Wie kommt ein Notruf zu den Rettern, wenn das Telefonnetz zusammenbricht? Das fragen sich ein Reichenbacher Stadtrat und der Rettungsverein schon lange.
Reichenbacher Stadtrat Ulf Solheid (Die Linke) beschäftigt angesichts der seit Monaten im Vogtland geführten Diskussion über angemessene Vorkehrungen im Falle eines Stromausfalls die noch nicht öffentlich gestellte Frage: „Wenn Telefonieren ist bei einem längeren Stromausfall durch zusammengebrochene Netze nicht mehr möglich, wie können Bürgerinnen und Bürger im Notfall einen Arzt oder die Feuerwehr rufen? Der Jurist hat sich wiederholt mit der Frage an die Stadtverwaltung gewandt, „inwieweit die Stadt diesbezüglich die Initiative ergreifen will“. Anscheinend gab es keine zufriedenstellende Antwort. „Nun wäre zu prüfen, ob mit Hilfe des kürzlich in der ‚Freien Presse‘ vorgestellten Blaulichtfunks eine Notfallkommunikation aufgebaut werden kann.“
Mit genau dieser Möglichkeit beschäftigt sich seit rund drei Jahren der Rettungsverband Südwestsachsen, der für die Landkreise Vogtland und Zwickau zuständig ist. „Wir wollten weiter sein, aber Corona hat unter anderem die Erstellung eines Notfallkonzepts im Dialog mit Landkreis und Kommunen verzögert. Es soll im Spätherbst fertig sein“, teilt Verbandsgeschäftsführer Jens Leistner auf Anfrage mit.
Kernstück der Planungen für den Katastrophenfall infolge eines längerfristigen Stromausfalls ist ein Notrufpunktnetz, das über das Verbandsgebiet gezogen werden soll. „Diese besteht aus bestehenden und noch zu definierenden Anlaufstellen für Bürgerinnen und Bürger in jeder Gemeinde und in jedem Landkreis.“ Wenn das Telefon wegen des Zusammenbruchs kommerzieller Netze nicht mehr funktioniert, könnten Bürger im Notfall zu Fuß oder mit dem Auto zu diesen Punkten fahren, dort eine medizinische Grundversorgung erhalten – und auch einen Notruf absetzen.
Die Meldung soll über das vergleichsweise ausfallsichere Blaulichtnetz weitergeleitet werden, das auf Empfehlung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe derzeit auch in Sachsen modernisiert wird. Damit würde jede Notrufstelle mit einem Zugang zu diesem speziellen Funknetz ausgestattet und so zur Kontaktstelle zwischen Bürgern, Leitstelle und Rettungskräften. Jens Leistner: „Das wäre unser kommunikatives Rückgrat im Ernstfall. Wir werden die Einrichtung der Punkte zu gegebener Zeit in Absprache mit unseren Partnern öffentlich bekannt geben. Eine andere Lösung des Problems sehe ich derzeit nicht.“
Offenbar sieht das das Land Sachsen nicht anders. Der Gesetzgeber habe auf Nachfrage des Innenministeriums klargestellt, „dass nur der Betrieb und die Organisation der Notrufzentralen (Leitstellen) in die Zuständigkeit der Länder fallen“. Die Länder sind daher nur für die Organisation des „Empfangs von Notrufen“ zuständig. Mit der Schaffung von mit Notstromanlagen ausgestatteten Landesleitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst sowie den Führungs- und Lagezentralen der Polizei sei der Freistaat „dieser Verpflichtung vollumfänglich nachgekommen“. Die Regulierung der Telekommunikation, die in Form von kommerziellen Netzen die Voraussetzungen für das Absetzen eines Notrufs schafft, ist jedoch Aufgabe des Bundes.
Wie lange solche Netzwerke bei einem Blackout mit explodierenden Teilnehmerzahlen noch durchhalten, darüber gibt es kaum verlässliche Informationen. Eine Anfrage an die Telekom blieb unbeantwortet. Auf Anfrage bei der Reichenbacher Stadtverwaltung heißt es, dass ohne Strom das Festnetz „sofort“ ausfällt. Mobilfunknetze werden größtenteils nicht mit Notstrom versorgt und können nur bis zu vier Stunden überbrücken. Bei einem flächendeckenden Stromausfall ist es jedoch unwahrscheinlich, dass ein Notruf abgesetzt wird. Dreh- und Angelpunkt für die Notfallkommunikation wäre das von Bund und Ländern betriebene BOS-Funknetz, das Behörden, Polizei, THW, Zoll, Notrufzentralen oder Feuerwehr vorbehalten ist. Sachsen investiert derzeit 40 Millionen Euro in den Netzausbau.