) und Omicron (BA.1) besteht. Die technische Abkürzung dafür ist XD. Erste Muster kommen aus Frankreich und sind von Januar. Für Deutschland spricht das Robert-Koch-Institut (RKI) auf Anfrage von einem bestätigten Fall und verweist auf weitere Beschreibungen in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden.

Die WHO sagte, es gebe bisher keine Anzeichen einer guten Ausbreitung. Die Überwachung durch die WHO bedeutet nicht, dass XD als besorgniserregend oder interessant eingestuft wird. Infolgedessen hat es noch keinen eigenen Namen erhalten. Der in den Medien teilweise gebräuchliche Begriff Deltakron wird von der WHO ausdrücklich nicht verwendet.

Was spricht gegen den Namen Deltakron?

Für Experten ist der Begriff sehr ungenau und nur zur Veranschaulichung geeignet. Denn es wurde neuerdings nicht nur für XD, sondern für verschiedene Mischformen von Delta und Omicron verwendet. Es sei „kein hilfreicher Begriff, da unklar ist, welche Rekombinante gemeint ist, und der Begriff einen Alarmismus vermittelt, für den es keinen triftigen Grund gibt“, sagte Richard, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität von Basel näher.



Der britische Virologe Tom Peacock hat kürzlich auf Twitter klargestellt, dass sich der in Frankreich entdeckte Hybrid XD von dem in Großbritannien beschriebenen namens XF unterscheidet. Neher erklärte, XD sei die einzige Variante, bei der das Omicron-Spike-Protein „mehr oder weniger perfekt“ in ein Delta-Genom eingebaut ist. Das Virus dringt mit dem Spike-Protein in menschliche Zellen ein.

Wie entstehen solche Mischformen?

Das Phänomen ist keineswegs überraschend. „Dass es solche Rekombinanten von Sars-CoV-2 geben würde, war absehbar. Das kann immer dann passieren, wenn zwei Varianten gleichzeitig kursieren: Zum Beispiel, wenn eine Person gleichzeitig mit Delta und Omicron infiziert ist, eine doppelte infizierte Wirtszelle virales Erbgut austauschen kann“, sagt der Virologe Friedemann Weber (Justus-Liebig-Universität Gießen). Aber das gilt als relativ selten. Experten zufolge sind neben Mischformen aus delta und omicron auch solche aus den omicron-Subtypen BA.1 und BA.2 aufgetreten.

Die aktuelle Evidenz hat auch damit zu tun, dass sich das Virus mit steigenden Infektionszahlen immer mehr verändert hat. Bei den genetisch sehr ähnlichen Varianten aus der ersten Phase der Pandemie sei es schwierig gewesen, Rekombinationen nachzuweisen, schreiben französische Forscher in einem Vorabdruck zu Fällen in Südfrankreich.

Droht die gemischte Sorte die Pandemie zu verschlimmern?

„Es wäre falsch anzunehmen, dass es sich bei solchen Rekombinanten zwangsläufig um Horrorvarianten handelt, die die schlechtesten Eigenschaften der Originalvarianten in sich vereinen“, sagte Weber. Der derzeit in Deutschland vorherrschende Omicron-Subtyp BA.2 ist fast so ansteckend wie Masern – das Virus kann sich kaum mehr vermehren. „Auch wenn omicron oft mit einem milderen Krankheitsverlauf in Verbindung gebracht wird, bleibt abzuwarten, inwieweit dies auch für ältere ungeimpfte Menschen gilt.“ Der Virologe Peacock schrieb, dass von den bisher beobachteten Rekombinanten nur XD vielleicht etwas besorgniserregender sei. Wenn sich eine dieser Mischformen anders verhalten sollte als ihre ursprünglichen Varianten, könnte es XD sein.

Was ist jetzt zu tun?

„In einigen Fällen sind solche Rekombinanten nur in begrenzten Ausbrüchen aufgetaucht. Andere scheinen im Moment linear zuzunehmen, aber
zum Glück noch nicht exponentiell. Das muss man beobachten und ernst nehmen“, sagte der Virologe Christian Drosten am Mittwoch in einem „Zeit“-Interview. Auch Weber rät zu weiterer Beobachtung – er erinnerte daran, dass in der Pandemie bereits einige Varianten aufgetaucht seien, von denen teilweise nie etwas gehört worden sei noch einmal: „Auch diese Rekombinanten könnten wieder im Nebel der Geschichte verschwinden.“

Wie gut werden Varianten bei den aktuell hohen Fallzahlen überwacht?

Eine vollständige genetische Analyse wird in Deutschland nur bei einem sehr geringen Teil aller positiven Befunde von den Laboren durchgeführt und bezahlt. Bei Vollauslastung hätten die Labore aus Kapazitätsgründen sogar weniger als fünf Prozent der Proben sequenziert, sagte Virologin Sandra Ciesek vom Universitätsklinikum Frankfurt. Seltene Virusvarianten würden nur zufällig entdeckt. Sie bedauert auch, dass mit der kürzlich geänderten Testvorschrift die variantenspezifische PCR gestrichen wurde: Mit dem Verfahren lassen sich Auffälligkeiten erkennen, die bereits zur Entdeckung einiger seltenerer Virusvarianten geführt haben.

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