„Näher zusammenrücken. Öffne deinen Mund.“ Solche Anfragen kommen in Corona-Zeiten sehr schlecht an. Sie sind wichtig für einen Chor: Die Sänger müssen einander hören können, damit die stärkeren Stimmen die schwächeren mitziehen und auf Kurs halten. Die einzelnen Stimmlagen von Alt über Sopran bis hin zu Bass und Tenor müssen gut hörbar sein, sonst passt der Gesang hinten und vorne nicht. Kurzum: Pandemiezeiten sind schwierige Zeiten für Chöre. Proben sind bestenfalls unter erschwerten Bedingungen möglich, Auftritte fallen aus, Chorwochenenden – keine.
Die ersten Zeichen einer Abkehr von der lähmenden Pandemie sollen nun gesetzt werden. Der Kreischorverband (KCV) Südniedersachsen hatte am Samstag zu seiner Jahreshauptversammlung eingeladen, die erste nach zwei abgesagten Terminen – daraus wurde aber auch nichts. „Leider mussten wir die Entscheidung treffen, unseren Kreischorverbandstag, wie wir ihn nennen, abzusagen. Der Grund ist: Zu viele Absagen aufgrund des erhöhten Corona-Aufkommens“, sagt Karl-Heinz Sermond, kommissarischer Vorsitzender des KCV Südniedersachsen .
Von diesen und ähnlichen Problemen können viele Chöre der Region ein Lied singen – wenn sie sollen oder könnten. Denn Corona hat sie in den vergangenen zwei Jahren wie kaum einen anderen Verein getroffen. Also, wie ist die Situation gerade? Gibt es überhaupt Proben? Wie ist die Stimmung? Und was gibt es Grund zur Hoffnung?
Die Zukunft der Chöre steht im Sternzeichen Corona
„Wir treten uns frei“, sagt der für die Geschäftsführung zuständige Mann Shanty-Chor der Göttinger Marinegenossenschaft Verantwortlich Dieter Jäkel. Zweimal bereitete sich das fast 40-köpfige Ensemble auf ein Weihnachtskonzert vor und sang schließlich alles in die Bläser. Dieses Jahr soll es endlich wieder eine Chorreise geben, natürlich an die Küste. Ob es etwas wird, hängt vom Sternzeichen Corona ab. „Trotzdem laufen unsere Kosten weiter“, macht Jäkel auf die Miete für die Räume beim MTV Geismar aufmerksam und auch auf die Musikanlage, die erneuert werden musste.
„Uns geht es nicht gut“, nimmt der Göttinger kein Blatt vor den Mund. Mit Verweis auf den Ukraine-Krieg, fügt er hinzu, sei das natürlich Gejammer auf hohem Niveau. „Alles ist besser, als im Keller eines ausgebombten Hauses zu sitzen“, sagt er. Die Chorproben sollen laut Jäkel jetzt wieder beginnen, auch einige Auftritte seien geplant. „Ich bin hoffnungsvoll für den Sommer.“ Der Herbst ist natürlich wieder voller Unsicherheiten. Was der Shanty-Chor schließlich braucht, sind Nachwuchs, junge Sänger und neue Musiker für die Band. Und nein, das Ensemble würde nicht nur alte Songs interpretieren, sondern auch nach neuen, groovigen Songs Ausschau halten.
Neuer Neustart jetzt nach Ostern
der Cäcilia Werxhausen Männerchor ist zuletzt im November 2021 zu einer Probe zusammengekommen, der letzte Auftritt war vor zwei Jahren, am 10. März 2020. Jetzt, im März 2022, soll es wieder losgehen. „Allerdings sind derzeit mehrere unserer Sängerinnen und Sänger mit dem Coronavirus infiziert, sodass wir den Neustart erneut verschieben müssen“, beschreibt der Vorsitzende Klaus Borchard das Dilemma. Neuer Neustart jetzt: nach Ostern. Das ist der Plan. „Alle sehnen sich danach, endlich wieder singen zu können“, spiegelt Borchard die allgemeine Sehnsucht im Chor wider. Außerdem gibt es im neu renovierten Gemeindehaus einen 100 Quadratmeter großen Raum, in dem genügend Abstand eingehalten und gut gelüftet werden kann.
Mit einem Durchschnittsalter von 53 Jahren ist der MGV Werxhausen ein vergleichsweise junger Chor. „Wir haben guten Nachwuchs“, betont Borchard. Singen, so sein Credo, sei wie Sauna, sei gut für Seele und Körper. Mit dem Frühling kommt das Singen ganz von selbst, es ist wie eine Sehnsucht, wie ein Aufgehen der Knospen. „Es ist Zeit für einen Neustart. Denn auch die Gemeinde leidet unter den Zwangspausen“, sagt Borchard.
Harmonisches Clubleben, modernisiertes Repertoire
„Die Männerchor Hilkerode übt seit Anfang März nach einer längeren Corona-Pause regelmäßig und sehr intensiv jede Woche“, sagt Sekretär Karl Wolf. Die vier Stimmen sind mehr oder weniger gleich besetzt. „Chorleiter Markus Sommer kann mit den rund 20 Liedern ganz gut üben aktive Mitglieder, da alle Männer regelmäßig erscheinen und sehr engagiert sind“, lobt Wolf seine Leute. Mit Nachwuchs ist derzeit leider nicht zu rechnen. Der Vorsitzende Rainer Jacobi sowie der Rest des Vorstandes haben sich um einiges bemüht Zeit, jüngere Männer auf das harmonische Vereinsleben und das modernisierte Repertoire aufmerksam zu machen.
„Schließlich wird der Männerchor Hilkerode aus dem Jahr 1874 im Jahr 2024 150 Jahre alt. Alle Sängerinnen und Sänger sind mehrfach geimpft und so ist die Stimmung noch recht gut. Wir haben also allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu blicken“, sagt Wolf .
Wechselspiel von Hoffnung und Enttäuschung
Gabriele Neubieser, sie ist Vorsitzende des Ensembles Sing ein Lied Bovenden, geht in den kurzfristig abgesagten Bezirkschorverbandstag. „Inzwischen werden die Menschen immer unsicherer, was der richtige Weg ist“, gibt sie zu. „Die Entscheidung in unserem Chor ist genauso schwer. Im Herbst und Winter fielen die Chorproben aus, weil die Räumlichkeiten zu klein sind. Wenn alle 28 Sänger da sind, können wir den nötigen Abstand beim Singen nicht einhalten“, erklärt Neubieser. Die Enttäuschung war natürlich jedes Mal riesig. Schließlich sind alle im Chor, weil sie wirklich Spaß am Singen haben.
„Die Gewissheit, dass wir im Sommer wieder draußen singen können, hat uns umso aufrechter gehalten. Zum Glück haben wir in Bovenden einen guten überdachten Platz gefunden, wo dies möglich ist“, sagt der Vorsitzende. Natürlich ist dieses Auf und Ab alles andere als förderlich, „weil man nicht wirklich vorankommt“. Die Pandemiezeit ist geprägt von immer wieder gleichen Abläufen: Erst ein Ziel setzen, etwa das Weihnachtskonzert – dann alles absagen. „Das Wechselspiel zwischen Hoffnung und Enttäuschung nervt schon ein bisschen“, gibt Neubieser zu. „Jetzt hoffen wir, dass es wärmer wird und vielleicht im Mai wieder geprobt werden kann.“ Erfreulich ist, dass trotz Coronazeit zwei neue Sängerinnen und Sänger gewonnen werden konnten.
Corona zurück, Corona hier: weiter singen
„Die letzten Chorproben und einen Auftritt im Freien hatten wir im Juli und August 2021“, sagt die Vorsitzende des Frauenchor Sankt Pankratius Fuhrbach, Beate Sommerfeld, die lange Zwangspause. Zudem hat der Chor seit Sommer 2021 keinen Chorleiter mehr und: „Unser Proberaum war und ist unter den Corona-Bedingungen nicht groß genug“, sagt Sommerfeld. Bei der geplanten Vorstandssitzung am 4. April solle sich nun zeigen, „wann und in welcher Form wir weitermachen können“. Immerhin wurden erste Kontakte geknüpft, um wieder einen neuen Chorleiter zu finden – möglicherweise könnte es auch ein Chorleiter sein. Denn, so Sommerfeld: „Wir wollen auf jeden Fall weiter singen.“
Bedenken wegen der aktuellen Corona-Situation
„Da wir einen größeren Raum zur Verfügung haben und nur zwischen zehn und 16 Mitglieder der singenden Brüder aktiv sind, üben wir seit zwei Wochen wieder“, so der Vorsitzende des Vereins Langenhagener Männerchor, Godehard Otto jun. Die Generalversammlung des Chores ist für Mitte April geplant. „Natürlich war es schön, nach zwei Jahren wieder durchzustarten, aber die Euphorie ist nicht so groß, es gibt einige Bedenken wegen der aktuellen Corona-Situation und natürlich ist es generell sehr schwierig, wenn in den Wintermonaten keine Übungsstunden stattfinden können. gar nicht erst wieder singen – geschweige denn neue Lieder einstudieren“, beschreibt er die Situation.
„Wir hatten das Glück, dass in den letzten Jahren sieben neue aktive Sängerinnen und Sänger hinzugekommen sind“, sagt Otto – auch wenn Schichtarbeit und Verpflichtungen in anderen Vereinen manchmal verhindern, dass die Neuankömmlinge immer bei den Proben dabei sind. Es braucht auch Zeit, neue Sänger mit bestehenden Liedern vertraut zu machen. „Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber wir haben trotz der Neuankömmlinge immer noch einen hohen Altersdurchschnitt, daher sehe ich die Situation für einen rein männlichen Gesangsverein nach wie vor als sehr schwierig an“, wägt der Vorsitzende ab. Alternativen wären der Zusammenschluss mehrerer Männergesangvereine oder vielleicht ein gemischter Chor, aber dazu sind viele Vereinsmitglieder noch nicht bereit. „Aktuell haben wir keinen Anlass, über eine Auflösung nachzudenken. Trotzdem ist die Situation nicht einfach“, fasst Otto zusammen.
Schwieriges Singen mit Kopfhörern zu Hause
Der Göttinger Chor „Der lebendige Gospelchor“ besteht etwa zur Hälfte aus Sängerinnen und Sängern aus dem Raum Göttingen und der Hälfte aus dem Raum Hannover. „Wir haben uns zuletzt mitten in der Kleinstadt Mahlum bei Hildesheim zu unseren wöchentlichen Proben getroffen“, sagt Generalmusikdirektor Jochen Pietsch. Schon vor Corona hatte der Chor aufgrund der Entfernung zu den beiden Städten mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen.
„Mit der Pandemie haben wir dann versucht, unsere Proben digital durchzuführen, aber musikalisches Arbeiten war kaum möglich, weil man natürlich abends in den eigenen vier Wänden mit Kopfhörern ganz anders singt als gemeinsam in einem Proberaum“, erklärt Pietsch das Problem. Für eine Übergangszeit wurde versucht, sich mit zwei Gruppen (Göttinger und Hannoveraner) an getrennten Orten zu treffen und per Zoom zu proben. Das war auch nicht sehr effektiv.
„Deshalb haben wir die regulären Proben irgendwann pausiert. Unser Plan ist es, nach den Osterferien wieder mit Präsenzproben zu beginnen“, sagt Pietsch einige Sängerinnen und Sänger haben sich verabschiedet.“ Daher gehe ich fast davon aus, dass unser Ensemble mit etwa zehn Stimmen nach der Corona-Pause kaum noch singen kann und wir darüber nachdenken müssen, unsere Proben nach Hannover zu verlegen, um für Neues attraktiver zu werden Mitglieder wieder“, sagt der Musikalische Leiter. Bei den hohen Spritpreisen würde aber die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit bedeuten, dass die Göttinger Sänger dann nicht mehr dabei wären.
„Der Gospel-Church-Day in Hannover im September, wo wir zwei Auftritte haben werden, gibt uns im Moment eine Perspektive. Gleichzeitig planen wir noch ein paar Konzerte rund um den Gospelkirchentag, damit wir hoffentlich wieder mehr Tatendrang entwickeln können.“ Pietschs Aussage klingt eher ernüchternd: „Natürlich passen die Ereignisse seit Beginn der Pandemie nicht gerade dazu Machen Sie es sich leicht, so sorglos und positiv von Gottes Wort zu singen wie bisher. Momentan kommt es mir so vor, als würden wir im Herbst unsere Abschiedskonzerte planen, um dann den Chor konzeptionell neu aufzustellen – natürlich immer noch christlich orientiert.“
Von Ulrich Meinhard