Hamburg (dpa/tmn) – Das Angebot klingt super. Aber es ist das erste Mal, dass Sie von dem Geschäft hören, das das Schnäppchen im Angebot hat. Ist es ernst? Mit dieser Frage im Hinterkopf starten viele Internetnutzer dann die Suchmaschine und landen nicht selten auf Portalen, auf denen Shops oder Dienstleister bewertet werden können.
Dort finden Sie: Noten und Kundenbewertungen. „Super Service“, heißt es da, oder „einmal bestellt, nie wieder“. Bewertungen sind oft auch direkt auf den Websites von Händlern und Dienstleistern verfügbar. Aber wer schreibt eigentlich? Und sind die Bewertungen zuverlässig?
„Zur Einschätzung von Bewertungsportalen gibt es keine belastbaren Daten“, sagt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Bewertungsmechanismen sind nicht transparent, die Manipulationsgefahr hoch.
Stiftung Warentest schließt sich der Warnung an: Ihre Experten fanden 2020 unter anderem heraus, dass Händler oder Dienstleister gute Bewertungen von Agenturen problemlos kaufen könnten – für jeweils zehn Euro.
Gesetzliche Vorgaben fehlen
„Die Mechanismen sind sehr undurchsichtig“, sagt Kai-Oliver Kruske, Rechtsanwalt bei der Verbraucherzentrale Hessen. Die Bewertungsportale geben an, dass sie Fälschungen verhindern oder zumindest erkennen wollen – wie sie dabei vorgehen, ist unklar. Genauso schwer ist nachzuvollziehen, welche Kommentare ganz oben stehen oder welche Noten in die Gesamtbewertung einfließen.
Es gibt Bewertungsportale, deren Algorithmus die „hilfreichsten“ Beiträge hervorhebt. Was die Software als hilfreich erachtet, bleibt ein Rätsel. Gegen diese Portalpraxis hatte der Betreiber eines Fitnessstudios geklagt, war aber vom Bundesgerichtshof letztinstanzlich abgewiesen worden (Az.: VI ZR 496/18).
Wer ein Produkt bewerten darf, ist gesetzlich nicht geregelt, pflichtet Oliver Buttler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bei. Schließlich versuchen einige Bewertungsportale sicherzustellen, dass nur Kunden, die das Produkt oder die Dienstleistung tatsächlich gekauft haben, Noten oder Sterne vergeben.
Der Link zur Bewertung wird erst nach Abschluss des Bestellvorgangs versendet. Doch ein Selbstversuch der Stiftung Warentest hat gezeigt, dass sich eine Bewertung auch mit einer Bestellung erkaufen lässt.
Was also tun mit der Flut an Bewertungen? „Nach unserer Erfahrung kann man sich an schlechten Bewertungen orientieren“, sagt Verbraucherschützer Kruske. Gerade wenn sich Beschwerden über lange Lieferzeiten oder Warnungen vor Abo-Fallen häufen, sind diese wohl echt. Nutzer sollten immer skeptisch sein, wenn es wochenlang nur schlechte Bewertungen gibt, dann aber plötzlich jede Menge fünf Sterne vergeben werden.
Einige Geschäfte verwenden gefälschte Siegel
Neben Bewertungen versuchen Händler und Dienstleister ihre potenziellen Kunden häufig mit Gütesiegeln von der eigenen Seriosität und Qualität zu überzeugen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. „Gerade unseriöse Shops schmücken sich mit bunten Siegeln, die oft nur mit Photoshop nachgeahmt wurden“, sagt Verbraucherschützer Buttler. Es gibt sogar Seiten, die solche Fälschungen zum Download anbieten.
Vertrauenswürdig sind Siegel von Anbietern, die im Gütesiegel-Gremium zusammengefasst sind. Dies sind derzeit EHI, IPS und Trusted Shops. Der Tüv Süd vergibt das Safer-Shopping-Gütesiegel seit März 2021 nicht mehr. Eines der genannten Siegel ist nur dann echt, wenn man darauf klickt und auf die offizielle Siegelseite gelangt, wo der Händler oder Dienstleister als zertifiziert gelistet ist.
Mystery-Shopping-Hilfe
Nun hat aber nicht jede seriöse Seite ein Siegel. Was könnte also noch helfen? Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen empfiehlt eine Testbestellung. Anstelle eines teuren Produktes können Sie sich Ware für wenige Euro zusenden lassen. Das Risiko ist gering, aber Kunden können trotzdem prüfen, ob mit Lieferung, Bezahlung und eventuellen Reklamationen alles funktioniert – und dann mit höherpreisigen Artikeln aufstocken.
Relativ sicher sind auch die Webshops von Geschäften in der eigenen Stadt oder Region. Gegebenenfalls können Sie diese bei Problemen persönlich besuchen. „Bei einem großen Portal muss man verhandeln und ist auf Kulanz angewiesen“, sagt Verbraucherschützer Jorde.
Ansonsten sollten Sie bei unbekannten Anbietern drei Klicks an den richtigen Stellen nicht vergessen, rät Eva Behling, Rechtsexpertin beim Bundesverband E-Commerce und Versandhandel (bevh): zum Impressum, zur Widerrufsbelehrung und zur Datenschutzerklärung. „So können Sie sehen, ob es sich um einen seriösen Anbieter handelt.“ Das Impressum muss auch eine Adresse enthalten. Ob der Kunde die Kosten einer Rücksendung zu tragen hat, steht in der Widerrufsbelehrung. Und die Datenschutzerklärung sollte in vernünftigem Deutsch verfasst sein.
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