Welche Corona-Zahlen im Frühjahr 2022 wichtig sind – Gesundheit

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Es ist unübersichtlich geworden in der deutschen Corona-Landschaft. In der Pandemie infizieren sich so viele Menschen wie nie zuvor, gleichzeitig stimmt der Bundestag mit dem neuen Infektionsschutzgesetz weitreichenden Lockerungen zu. Wie passt das zusammen?

Die Bedeutung der Corona-Zahlen hat sich in den letzten Monaten deutlich verschoben. So kann schon lange niemand mehr sagen, wie viele Menschen sich tatsächlich infizieren. Mehr als jeder zweite PCR-Test bestätigt derzeit eine Corona-Infektion. Diese hohe Positivrate ist ein deutliches Zeichen dafür, dass eine Vielzahl von Infizierten nicht mehr in die Statistik aufgenommen wird und wahrscheinlich eine Reihe von unwissentlich Infizierten herumlaufen und andere anstecken.

Kürzlich kursierte die Scherzrechnung, dass die Inzidenz nicht über 3600 steigen könne, selbst wenn alle Tests positiv seien, da die Labore maximal drei Millionen Proben pro Woche untersuchen könnten. Was diese einfache Rechnung zeigt: Um das Vorkommen sinnvoll interpretieren zu können, sollte man auch in den kommenden Monaten die Positivrate beobachten.

Der Impfschutz lässt mit der Zeit nach

Tatsächlich kann man es auch positiv sehen, dass die Inzidenz keine große Rolle mehr spielt und keine einschränkenden Maßnahmen davon abhängig gemacht werden. Es ist ein Zeichen dafür, wie gut die Impfstoffe schützen. Spätestens im Herbst rechnen Wissenschaftler mit neuen Infektionswellen. Wie hart sie Deutschland treffen, wird auch davon abhängen, wie viele Menschen dann einen hohen Immunschutz haben. Der Impfschutz lässt mit der Zeit nach und bei vielen Menschen sind seit der letzten Impfung einige Monate vergangen.

Der Trend ist wichtiger als einzelne Zahlen

Das Coronavirus ist vor allem für drei Gruppen noch unmittelbar gefährlich: Ungeimpfte, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen und ältere Menschen. Daher ist es besonders wichtig, die Inzidenz in diesen Gruppen im Auge zu behalten. Zumindest für die höheren Altersgruppen veröffentlicht das Robert Koch-Institut (RKI) entsprechende Daten.

Auch hier ist Underreporting ein Problem. Für eine Lagebeurteilung ist daher wichtiger, in welche Richtung sich die Fallzahlen entwickeln – dies lässt sich an den Trendpfeilen in der unten stehenden Grafik ablesen.

Entscheidend wird künftig vor allem der schwere Krankheitsverlauf sein. Ziel der Pandemiebekämpfung ist es, Menschen vor dem Tod und die Gesundheitsinfrastruktur vor Überlastung zu bewahren. Dafür erhebt das RKI Daten zu Krankenhausaufenthalten, die wie die Infektionszahlen in eine Sieben-Tage-Inzidenz umgerechnet werden, zur Belegung der Intensivstationen und zu Covid-19-Todesfällen. Diese Zahlen können auch verzerrt sein, beispielsweise weil ein Patient mit dem Coronavirus infiziert ist, aber aus einem anderen Grund ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Per Definition sollen nur die schweren Fälle in die Statistik aufgenommen werden, bei denen die Covid-19-Erkrankung Ursache des Krankenhausaufenthalts ist. In der Praxis ist diese Unterscheidung jedoch nicht immer möglich.

Auch wenn es nicht so viele Covid-19-Patienten gibt, können hohe Infektionszahlen Krankenhäuser vor Kapazitätsprobleme stellen. Im Deutschlandfunk berichtet der Intensivmediziner und wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters Christian Karagiannidis von massiven Personalproblemen: „Was wir nicht vergessen sollten, ist, dass wir derzeit große Personalprobleme in den Krankenhäusern haben, weil unglaublich viele Mitarbeiter – und das ist ein Ausmaß, das ich in meiner Karriere noch nie gesehen habe – gleichzeitig fehlen Mal als eine Corona-Infektion, oder weil die Kinder infiziert sind, oder weil jemand betreut werden muss.“ In manchen Krankenhäusern fehlt mehr als ein Drittel des Personals.

Verschärft sich die Corona-Situation, muss schnell reagiert werden

Auch wenn längst nicht alle Infizierten offiziell registriert sind, hat das RKI Methoden etabliert, um die Pandemie im Auge zu behalten. Es überwacht beispielsweise Grippewellen, indem es zählt, wie viele Menschen mit einer Atemwegserkrankung in Arztpraxen behandelt werden. Allerdings hinken diese der Corona-Situation hinterher. Gleiches gilt für die Situation in Krankenhäusern oder die Überwachung neuer Virusvarianten. Der Expertenrat der Bundesregierung weist daher darauf hin, dass im Zweifelsfall schnell reagiert werden muss.

Auch deshalb zeigen wir die Inzidenz weiterhin in der Corona-Grafik der SZ. Allerdings gilt nun für die vorliegenden Zahlen die Grundregel: Genaue Fallzahlen sind weniger relevant und aussagekräftig als deren Entwicklung.