Stockholm (dpa) – Ob Pippi Langstrumpf oder Räubertochter Ronja, Karlsson vom Dach oder Michel aus Lönneberga: Astrid Lindgrens Kinderbuchfiguren sind noch lange nach ihrem Tod Klassiker in fast jedem Kinderzimmer geblieben.
Wie kaum ein anderer hat der Schwede der Welt der Kinder- und Jugendliteratur vielfältige Schätze geschenkt. Auch zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod am 28. Januar 2002 im stolzen Alter von 94 Jahren lebt ihr Vermächtnis weiter – nicht zuletzt in Deutschland.
Das ersehnte Land Schweden, zu dessen Image Lindgren mit ihrer Bullerbü-Idylle entscheidend beigetragen hat, hat sich seitdem gewandelt. Politisch sind es keine einfachen Zeiten in Stockholm, und auch die grassierende Bandenkriminalität hat dem Ansehen des skandinavischen EU-Landes geschadet. Gleichzeitig veröffentlichte Deutschlands beliebteste schwedische Band Abba kürzlich ihr erstes Studioalbum seit fast 40 Jahren, und auch die Schweden haben mit der Klimaaktivistin Greta Thunberg eine neue, weltberühmte Persönlichkeit gewonnen.
«Kindern Liebe schenken»
Gerade Thunberg zeigt, wie allgegenwärtig Astrid Lindgren bis heute geblieben ist. Als die junge Aktivistin international immer bekannter wurde, fühlten sich viele wegen ihrer damaligen zwei Zöpfe an Pippi Langstrumpf erinnert. Thunberg sei „wie eine trotzige und zutiefst nachdenkliche Pippi Langstrumpf“, sagte Abba-Star Björn Ulvaeus über sie. Und weiter: „Ich glaube, Astrid Lindgren hätte Greta gefallen.“
Astrid Lindgren mochte alle Kinder. „Gib den Kindern Liebe, noch mehr Liebe und noch mehr Liebe, dann werden sich gute Manieren von selbst einstellen“ – dieses Zitat des Schweden aus dem Jahr 1948 prangt auch auf der Website des Friedrich Oetinger Verlags, der kürzlich eine neu illustrierte Ausgabe der herausgegeben hat Lindgrens Klassiker „Mio, mein Mio“. 1970 sagte sie in einem Interview mit der Zeitung „Expressen“, dass sie so schreibt, wie sie das Buch gerne hätte, wenn sie selbst noch ein Kind wäre. „Ich schreibe für das Kind in mir.“
Astrid Anna Emilia Ericsson, geboren am 14. November 1907, verbrachte ihre eigene – glückliche – Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof in der südschwedischen Provinz Småland. Aus diesem Leben auf dem Land hat sie sich für ihre Schilderungen viel inspirieren lassen, nicht zuletzt für das fiktive Dorf Bullerbü.
Frau mit eigenem Kopf
Auch ein biografischer Spielfilm porträtierte 2018 Lindgrens Leben. „Astrid“ zeigt eine junge Frau, gespielt von Alba August, die wie ihre spätere Kunstfigur Pippi Langstrumpf ihren eigenen Kopf hat. Sie erfindet gerne Geschichten, um ihre Geschwister Gunnar, Stina und Ingegerd zu unterhalten. Sie schreibt schon früh, was sie zu einem Volontariat bei einer Lokalzeitung führt, wo sie das Handwerk des Journalisten erlernt. Sie wird in jungen Jahren von der Chefredakteurin der Zeitung schwanger. Mit 18 Jahren verließ sie ihre Heimat in der Provinz, weil sie unverheiratet ein Kind erwartete.
Sie wird den Rest ihres Lebens in der schwedischen Hauptstadt Stockholm verbringen. Dort machte sie in den 1920er Jahren eine Ausbildung zur Sekretärin – dieser Job führte sie schließlich zum schwedischen Automobilclub KAK, wo sie ihren späteren Ehemann Sture Lindgren kennenlernte. Die beiden heirateten 1931, drei Jahre später bekam Astrid Lindgrens Sohn Lasse eine Halbschwester namens Karin, die eines Tages krank im Bett lag und ihre Mutter bat, ihr von „Pippi Långstrump“ zu erzählen. Der Name ist nur eine spontane Idee.
Welterfolg mit Pippi
1944 erhielt Karin schließlich das Manuskript für Pippi Langstrumpf – das Kinderbuch, das zunächst von mehreren deutschen Verlagen abgelehnt, aber schließlich ein Welterfolg wurde. Das Werk wurde erstmals 1949 in Deutschland im Oetinger Verlag in Hamburg veröffentlicht. Weitere Kinderbuchklassiker folgten, die letzte große Geschichte war 1981 „Ronja die Räubertochter“. Bis heute wurden Astrid Lindgrens Werke in über 100 Sprachen übersetzt – von Afrikaans bis Zulu. Wie viele Exemplare verkauft wurden, lässt sich nicht genau sagen. Es wird geschätzt, dass es weltweit rund 165 Millionen gibt. Am beliebtesten: die Bücher über Pippi Langstrumpf.
„Eine Kindheit ohne Bücher wäre keine Kindheit“, hat Lindgren einmal gesagt, und die Liste der klugen Kommentare des Autors lässt sich beliebig fortsetzen. Darunter ist ein Grundsatz, den sich jeder angehende Kinderbuchautor hinter seine kreativen Ohren schreiben kann: „Es kann Dinge in einem Buch geben, die nur Kinder lustig finden, es kann auch Dinge geben, die sowohl Kinder als auch Erwachsene lustig finden. Aber es muss.“ absolut nichts in einem Kinderbuch sein, das nur Erwachsene lustig finden, weil das unhöflich gegenüber dem Kind ist – das das Buch lesen soll.“
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