Ukraine-Krieg: Was hilft gegen die Angst? | NDR.de – Wegweiser

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Stand: 03.04.2022 13:51 Uhr

Die Nachricht vom Krieg in der Ukraine belastet die Psyche vieler Menschen – und löst sogar Reaktionen im Körper aus. Es gibt Strategien zur Überwindung der Kriegsangst, die helfen können.

Kein Tag ohne Gruselnachrichten: Nach zermürbenden zwei Jahren in der Corona-Pandemie ist die Nachricht da Krieg in der Ukraine. Das beschäftigt viele Menschen Tag und Nacht. Alpträume und Panikattacken rauben ihnen den Schlaf. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage befürchten 69 Prozent der Deutschen, dass die Nato in den Krieg hineingezogen werden könnte.

Stress durch Angst und Schlaflosigkeit

Wenn sich die Gedanken im Kreis drehen und sich auf die Ursachen der Angst fokussieren, läuft das Stress- und Angstsystem hoch und verlangsamt meist alle langfristigen Prozesse im Körper. Zur Vorbereitung auf Kampf oder Flucht wird der Körper mit Stresshormonen geflutet, der Sympathikus wird aktiviert und die Nebenniere schüttet das Stresshormon Cortisol aus. In der Folge steigen Blutzucker und Fettwerte an und die Hormone Noradrenalin und Adrenalin lassen den Blutdruck ansteigen. Alle nicht unmittelbar überlebenswichtigen Funktionen wie Verdauung und Immunsystem werden unterdrückt.

Was in einer unmittelbaren Gefahrensituation durchaus Sinn macht, geschieht nun auch mit Kriegsbildern in den Medien. Anstatt nur nach sachlichen Informationen zu suchen, schauen sich die meisten Menschen auch die Bilder an – und je schlechter sie sind, desto eher schaut man sich um. Die Folge: Der Körper bleibt unter Dauerstress. Langfristig kann dies nicht nur das Risiko für psychische Erkrankungen, sondern auch für Gefäßentzündungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöhen.

Unterschiedliche Reaktionen auf Krieg in der Ukraine

Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf beängstigende Szenarien wie schockierende Bilder aus dem Krieg. Manche bekommen Panik und Stress, andere verfallen in eine Art Erstarrung der Hilflosigkeit. Manche können sich von den Nachrichten nicht losreißen. Andere trauen sich nicht einmal, die News-App zu öffnen.

Reaktivierung eines früheren Traumas

Besonders hart trifft die Angst Menschen, die bereits durch ein vorangegangenes Trauma belastet sind oder unter Depressionen leiden. Wichtig ist, die Angst ernst zu nehmen und nicht einfach wegzureden. Gerade die ältere Generation reagiert auf Kriegsnachrichten oft traumatisch, da längst verdrängte Eindrücke und Erfahrungen reaktiviert werden. Auch wer den Zweiten Weltkrieg und die anschließende Flucht nicht selbst erlebt hat, kann durch die erzählten Geschichten an den traumatischen Erlebnissen seiner Eltern und Angehörigen leiden.

Angst blockiert das Denken

Ist unser Angstsystem einmal eingeschaltet, fällt es uns schwer, klar zu denken. Unter Panik und Stress schalten bestimmte kognitive Fähigkeiten ab, weil das Gehirn in bedrohlichen Situationen den Neurotransmitter Noradrenalin ausschüttet. Sie lässt uns zwar blitzschnell reagieren, schaltet aber große Teile der Großhirnrinde ab, sodass rationale Entscheidungen kaum möglich sind.

Strategien zur Angstbewältigung

  • Bleiben Sie am besten aktiv und nicht zurückgezogen, denn Isolation und Alleinsein machen Menschen anfälliger für Ängste.
  • Es ist in Ordnung, trotz der Tragödie und der schrecklichen Ereignisse mit Ihrem Leben weiterzumachen. Dazu gehört auch, häufiger abzuschalten und den Nachrichten nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, um sich mehr auf sich selbst zu konzentrieren. Wenn die Nachrichtenflut zu stressig wird, reicht es, sich zweimal täglich zu informieren, anstatt die Berichte in Dauerschleife zu konsumieren.
  • Angst sortieren: Was betrifft mich eigentlich? Welche Bedrohung ist real?
  • Die Angst mit anderen Betroffenen und Freunden teilen: Es kann helfen zu erkennen, dass es anderen genauso geht und man nicht allein ist.
  • Reicht das nicht aus, sollte bei starken Ängsten der Hausarzt konsultiert werden.
  • Im Extremfall kann eine Angstambulanz die richtige Anlaufstelle sein, um die Krise emotional zu verarbeiten.

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