In Deutschland könnte Senf wegen Saatgutknappheit deutlich teurer werden – knapp wird die gelbe Würzpaste aus Sicht der Hersteller aber wohl nicht. Laut Lebensmittelverband ist Senfsaat einer der wichtigsten Lieferanten Kulinarik Ukraine.
Sollten Lieferungen im Laufe des Jahres kriegsbedingt ausbleiben, könnte es in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr zu Schwierigkeiten für die Senfproduzenten kommen.
„Wie genau die Verknappung stattfinden wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Normalerweise müsste die Aussaat für Senf in den nächsten zwei Wochen erfolgen“, sagte Kulinaria-Geschäftsführer Markus Weck. Dort liegt der Fokus kriegsbedingt sicher eher auf dem Anbau lebenswichtiger Nutzpflanzen und nicht auf dem Anbau von Nahrungsmitteln für den Export.
Es gibt noch Nachschub
Schon vor Kriegsbeginn gab es Probleme auf dem Senfsaatmarkt. Auch Deutschland bekomme Senfsaat aus Kanada, sagte der Verbandschef. „Aber das Land kann in diesem Jahr sicher nicht alle ungewöhnlichen Waren auf dem Weltmarkt aufnehmen.“ Aufgrund einer Dürre im letzten Jahr gibt es nur etwa die Hälfte der üblichen Ernte.
Doch in den Silos vieler Hersteller lägen noch Lagerbestände, so der Verband, der nach eigenen Angaben 130 mittelständische Unternehmen der Lebensmittelbranche vertritt. „Aus Sicht des Verbandes wird der Markt für Senf im Jahr 2023 eher schwierig, da wir derzeit nicht abschätzen können, wie viel Senfsaat im Laufe des Jahres auf dem Weltmarkt verfügbar sein wird.“ Es ist nicht auszuschließen, dass einzelne Händler an der Verknappung ausfallen.
Die Deutschen konsumieren weniger Senf
Allerdings ist der Senfkonsum hierzulande seit Jahren rückläufig. Laut Kulinaria lag der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland im Jahr 2010 bei rund 1,18 Kilogramm. 2020 waren es nur noch 805 Gramm Senf.
Rund 20 Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten produzieren den Angaben zufolge in Deutschland Senf – rund 80.769 Tonnen im Jahr 2020, knapp 9 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Senf machte knapp 11 Prozent des Gesamtmarktes „Feinkostsaucen“ aus, wobei Tomatenketchup und Tomatensaucen sowie Mayonnaise mehr als 30 Prozent des Produktionsvolumens ausmachten.
Fast 52 Prozent der Senfsaatimporte stammten laut Verband 2020 aus Russland, 27,6 Prozent aus der Ukraine. Kanadische Lieferanten machten etwas mehr als 10 Prozent der Importe aus.
Hersteller spüren die Folgen der Missernte
Der bayerische Hersteller Develey, dem die Marken Löwensenf, Bautz’ner und Reine de Dijon gehören, bezieht seine Senfkörner nach eigenen Angaben unter anderem aus der Ukraine, Kanada und Deutschland. „Aufgrund des Ernteausfalls in Kanada im Jahr 2021 war der Weltmarkt für Senfsaat bereits sehr angespannt“, teilte das Unternehmen mit. Allerdings gibt es derzeit keinen Stillstand in der Produktion der Würzpaste, man ist produktionsfähig.
Laut einer Sprecherin bezieht die Nestlé-Tochter Thomy Senfsaat ausschließlich aus Kanada. Neben der schlechten Ernte gibt es erhebliche Probleme, die Ware von dort nach Europa zu transportieren. „Preiserhöhungen werden derzeit in fast allen Kategorien erwartet, einschließlich Senf“, sagte sie.
Die Preise könnten stark steigen
Auf Senf müssen Fans in Zukunft zwar nicht verzichten, dafür aber wohl mehr bezahlen. „Der Senf wird uns nicht ausgehen“, sagte Verbandsgeschäftsführer Weck. Aufgrund der Saatgutknappheit seien die Preise deutlich gestiegen, sagte Develey. „Bei der zu erwartenden deutlich geringeren Ernte in der zweiten Jahreshälfte ist davon auszugehen, dass sich die Lage noch einmal deutlich verschärfen wird“, sagte eine Sprecherin.
Laut Luise Händlmaier GmbH informiert sie Handelspartner bereits darüber, dass Senf doppelt so teuer werden könnte wie bisher. Grund dafür seien die explodierenden Rohstoffkosten, sagte Geschäftsführer Franz Wunderlich. „Und das wird sicherlich erst der Anfang sein.“ Die aktuelle Rohstoffkrise wird aufgrund geringerer Ernteerträge auch in den nächsten zwei Jahren die Preise und die knappe Warenverfügbarkeit beeinflussen. Weitere Preiserhöhungen sind wohl unvermeidlich.
Zwei Drittel der jährlich 10.000 Tonnen Senfsaat bezieht der Regensburger Senfhersteller bislang aus Russland oder der Ukraine. Es sei alles getan worden, um beispielsweise Saatgut aus Kanada zu bekommen, sagte Wunderlich. Aber: „Aktuell gibt es auf dem Weltmarkt keine Senfkörner mehr zu kaufen.“ Händlmaier wird daher ab nächster Woche die Senfproduktion reduzieren. Dadurch könnte der Hersteller wohl noch bis August lieferfähig bleiben.
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