In den vergangenen Wochen haben Wissenschaftler außergewöhnlich hohe Temperaturen über der Arktis gemessen. Bei Forschungsflügen von Kiruna über die Norwegische und Grönlandsee sowie die Framstraße zum Nordpol seit dem 12. März beobachten die Polarforscher der „Halo-(AC)3“-Kampagne eine massive Aufwärmwelle.
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Nach Angaben der Forscher waren die Oberflächentemperaturen in der Framstraße bei den ersten Flügen um mehr als 20 Grad Celsius höher als aufgrund der Langzeitaufzeichnungen erwartet. Nicht nur die Intensität des beobachteten Heißlufteintrags, sondern auch die Dauer erscheint den Wissenschaftlern ungewöhnlich.
Rekordregen und frühe Eisschmelze
Am 15. und 16. März wurde zudem ein Feuchtigkeitstransport in die Arktis registriert, der als „Atmospheric River“ bezeichnet wird. Es wird erwartet, dass das Ereignis zu Rekordniederschlägen und einer noch stärkeren Erwärmung in der Arktis führen wird. Die Forscher befürchten, dass der Meereiskreislauf durch diese massive Erwärmung ernsthaft gestört wird.
Als Folge des Warmluftstoßes wurden bereits einige ungewöhnliche Phänomene wie Starkregen über dem Meereis beobachtet. Dieser Regen könnte zum frühen Abschmelzen des Meereises beitragen. Mitte März finden solche Prozesse derzeit viel zu früh im Jahr statt.
Die Forscher registrierten auch massive Wolken, die fast so hoch aufstiegen wie in den Tropen. Meteorologische Ereignisse über der Arktis können auch unser Wetter beeinflussen, gilt die Region doch als Wetterküche Europas.
Polarwirbel vorzeitig aufgelöst
Um den 19. März herum registrierten Meteorologen dann auch das Einjährige Auflösung des Polarwirbels, ein großes Höhentief über der Arktis, das im Winter kalte Luft über dem Nordpol fixiert. Im Frühjahr lässt der Wirbelsturm meist erst Mitte April nach. Letztmals kollabierte er bereits in diesem Jahr im Jahr 1986. Die Auflösung oder Teilung des Tiefdruckwirbels kann auch in den kommenden Wochen immer wieder zu Kaltlufteinbrüchen in Mitteleuropa und Nordamerika führen.
Mit dem mehrwöchige Flugaktion „Halo-(AC)3“ das internationale Forschungsteam will die Veränderungen der Luftmassen auf ihrem Weg durch die nördliche Polarregion in der Arktis untersuchen. Ziel sei es, die Prozesse besser zu verstehen, die in den vergangenen 50 Jahren zu dem überdurchschnittlichen Temperaturanstieg in der Arktis geführt haben, sagten die beteiligten Forschungseinrichtungen, darunter die Universität Leipzig, das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung und Alfred Wegener Institut in Bremerhaven (AWI) mit. Die Erwärmung in der Arktis ist mit zwei bis drei Grad deutlich stärker als in anderen Regionen der Welt.
An der Halo-Kampagne sind mehr als 100 Forscher aus zwölf Ländern beteiligt. Beteiligt sind auch Forscher der Max-Planck-Institute für Meteorologie und Chemie sowie der Universitäten Bremen, Hamburg, Köln, Mainz und der LMU München sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Es werden fünf Polarebenen verwendet. Sie sind mit Instrumenten ausgestattet, die die Atmosphäre vom Boden bis zu zehn Kilometer über dem Boden messen können, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Wichtige Helfer sind sogenannte Fallsonden, die vom Flugzeug abgeworfen werden und dann an Fallschirmen zu Boden gleiten. Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre liefern sie Daten über Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit.
Wissenslücken schließen
Mit der Ankunft der Polarflugzeuge Polar 5 und Polar 6 auf Spitzbergen am 18. März begannen die geplanten, koordinierten Messflüge. Die Daten werden verwendet, um die Genauigkeit von numerischen Wettervorhersagemodellen abzuschätzen, die verwendet werden, um zukünftige Änderungen des arktischen Klimas zu prognostizieren. „Die Kampagne trägt damit dazu bei, eine wichtige Wissenslücke in der Klimaforschung zu schließen, auf die auch der Weltklimarat (IPCC) im zweiten Teil seines aktuellen Statusberichts hinweist“, so die LMU-Forscher.
Hitzewelle auch am Südpol
Auch auf der gegenüberliegenden Seite der Erde waren Rekordtemperaturen wurden Mitte März verzeichnet. Von verschiedenen Messpunkten in der Ostantarktis waren extrem hohe Temperaturen gemeldet worden.
Die Werte lagen bis zu 40 Grad über dem langjährigen Durchschnitt. Die Station Concordia in der Ostantarktis meldete am 18. März minus 11,8 Grad, die Durchschnittstemperatur beträgt dort zu dieser Jahreszeit tatsächlich minus 45 Grad.
Klimaforscher sprachen von einem sehr ungewöhnlichen Wetterextrem. Torsten Albrecht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung stuft das Ereignis als wahrscheinliche Folge des Klimawandels ein.